Andreas sang kein Liebeslied bei seinem Auftritt in Essen

Eine Stunde mit Andreas Dorau

Ein kleines Privatkonzert vor einer handvoll Fans brachte eine lahme Party in Schwung. Mit Songs seines neuen Albums „Ich bin der Eine von uns beiden“ sowie älteren Ohrwürmern begeisterten nicht nur Herr Dorau und seine Band, auch das Wildschwein und der legendäre Strobobär sorgten für gute Laune bei den Shanghai Open in Essen.

[ruhr-guide] Hatte Andreas Dorau nach jahrelanger Bühnenabstinenz in diesem Sommer auf den ganz großen Festivals vor zehntausenden begeisterten Fans gespielt oder vor mehreren Jahren kleinere Clubs in der Republik zum Kochen gebracht, zeigte sich bei den Shanghai Open am 14. August 2005 ein ganz anderes Bild.Andreas sang kein Liebeslied bei seinem Auftritt in Essen Lediglich eine handvoll Dorau-Anhänger feierten zusammen mit dem sympathischen Sänger eine familiäre Party. Und die hatte es in sich.

Als Opener präsentierte Andreas Dorau mit seiner Band in gewohnt tanzbarem Minimalismus und ohne große Ansage den Song „Hinterhaus“ seines neuen Albums „Ich bin der Eine von uns beiden“. Elegant ungelenk tanzte der Meister des harmlos wirkenden Sounds und der hintergründigen Texte über die kleine Bühne und zauberte seinen Fans ein Lächeln ins Gesicht. Zum Applaudieren blieb nach diesem schnellen Start kaum Zeit, da dröhnte schon das berühmt berüchtigte Freizeichen aus „Das Telefon sagt Du“ durch den Saal. Sehr rasant, beinahe rockig präsentierte Herr Dorau diesen Song des Albums „Neu“, mit dem er im Jahr 1994 sein Comeback als Musiker feierte. Von eben diesem Album waren einige Stücke zu hören, wie eine halluzinogene Version des Anti-Drogen-Stückes „Stoned Faces Don’t Lie“ oder die hyperschnelle Fassung von „So beeinflussbar“.

Wie Andreas Dorau den Spagat zwischen fröhlichem Elektrosound und bisweilen sozialkritischen Texten vollführt, stellte bei seinem Auftritt vor allem der Song „Schwarze Furchen“ unter Beweis. Der unaufmerksame Zuhörer mag im Bann der schönen Melodie den Inhalt überhören, doch singt Andreas Dorau hier mit unverzerrt klarer Stimme vom Neonaziproblem nicht nur in Deutschlands Hauptstadt. Der geneigte Fan tanzt, singt mit und befindet sich schnell in einer Art Dilemma. Das nächste Stück aber klärt auf, dass es in der Musik, und gerade in der Musik von Andreas Dorau nicht immer nur um Herzeleid gehen kann. Die erste Singleauskopplung aus „Ich bin der Eine von uns beiden“ kann als Gebrauchsanweisung angesehen werden, so werden in „Kein Liebeslied“ zahlreiche viel wichtigere Themen genannt, die es mal zu erwähnen wert sind. Die Palette wurde in Essen spontan erweitert um literaturspezifische Fachgebiete wie „Goethe“ oder „Schiller“. Dass sein Superhit „Girls in Love“ auch kein Liebeslied ist, dürfte inzwischen jedem klar Andreas Dorau und der Strobobärgeworden sein und beim Auftritt auf den Shanghai Open durfte dieser Ohrwurm seines Albums „70 Minuten Musik ungeklärter Herkunft“ natürlich nicht fehlen. Ebenso der äußerst funkige Song „So ist das nun mal“.

Unterstützt wurde Andreas Dorau bei seinem Auftritt nicht nur durch Schlagzeug und Sounds vom Notebook. Neben dem berüchtigten Strobobär tanzte das Wildschwein zu den Songs des neuen Albums. Daneben sorgte es vor allem durch seine Vorliebe für technische Gerätschaften aller Art für Konfusion, als es den Knopf der Nebelmaschine fand und den kleinen Saal des Mudia Art in beinahe blickdichte Rauchschwaden legte. Dass die Konzerte von Andreas Dorau immer mehr bieten als Gesang, Schlagzeug und eingespielte Sounds von zwei Notebooks weiß jeder, der den Freund des eleganten Samples schon einmal live gesehen hat. Erinnert werden soll hier noch an den legendären Clubauftritt im Rahmen der Popkomm 1997 in Köln. Dort waren hunderte von Fans der elektronischen Tanzmusik im Keller der Tanzschule Schulerecki nicht nur völlig außer Rand und Band, sie sangen und klatschten auch über eine Viertelstunde nach Ende des Konzerts noch den Ohrwurm „Angenehm stumpf“, bis Herr Dorau völlig überwältig von diesem Einsatz erneut die Bühne betrat.

Das Ruhrgebiet ist noch nicht so weit. Das ist mal klar. Clubsound hin oder her, aber sobald es anspruchsvoll wird, hört der Spaß wohl auf. Nur so lässt sich das Desinteresse der Gäste der Shanghai Open am hervorragenden Auftritt von Andreas Dorau erklären. Dieser sah das genau so, spielte zum Abschluss „Du verstehst mich nicht“ und ließ sich von den immerhin zwölf (!) gezählten Fans zur Zugabe des Hits „40 Frauen“ überreden. Andreas Dorau hätte viel viel mehr Aufmerksamkeit verdient und bei seinen nächsten Terminen in Köln (5. September) und Düsseldorf (27. Oktober) werden wir auf jeden Fall wieder dabei sein.

(sl)

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