Eine Karte der Klänge von Tokyo Bildquelle: Alamode Film

DVD-Rezension: Eine Karte der Klänge von Tokyo

Mit „Eine Karte der Klänge von Tokyo“ gibt es DVD und Blu-ray-Nachschub im
Arthouse-Sektor: Isabel Coixet zeigt eine sich vor dem Hintergrund der japanischen
Metropole abspielende Amour fou zweier emotional stark geschädigten Menschen. Der Film war als Wettbewerbsteilnehmer im Programm des letztjährigen Filmfestival in Cannes vertreten und vereint zwei interessante Personen der Filmkunst auf der Leinwand: Rinko Kikuchi – bekannt durch den Part der gehörlosen Chieko Wataya aus „Babel“ – kommt dem Spanier Sergi López, der den sadistischen Hauptmann Vidal in Guillermo del Toros fantastischem „Pans Labyrinth“ verkörperte, in einer von Fetischen geprägten Liebeskiste näher. Im Zusammenspiel mit Coixets kunstvollen Aufnahmen Tokyos breitet sich die emotionale Geschichte der beiden Liebenden aus …

[ruhr-guide] Als sich die Tochter eines mächtigen Geschäftsmannes umbringt, sieht der in Trauer versinkende Vater nur einen Eine Karte der Klänge von Tokyo Bildquelle: Alamode FilmSchuldigen: Den Spanier David (Sergi López), den Geliebten der Verstorbenen. Ryu (Rinko Kikuchi), die als Auftragskillerin arbeitet, soll David umbringen. Nachdem sie den Weinhändler kennen gelernt hat, versinkt die hübsche junge Frau jedoch in einer intensiven Affäre mir ihrem Opfer. Auch David verzweifelt am Tod seiner Partnerin und findet in Ryu endlich einen Menschen, der ihn aus dem Loch der Verzweiflung befreien könnte – die eigenbrödlerische Ryu hingegen erlebt durch ihn einen emotionalen Schub, bisher unbekannte Gefühle werden nun auch für sie real. Über allem schwebt jedoch die schwere Last der Vorgeschichte und die Versehrtheit der Seelen, die dunkle Schatten auf die Chance ihrer Liebe zu werfen droht …

Kunstvoll inszenierte Amour fou

„Eine Karte der Klänge von Tokyo“ ist vor allem eins: Das kunstvoll und visuell aussergewöhnlich inszenierte Portrait der japanischen Metropole Tokyo. Wie bereits bei der Kinoauswertung zu lesen war, wird der Streifen oft mit Sophia Coppolas „Lost in Translation“ in Verbindung gebracht. Dieser Vergleich trifft zwar nicht exakt den Nagel auf den Kopf, „Eine Karte der Klänge von Tokyo“ ist im Thema weitaus ernster und endgültiger, zeigt jedoch passend die Parallele des Versuchs auf, Tokyo visuell einzufangen. Ohne Zweifel gelingt dies beiden Filmemacherinnen hervorragend, Coppola und Coixet werfen jeweils ihren Blick auf die Häuserschluchten, Neonlichter und die umherwuselnden Menschen, das Ebenbild des pulsierenden Lebens. Wer sich für ähnliche Stoffe interessiert, sollte dem Film „Stratosphere Girl“ von Matthias X. Oberg einen Blick schenken …
Vor der Kulisse stimmungsvoller Großstadt-Impressionen entwickelt die Spanierin Isabel Coixet, die mit „Elegy“ oder „Mein Leben ohne mich“ Bekanntheit erlangte, die sich unter aussergewöhnlichen Umständen entwickelnde Amour fou der beiden Hautfiguren. Nichts anderes ist diese wilde Affäre, die sowohl körperlich als auch seelisch intensiv geführt wird. Der Zuschauer erlebt das Zusammenkommen zweier verletzter Seelen, deren innerer Zustand in der Art und Wiese der Beziehung widerhallt.

