Jürgen Kuttner: Volks-Beglückung

Jürgen Kuttner: Volks-Beglückung

Jürgen Kuttner, Kulturwissenschaftler
und intensiver Medienbeobachter, war am 30. März im Rahmen der Mülheimer Literaturtage – Wort.Wahl – im
Ringlokschuppen zu bestaunen.

[ruhr-guide] Er kann einen schon schwindelig quatschen und
zeitweise sitzt man wirklich etwas ratlos vor diesem
Mann und seinem Koffer voller Adjektive, die er in
einer Endlosschleife von permanenter und hartnäckiger
BuchstabenaneinanderreihungJürgen Kuttner: Volks-Beglückung ins Publikum schleudert.
Aber sein Publikum macht einen recht „qualifizierten
Eindruck“ und so fährt Kuttner, Kulturwissenschaftler
und intensiver
Medienbeobachter- Kritiker- Auseinandernehmer- Zusammensetzer-
wild gestikulierend und mit (Ost)-Berliner
Riesenschnauze fort.
Er führt „Videoschnipsel“ vor, zeigt
Ost-Fernsehen-Ausschnitte an diesem Abend, die
Verlesung der Endergebnisse der Kommunalwahlen
89…Egon Krenz im Zahlenrausch und
Teleprompter-Alptraum…schlägt die Brücke zu George
Bush und Al Gore. Wie schaut es aus mit den „extrem
genauen Wahlfälschungen?“
Nur ein Anstoß. Oder zwei. „Genau hinsehen-und
hinhören!“

Was ihn zugleich amüsiert und übel aufstößt, ist das
Bild-Ton-Zusammenspiel in vielen Fernsehbeiträgen. Da
passt jedes Wort auf jedes Bild. Es wird gehört was
gesehen wird. Was Kuttner fehlt ist der Raum
dazwischen. Eine Chance des Betrachters für
Eigeninterpretationen. Wenn es „die Spatzen von den
Dächern pfeifen,“ dann sind eben Spatzen zu sehen, die
es von irgendwelchen Dächern pfeifen.“

Und auchJürgen Kuttner: Volks-Beglückung Joseph Beuys ist Thema bei den
außergewöhnlichen Kuttner-Sessions.
Da steht er nun und singt: „Sonne statt Re(a)gen!“ bei
einem Werbespot für die Grünen. Spielt als spiele er
Gitarre mit Band und einigen Damen am Mikro, die das
Bild scheinbar nur ausfüllen sollen.
Der komplett und voll-zahlende Gebührenzahler möchte
schließlich kein halb-besetztes Fernsebild sehen …
Und Kuttner philosophiert über die Absurdität von
Wetterberichten und rät dazu doch einfach aus dem
Fenster zu schauen.

Die Zuschauer lachen an genau den Beitragsstellen, die
Jürgen Kuttner zuvor für sie hervorgehoben hat und
man fragt sich so im ganz, ganz Stillen, ob das nicht
ein wenig seltsam ist. So bei genauer Betrachtung.
Schließlich heisst es ja: „Genau hinsehen-und
hinhören!…“.

Jürgen Kuttner kommt schon sehr bald wieder in den
Ringlokschuppen nach Mülheim. Dann gibt es garantiert
wieder volle zwei Stunden medienkritische
„Verräterveranstaltung.“ So pfeifen es zumindest die
Spatzen von den Dächern …

(lg)

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