In Fahrtrichtung links

In Fahrtrichtung links

‚In Fahrtrichtung links‘ ist ein Buch über Aussteiger und Aufsteiger, über Kunst und Kommerz, über Theorie und Praxis. Erzählt wird von früher, gefragt wird nach morgen, geschrieben im Hier und Jetzt. Ein Buch über den Bahnhof Langendreer.

[ruhr-guide] So steht In Fahrtrichtung linkses im Klappentext des neuen Buches über das bekannteste Kulturzentrum Bochums. Und wer kennt ihn nicht, den Bahnhof Langendreer. Seit 20 Jahren ist er nicht nur eine feste Adresse im Bochumer Kulturleben, sondern schon ebenso lange ein soziokulturelles Zentrum von überregionaler Bedeutung. Egal ob Konzerte, Kino, Kabarett, Comedy, die legendären Partys oder ernste Themen wie politische Diskussionen – das Publikum des Bahnhofs Langendreer strömt regelmäßig aus dem gesamten Ruhrgebiet unter dem „Stern des Anstoßes“ zusammen.

Vom Personenbahnhof zum Bahnhof für Menschen

Errichtet wurde der ehemalige Personenbahnhof in Langendreer im Jahr 1907 und genau 75 Jahre später von der Bahn nicht mehr benötigt und geschlossen. Was folgte, war der Verfall des Jugendstil-Gebäudes. Der vermutlich bis heute nicht gestoppt worden wäre, wenn nicht Bochumer Bürger und Angehörige der Fabrikbesetzer-Szene sich erfolgreich dagegen gewehrt hätten. Nachdem der Denkmalschutz durchgesetzt war, kam dann die Stadt Bochum, die das Gebäude erwarb, und es der „Initiative Bahnhof Langendreer e. V.“ überließ, die wiederum zwei Jahre später nach dem Umbau hier das Zentrum für Sozialkultur unter dem Titel „Alle reden von Starlight! Wir verstehen nur Bahnhof!“ eröffnete.

Nun widmet sich dieser oft nicht ganz einfachen Erfolgsgeschichte ein Buch aus dem Klartext-Verlag mit dem zweideutigen Titel „In Fahrtrichtung links“. Zum einen spiegelt der Titel die politische Ausrichtung des soziokulturellen Zentrums Bahnhof Langendreer wieder, der sich auch heute noch die Einmischung in gesellschaftliche Themen auf die Fahnen geschrieben hat. Zum anderen ist es schlichtweg der Weg, den der Besucher nimmt, wenn er aus Bochum mit der Bahn anreist.

Odyssee durch Revue und Revolte

So bunt wie der Bahnhof selber ist auch das Buch über diesen geworden. Und damit ist nicht nur das erfrischende Layout gemeint. „In Fahrtrichtung links“ ist wahrhaftig eine „Odyssee durch Revue und Revolte“ geworden: Die Revue, das ist die Kleinkunst, die Weltmusik, die Politik, das legendäre Kino Endstation und die Disko im Bahnhof Langendreer. Diese einzelnen Aspekte der Kulturarbeit werden in den ersten Kapiteln dem Leser näher gebracht. Ein zweiter Abschnitt widmet sich den Re-Aktionen: Meinungen und Grüße sind hier zu finden und eine spannende Reportage, die auf sehr unterhaltsame und sympathische Art und Weise zwei Tage im Leben des Bahnhofalltags beleuchtet und deren Bandbreite von der Gremiumssitzung bis zum Alpha Boy School-Konzert reicht.

Der kurze Sommer der Anarchie

Der dritte und letzte Abschnitt widmet sich der Revolte. Ob in dem Artikel „Der kurze Sommer der Anarchie“ die Vorgeschichte erzählt oder in einem Interview mit dem damaligen Städtebauminister Hintergründe beleuchtet werden – „In Fahrtrichtung links“ bleibt von der ersten bis zur letzten Seite hochgradig spannend. Dabei ist das Buch nicht eine ultimative Lobhudelei geworden, sondern beschäftigt sich kritisch mit der eigenen Vergangenheit und lässt auch Komunalpolitiker zu Wort kommen, die dem Bahnhof Langendreer früher nicht ganz so entspannt gegenüber standen. Schön auch, dass kleine Portraits einmal die Leute hinter dem Geschehen ins Rampenlicht holen.

Die heutige Stellung als über Bochum weit hinaus strahlendes Kulturzentrum belegen nicht nur die Grußworte des etablierten Politikbetriebes am Anfang des Buches, sondern die Statements von Menschen, die hier auf der Bühne eine Zeit ihres Lebens verbrachten. Zu diesen zählt z.B. auch Helge Schneider, der hier „für ne Suppe“ seine ersten Auftritte absolvierte – und diese auch noch mit der Veranstalterin teilen musste.

„In Fahrtrichtung links“ ist ein bunter Reigen, ein Bilderbuch der Geschichte, ein spannendes Lesebuch, ein Fahrplan der täglichen soziokulturellen Arbeit – schlichtweg ein Buch das man nicht mehr aus der Hand legen mag und das ebenso vielfältig ist wie der Bahnhof Langendreer selbst!

In Fahrtrichtung links
Eine Odyssee durch Revue und Revolte
-Der Bahnhof Langendreer-

Antje Grajetzky / Uwe Vorberg / Gerd Spieckermann (Hg.), 160 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Broschur, 14,95 €, ISBN 3-89861-724-6

(pk)

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