cover: Nylon, Pütts und Rock n Roll

Nylon, Pütts und Rock n Roll

In „Nylon, Pütts und Rock ’n‘ Roll – Erinnerungen an die 50er Jahre im Ruhrgebiet“ haben die Herausgeber Rolf Potthoff und Achim Nöllenheidt über 100 persönliche Geschichten rund um das Leben im Ruhrgebiet in den 50er Jahren zusammengetragen. So wird der Leser auf eine Reise durch diese bedeutende Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg – von der Kindheit und Jugend über Alltag und Arbeitsleben bis hin zu Mode und Musik – geführt. Besonders lebendig werden die Erinnerungen durch zahlreiche Bilder aus dieser Ära, die die Erzählungen untermalen. Lassen Sie sich auf eine kleine Zeitreise mitnehmen.

[ruhr-guide] Einem Aufruf der WAZ, über persönliche Erfahrungencover: Nylon, Pütts und Rock n Roll aus dem Leben im Ruhrgebiet in den 50er Jahren zu berichten, folgten zahlreiche Leser und schrieben ihre Geschichten auf. Rolf Potthoff und Achim Nöllenheidt brachten diese, versetzt mit vielen historischen Bildern und Dokumenten, im Essener Klartext Verlag heraus. Das Ergebnis ist ein Buch, das echte und emotionale Einblicke in eine Zeit gibt, in der Deutschland sich nach den schweren Kriegsjahren wieder aufbaut und Dank „Wirtschaftswunder“ und einem weiteren „Wunder“ bei der Fußball-WM 1954 in der Schweiz wieder neue Hoffnung schöpft.

Um einen Einblick in die Zeit zu bekommen, dient eine kurze Einführung der Herausgeber, die die 50er Jahre kurz umreißt. Eine Chronik wichtiger Ereignisse hilft in „Nylon, Pütts und Rock ’n‘ Roll“ zusätzlich, sich historisch und politisch zu orientieren. Die Geschichten mit den Erinnerungen sind thematisch in verschiedene Kapitel unterteilt. So erhält der Leser Einblicke in Alltag und Freizeit der Menschen im Ruhrgebiet der 50er Jahre.

Kindheit, Jugend und Alltag

Lange vor PC und PS3, spielten die Kinder in Höfen, auf der Straße oder Trümmergrundstücken. Im Sommer wurden Rollschuhe und Murmeln ausgepackt, im Winter der Schlitten. In der Schule wurde auf Tafeln Schönschrift geübt und am Tornister hing noch der Tafellappen. Aber wieso hörte der Mann in dem kleinen Kasten eigentlich nicht auf zu reden, wenn man ihn darum bat? Da Fernseher in privaten Haushalten noch nicht sehr weit verbreitet waren, ging man in seiner Freizeit ins Kino, z. B. ins Bottroper „Roxy“ oder die „Lichtburg“ in Essen. Die abgebildeten Filmplakate in „Nylon, Pütts und Rock ’n‘ Roll“ mit den Publikumslieblingen Romy Schneider oder James Dean zeigen, wie die Sehnsucht nach den Lichtspielhäusern geweckt wurde. Teenager trafen sich zudem in Tanzlokalen und in der Eisdiele.
Der Waschtag am Samstag, zu dem es – einer nach dem anderen – in die Zinkbadewanne ging, und der Geruch von Bohnerwachs gehörte für viele zum Leben im Ruhrgebiet dazu. Im Haushalt halfen plötzlich neue Waschmittel und immer mehr elektrische Geräte, wie der Staubsauger oder der Heimbügler. Anschaulich zeigen einige Bilder, wie die Hausfrau von damals umworben wurde.
Einkaufen konnte man im Tante-Emma-Laden, beim Milchbauern und dem Kartoffelmann.

Moral, Mode und Musik

„Sexualität war peinlich“, Ehemänner durften über das Berufsleben ihrer Frauen entscheiden und eine Wohnung bekam man nur, wenn man verheiratet war. Moralvorstellungen und Rollenmuster, die heute als spießig und veraltet gelten, waren damals an der Tagesordnung. Früher war wohl doch nicht alles besser … Die Mode der 50er hingegen bot spannende neue Trends; Petticoat, Jeans und Nylonstrümpfe hielten Einzug ins Ruhrgebiet. Dennoch nähten und strickten viele Frauen selbst, da Kleidung teuer war. Doch nicht nur die Mode, sondern auch die Musik aus Amerika kam ins Ruhrgebiet; Elvis, Bill Haley und Buddy Holly sorgten mit ihrem Sound jedoch nicht nur für schwingende Tanzbeine, sondern auch für Diskussionen zwischen den Generationen. Dank der Musiktruhe ertönten Schlager und Rock ’n‘ Roll durch die heimischen Wohnräume.

Arbeitswelt und Auf Achse

Gearbeitet wurde in den 50er Jahren im Pott sechs Tage die Woche und am Monatsletzten wurde das Gehalt bar in Tüten ausgezahlt. Männer fanden Arbeit im Bergbau oder als Schlosser. Frauen hingegen machten ihre Lehre in einem Laden oder einem Büro.
Nahm man zur Arbeit die Straßenbahn oder das Fahrrad, so durfte es für die Urlaubsreise auch mal der Zug sein, wobei die Ziele oft innerhalb Deutschlands lagen. So ging es z. B. in die Eifel, den Schwarzwald oder an die Ostsee. Autos stellten eher eine Ausnahme dar und erfüllten die Besitzer mit Stolz. Die Autohäuser des Ruhrgebiets warben für deutsche Marken wie BMW und Opel.

Rolf Potthoff und Achim Nöllenheidt haben in „Nylon, Pütts und Rock ’n‘ Roll“ authentische, bewegende und amüsante Geschichten von Menschen, die die 50er Jahre im Ruhrgebiet selbst miterlebt haben, zusammengetragen. Die Erzählungen nehmen den Leser mit in eine andere Zeit und lassen diese neu real werden. Besonders lebendig wird die Epoche durch Fotos, Werbung, Zeitungsartikel und Filmplakate – natürlich alle in schwarz-weiß. Lassen Sie sich mitnehmen in eine Zeit des Wandels und des Aufschwungs. Die kurzen, unterhaltsamen Geschichten eignen sich gut, auch einzeln gelesen zu werden.

Nylon, Pütts und Rock ’n‘ Roll – Erinnerungen an die 50er Jahre im Ruhrgebiet

Rolf Potthoff / Achim Nöllenheidt (Hrsg.)
Klartextverlag, Essen 2012
ISBN 978-3-8375-0879-6
261 Seiten, Hardcover
Preis: 15,95 Euro

(mg)

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