Philharmonie Essen kopflos?

Ein Kulturthema beherrschte Essen in den letzten Septemberwochen: Prof. Michael Kaufmann, Intendant der Philharmonie Essen, wurde fristlos entlassen. Derzeit müssen die Mitarbeiter des Hauses ohne Intendant weitermachen – doch der neue Geschäftsführer der Theater und Philharmonie Essen GmbH (TUP) übernimmt die kommissarische Leitung.

[ruhr-guide] „Es kann nicht sein, dass das Geld an einer Ecke ausgegeben wird und woanders muss gespart werden“, eröffnete Hans Schippmann, Vorsitzender des Aufsichtsrates der TUP die erklärende Pressekonferenz im Rathaus. „Da Herr Kaufmann in den letzten zwei Jahren rund 1,5 Millionen Euro zuviel ausgegeben hat, mussten wir handeln.“

Warum der Intendant den Etat des Hauses so sehr überzogen hat? „Hauptsächlich beruhen die Mehrausgaben auf der Überziehung des Werbebudgets“, hält Schippmann fest. Kulturdezernent der Stadt Essen und Aufsichtsrat-Mitglied der TUP Oliver Scheytt ergänzt: „In den ersten Jahren hat Michael Kaufmann seinen Gesamtetat gar nicht voll ausgeschöpft und am Spielzeitende stets ein plus von 150.000 bzw. 200.000 Euro verzeichnen können. Umso erschrockener waren wir 2007, als wir die unabhängig geprüften Zahlen erhielten, die plötzlich ein Defizit von 750.000 Euro auswiesen.“

Mit Ausnahme von schriftlichen Hinweisen und vielen Gesprächen, hat man seitens der TUP aber zunächst nicht viel unternommen. Warum? Oliver Scheytt sucht nach einer Erklärung: „Es fanden viele Gespräche statt und wir haben Herrn Kaufmann ja auch schriftlich darauf hingewiesen, dass er sparen muss und eine weitere Überziehung des Etats ausgeschlossen ist. Doch auch in der soeben abgelaufenen Spielzeit kam es wieder zur Überziehung des Marketingetats um 140.000 Euro – das ist die Summe, die ‚Pact Zollverein‘ als Jahresförderung bekommt. Jetzt mussten wir handeln.“ Dass durch das späte Handeln der TUP-Aufsichtsrat-Mitglieder nun der gesamte Kulturetat der Stadt Essen um 1,5 Millionen Euro erleichtert wurde – und dass in Zeiten, in denen den Theatern Mehrausgaben durch die Tariferhöhung im öffentlichen Dienst ins Haus stehen – und ein Einzelner nun auch den kleinen und freien Theatern die Förderung raubt, blieb im Rahmen der Pressekonferenz weitestgehend unerwähnt. Im Mittelpunkt stand hier vielmehr die TUP-Schadensbegrenzung. Doch nicht allein das eigenwillige und uneinsichtige Handeln des Prof. Michael Kaufmann schadet der künftigen Kulturhauptstadt! Der Streit, der jetzt um den Rauswurf des Intendanten unter Förderern, Sponsoren, Kulturpolitikern und –schaffenden entbrannt ist, schadet dem Image der Stadt enorm. Dabei steht eine Rücknahme des Entschlusses, sich von Kaufmann zu trennen, gar nicht zur Debatte: „Das Vertrauensverhältnis ist kaputt“, stellt Scheytt klar. Und auch Hans Schippmann versucht zu erklären: „Nicht nur bei den Besucherzahlen blieb Herr Kaufmann unter seinen eigenen Erwartungen. Auch die im Vorfeld kalkulierten Eigeneinnahmen wurden um 575.000 Euro verfehlt. Bei der TUP sind alle Intendanten gleich und müssen ihre Verträge einhalten.“

Und in eben diesem Vertrag steht, dass selbst kleinste Budgetüberschreitungen dem Aufsichtsrat unverzüglich gemeldet werden müssen. „Dies hat Herr Kaufmann nie getan“, so Schippmann. Vertragsbruch also? Das klären nun die eingeschalteten Anwälte und es bleibt zu hoffen, dass der ohnehin gebeutelte Kulturetat der Stadt Essen nun nicht noch eine hohe Abfindung für den gefeuerten Intendanten tragen muss, denn der Vertrag mit Prof. Michael Kaufmann wurde bereits vor drei Jahren bis zum Jahr 2013 verlängert. Die kommissarische Leitung der Philharmonie hat nun der neue TUP-Geschäftsführer Berger Bergmann übernommen. Auf die Intendantensuche begibt man sich aber unverzüglich nach den Herbstferien.

Trotz aller Kritik zeigte sich der Aufsichtsrat aber auch dankbar, für den Start, den Kaufmann dem Essener Konzerthaus ermöglicht hat. „Wir sind Herrn Kaufmann zu tiefstem Dank verpflichtet, denn er hat in seiner Schaffenszeit für tolle Musik und ein ausgezeichnetes Konzertprogramm gesorgt“, fand Scheytt auch lobende Worte. „Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Philharmonie Essen einen ausgezeichneten Ruf genießt.“

Mit einem ausgezeichneten Konzertprogramm macht man hier auch zurzeit weiter: Infos und Termine unter www.philharmonie-essen.de

(ms)

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