Oliver Uschmann: Wandelgermanen

Oliver Uschmann: Wandelgermanen

Irgendwann reicht’s. Das Leben in der Stadt im Ruhrgebiet ist gelebt und das Land ruft. Aus der Bochumer „Hartmut und ich“-WG sind noch zwei Pärchen übrig und diese vier zieht es in Oliver Uschmanns neuem Roman „Wandelgermanen“ aufs Land. Man kehrt dem Revier den Rücken, doch den Wahnsinn nimmt man mit in eine Welt der altdeutschen Schriftzüge.

[ruhr-guide] Die Zeit drängt, aber ein Haus, dessen Garten an der A44 Oliver Uschmann: Wandelgermanenendet, kommt nun wirklich nicht in Frage. Den beiden Bewohnern aus Bochums bekanntester WG bleiben nur ein paar Wochen, denn lediglich der im Gemäuer festsitzende LKW hält ihr geliebtes Haus in der Wiemelhauser Straße überhaupt noch zusammen. Das perfekte Idyll für Hartmut und Susanne, den Ich-Erzähler und dessen neue Freundin, die Künstlerin Caterina, zu finden, scheint nicht wirklich einfach. Doch manchmal liegt das Glück nur einen Mausklick entfernt – in diesem Fall bei eBay. Hartmut ersteigert für 8.000 Euro ein wunderbares Fachwerkhaus, in dem er seine Online-Beratung weiter vorantreiben kann, Susanne eine Werkstatt und Caterina ein Atelier bekommen sollen. Und dann packt man ein und gerät in eine dörfliche Umgebung, die nichts mit dem erträumten Idyll gemein hat, im Gegenteil.

Das Fachwerkhaus entpuppt sich als verschimmelte Bruchbude in dessen Keller eingemachte Organe leben, die Freundinnen ergreifen nach der ersten Besichtigung des neuen Heims die Flucht und die neuen Nachbarn, ob dauerrauchend oder fußbadend, sind auch mehr als merkwürdig. Bevor das Landleben also beginnen kann, dürfen sich Hartmut und sein Mitbewohner zunächst mit allerhand Gerümpel, einem defekten Ofen, den örtlichen Gepflogenheiten der Stadtverwaltung und mysteriösen Runen im Mobiliar von Ernst und dessen Frau Johanna, dem Hansi Hinterseer-Fan, beschäftigen. Die Ereignisse überschlagen sich, denn die Männer müssen möglichst schnell ihr Haus, wenn man es denn so nennen will, grundsanieren, wollen sie ihre Freundinnen zurückgewinnen. Gleichzeitig holt sie der ganz normale Irrsinn des ländlichen Lebens auf zuvor nicht bedachte Weise ein.

„Wandelgermanen“ ist nach „Hartmut und ich“ und „Voll beschäftigt“ der dritte Roman aus der „Hui“-Reihe. Oliver Uschmann erzählt die Geschichte dieser unglaublichen Landpartie sehr detailreich, sie entwickelt sich sehr viel langsamer aber nicht minder rasant als die beiden Vorgängerromane. Dabei ist man von Anfang an mittendrin im hartmutesken Kampf um frische Luft und Beziehungsfrieden und kommt sogar beim Lesen regelrecht außer Atem, wenn der heldenhafte Ich-Erzähler den geflüchteten Freundinnen in nur 59 Minuten eine Unterkunft bei der einzigen Nichtraucherin im ganzen Ort verschafft oder er zusammen mit Hartmut einen scheinbar nachwachsenden Berg Holz entsorgt. Der Untertitel „Hartmut und ich stehen im Wald“ ist hier wirklich wörtlich zu nehmen – sowohl als auch.

„Wandelgermanen“ ist erfrischend skurril und auf seine ganz eigene Art und Weise auch komisch, einfach hartmutesk – wenn man aus dem Ruhrgebiet kommt und schräge Typen zur Genüge kennt, wird man in dem Roman ein für unsere Region eher unbekanntes Völkchen kennen lernen.

Oliver Uschmann
Wandelgermanen

Hartmut und ich stehen im Wald
384 Seiten, Broschur, 12,90 Euro, ISBN: 978-3-502-11051-4

(sl)

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