Margarethenhöhe in Essen, Foto: Ruhr Tourismus / Jochen Schlutius

Margarethenhöhe

Beinahe am Anfang der Ruhrgebietsgeschichte steht der Zuzug tausender von Arbeitskräften aus nah und fern. Um diese anzuwerben und einen festen, sesshaften Belegschaftsstamm heranzubilden, legten die Zechen und Industrieunternehmen „Kolonien“ an. Nun gibt es heute auf der so genannten Route der Industriekultur einige solcher Siedlungen, die berühmteste und schönste ist die Margarethenhöhe in Essen, welche mittlerweile über 100 Jahre alt ist.

Margarethenhöhe in Essen, Foto: Ruhr Tourismus / Jochen Schlutius

[ruhr-guide] Die Essener Innenstadt wurde im Zweiten Weltkrieg zu 97% zerstört und wenn man durch die heutige Fußgängerzone geht, dominieren in erster Linie Bauten aus den 50er und 60er Jahren. Einige Gebäude aus dem Mittelalter sind zwar erhalten, dennoch ist die Stadt Essen von der architektonischen Seite her betrachtet keine Schönheit – so wie fast alle Ruhrgebietsstädte ihre Prägung aus der Gründerzeit verloren haben. Auch die Margarethenhöhe wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, da sie in der Einflugschneise der Bomber auf das kruppsche Werksgelände lag. 44% der Wohnungen waren unbewohnbar. Sie wurde aber in ihrer historischen Form wieder aufgebaut, 1955 war sie wieder hergestellt.

Zahlen und Fakten

Zu Beginn einige Fakten: Das ursprüngliche Gelände der Siedlung war 50 Hektar groß und hat sich heute über die Sommerburgstraße hinaus mit der neuen Margarethenhöhe II erheblich erweitert. Der gesamte Stadtteil Margarethenhöhe hat heute 147,09 Hektar und hat 7562 Einwohner. Verwaltet werden die Siedlung und damit die 3100 Wohnungen und 65 gewerbliche Einheiten noch immer von der Margarethe-Krupp-Stiftung. Viele Gebäude der Gründerzeit-Siedlung stehen unter Denkmalschutz.

Die Margarethenhöhe liegt auf einer Hochebene mit seitlich begrenzenden tiefen Tälern. Dieser Umstand hat nicht nur Straßenführung und Anordnung der Häuser beeinflusst, sondern ist auch für den geschlossenen Charakter der Siedlung verantwortlich. Hinter dem Torbogenhaus liegt mit dem Kleinen Markt der repräsentativste Teil der Siedlung an der Steilen Straße.
Margarethe Krupp, die Frau Friedrich Alfred Krupps, gründete aus Anlass der Hochzeit ihrer Tochter Bertha am 15.10.1906 mit Gustav von Bohlen und Halbach die „Margarethe Krupp – Stiftung für Wohnungsfürsorge“. Seit dem Tod ihres Mannes Friedrich Alfred Krupp bestimmte sie von 1902 bis Ende 1906 die Geschichte von Haus und Firma Krupp. Als am 1. Dezember 1906 den Grundstein zur Margarethenhöhe gelegt wurde, begründete sie damit das in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg in Deutschland anspruchsvollste Siedlungswerk. Aus ihrem Privatvermögen hatte die Chefin des Hauses Krupp riesige Ländereien im Essener Süden erwerben lassen. Margarethe Krupp brachte in diese Stiftung das 50 ha große Siedlungsgelände und ein Baukapital in einer Höhe von einer Millionen Mark ein. Die Leitung der Stiftung wurde paritätisch mit Mitgliedern des Essener Stadtrates und der Krupp’schen Werksverwaltung besetzt unter Vorsitz des Oberbürgermeisters.

Jedes Haus einzigartig

Insgesamt finden Sie in der Margarethenhöhe kein Haus das dem anderen gleicht. Bei den Häusern handelt es sich meist um ein- bis zweigeschossige Putzbauten. Geschwungene Giebel und Laubengänge, Erker, Holzfensterläden und Natursteinsockel prägen den liebenswerten Gesamteindruck. Türen, Walm- und Giebeldächer, Außenläden und Fenster sind abwechselungsreich gestaltet, die Häuser treten mal vor und mal zurück, wie in einer alten dörflichen Siedlung.
Erbaut wurde die Siedlung von dem Architekten Georg Metzendorf aus der hessischen Kleinstadt Bensheim. Er wurde vom Direktor der Kruppschen Bauabteilung, Robert Schmohl, in die Industriestadt geholt, nachdem man in ganz Deutschland nach einem geeigneten Architekten für diese Lebensaufgabe gesucht hatte. Metzendorf war mit 34 Jahren nicht nur vom Alter her der ideale Kandidat, er hatte auch als selbständiger Architekt auf dem Gebiete des Wohnungsbaus eine vielseitige Praxis.

Malerischer Markt

Innerhalb der Siedlung ist der Kleine Markt besonders sehenswert. Er wird von Laubenganghäusern gesäumt, an seiner Stirnseite befindet sich das Gebäude der ehemaligen Kruppschen Konsumanstalt. Dort findet sich heute ein Supermarkt. Zwischen den Häusern der ersten Bauabschnitte am steilen Nordhang und der weiteren Bebauung im südlichen Teil seit 1913 bis Ende der zwanziger Jahre lässt sich eine Stilveränderung von romantischer, individueller Bauweise zu einer stärkeren Versachlichung und Vereinfachung feststellen. Der Marktplatz ist ein beliebter Treffpunkt. Der Schatzgräber-Brunnen mahnt mit einer Inschrift: „Grabt Schätze nicht mit Spaten, sucht sie in edlen Taten.“ was sich auf die edle Stiftung der Margarethe Krupp bezieht.

Gasthaus „Margaretenhöhe“ als Wahrzeichen

Als Wahrzeichen der Siedlung gilt das die untere Schmalseite des Kleinen Marktes begrenzende Gasthaus „Margarethenhöhe“ von 1911. Charakteristisch für dieses Gebäude ist die horizontale, geschossweise Fassadengliederung. Im Erdgeschoss ist der Bürgersteig als Wandelhalle überbaut. Dreiteilige Bogenfenster im ersten Obergeschoss, die Arkadengalerie mit ihren eigenwilligen Tulpenmotiven in der Etage darüber und das mit geschwungenem Giebel geschmückte Zwerchhaus mit mächtigem Walmdach vermitteln Anmut, Geborgenheit und Stolz zugleich. Das im ersten Obergeschoss gelegene ehemalige Sitzungszimmer der Stiftung ist ein Beispiel gediegener bürgerlicher Repräsentationskultur.

Heute ist die Margarethenhöhe nicht nur das schönste Beispiel der Gartenstadtarchitektur im Ruhrgebiet, sie ist auch das bevorzugte Wohnquartier in Essen. Nachbarschaft wird groß geschrieben. Hier können Kinder noch draußen spielen, und die Nachbarn schauen schon mal danach. Margarethenhöher schätzen gerade diese entspannte Atmosphäre – sonst wären sie nicht hergezogen. Es gibt eine Grundschule und vier Kindergärten. Neben der Schönheit zählt für viele der günstige Wohnungspreis: Ein schriftlicher Antrag allein reicht aber nicht aus eine der begehrten Wohnungen zu bekommen. Man muss als Wohnungssuchender schon alle vier Wochen bei der Verwaltung reinschauen und später die Taktfrequenz erhöhen.

(sl)

Foto: Ruhr Tourismus / Jochen Schlutius

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