Dramatische Ereignisse setzten die Geschichte in Gang

Der Auslöser dieser Liebelei ist der tragische Selbstmord der Tochter eines reichen Geschäftsmannes, mit der David liiert ist. Eine Karte der Klänge von Tokyo Bildquelle: Alamode FilmSchon immer gehasst vom Vater, ist David schnell als Sündenbock ausgemacht. Als wären die Vorwürfe, die sich der Weinhändler bereits selber macht nicht schon genug, kommt die Schuldzuweisung noch on top. Ryu hingegen lebt zurückgezogen und ohne viele Kontakte ihr vereinsamtes Leben. Des Nachts beschäftigt sie sich auf dem Fischmarkt, spült Blut und Überreste beiseite.Tagsüber verrichtet sie als Auftragskillerin ihre eigentliche Einnahmequelle und lässt im übertragenen Sinn das Blut fliessen, welches sie später versucht fortzuspülen. Als sie den Auftrag David zu töten annimmt, ahnt Ryu nicht annähernd, dass der Spanier eben den Zugang zu ihrer Seele findet, der bisher verschlossen blieb. Nach dem Kennenlernen sind Beide voneinander mehr als angetan, ihre Gefühle füreinander überrumpelt sie quasi, was sich in einer extrem geführten, körperlichen wie geistigen, Liebelei niederschlägt. Was „Eine Karte der Klänge von Tokyo“ interessant macht, ist dieses Aufeinandertreffen der Individuen, die – jeder für sich – unter gewissen Problemen leiden, weshalb ihre Beziehung so bizarr in jeglichen Belangen ausfällt.

Coixet geht nicht weit genug

Leider geht die Regisseurin nicht weit genug. Nicht gemeint ist das visuelle Weitgehen, denn dort ist Coixet sehr genau und freizügig. Sie nutzt diese Bilder mit feinem Gespür um die sich stetig verändernde Beziehung der Beiden zu beschreiben. Hier werden die Bilder zum Erzähler bzw. zum Ausdrucksmittel innerer Gefühlsvorgänge. Wo Coixet allerdings nicht ausgiebig präsentiert, ist bei der Ausbreitung ihrer Figuren und deren Beweggründe. Einmal eingeführt, verharrt der Film auf einer Ebene und verpasst es, die interessante Konstellation weiter auszuführen. Was geht in Ryu vor, die den einzigen Menschen töten muss, der zu ihr vordringen konnte? David erzählt immerzu von seiner toten Freundin, doch wann durchbricht Ryu diesen Zustand und wird seine große Liebe, wie es der Film letztendlich behauptet? „Eine Karte der Klänge von Tokyo“ ist in letzter Konsequenz zu undeutlich, schemenhaft. Zu loben sind die Leistungen von Kikuchi und López , die ihre sicher nicht einfach zu spielenden Parts hervorragend meistern. Gerahmt ist diese Liebesgeschichte durch einen Erzähler, der als Tonmeister ein Gespür für die Klänge um ihn herum hat. Stets auf der Suche nach neuen Aufnahmen, fängt er die sich ausbreitende Geschichte von Ryu und David ein und gibt sie an den Zuschauer weiter. Auch bei diesem Aspekt verfolgt die Regisseurin eine tolle Idee, denn dieser Erzähler verleiht dem Film eine mythische Rahmung, die meist großen Liebesgeschichten in Literatur und Film anhaftet.

Die DVD beinhaltet neben dem Hauptfilm die deutsche und japanische Tonfassung im Dolby-Format 5.1 plus deutsche Untertitel. Als Extras Eine Karte der Klänge von Tokyo Bildquelle: Alamode Filmbringt die DVD ein 30-minütiges Making of mit, das interessante Einblicke in die Arbeit von Regisseurin, Crew und Schauspielern bietet und so einen Eindruck des Drehs vermittelt. Zusätzlich gibt es deleted scenes und ein Videotagebuch. Insgesamt gesehen vermittelt die DVD in Sachen Ausstattung und technischer Qualität einen guten Eindruck, der Film hat hervorragende Darsteller und tolle Bilder zu bieten, hört aber leider zu früh auf, das Spannungsfeld weiterzuführen und die inhaltliche Ebene voranzutreiben. Eingepasst im hübsch anzusehenden Pappschuber ist die DVD ein Blickfang im heimischen Regal.

(mo)

Bildquelle: Alamode Film

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