"Ziemlich beste Freunde"

DVD-Rezension „Ziemlich beste Freunde“

Sie waren wohl DIE Überraschung des Jahres, die ziemlich besten Freunde aus Frankreich. Kaum jemand hatte die herzerwärmende Komödie um Freundschaft, Akzeptanz und Toleranz auf dem Schirm, jetzt ist sie der Top-Kinohit des Jahres. Seit dem 7. September gibt’s die Freunde zu kaufen (Senator Home Entertainment). Als DVD- und Blu-ray-Single, jeweils in einer mit vielen Extras geschmückten Special Edition, als digitaler Download (VideoOnDemand) oder in der hübschen Limited Collection für Sammler.

[ruhr-guide] Sprach man zum Jahresbeginn "Ziemlich beste Freunde"über die kommenden Kinohits, fielen Blockbuster-Titel wie „The Dark Knight Rises“ oder „Ice Age 4“, „Ziemlich beste Freunde“ war als kleiner Titel aus Frankreich mit unbekannten Darstellern nur einer von vielen. Seit dem Kinostart am 5. Januar haben den Streifen bis jetzt mehr als 8,5 Millionen Kinozuschauer (BRD) gesehen, was die Führung in den Jahrescharts nach Zuschauerzahlen bedeutet. Auf Platz zwei folgt mit knappen 6,2 Millionen die verrückte Herde um Mammut Manni, Sid und Diego aus „Ice Age“, Christopher Nolans Saga-Abschluss und dem Fledermaus-Flattermann rangiert mit 3,1 Millionen Besuchern auf dem Bronze-Rang. Was dieser französische Film – ohne großartige Special Effects, Stars oder pompöses Marketing – geschafft hat, ist eine wahre Sensation.

Emotionen bewegen den Zuschauer

Einmal mehr zeigt dieser Siegeszug, wie wichtig Geschichten und Emotionen sind. Deswegen geht der Zuschauer ins Kino. Was seit einigen Jahren in Hollywood sträflich vernachlässigt wird, finden wir einmal mehr bei unseren Nachbarn: Erzählenswerte GeschichtenPhilippe und Driss voller Wärme und Menschlichkeit. Emotionen werden groß geschrieben. Auch die deutsche Filmindustrie kann sich ein Scheibchen beim frankophonen Kino abschneiden, hiesige Cineasten blicken einmal mehr neidisch auf das französische Kino. Filme wie „Die fabelhafte Welt der Amelie“ oder „Willkommen bei den Sch’tis“ muss erstmal einer nachmachen. „Ziemlich beste Freunde“ ist das i-Tüpfelchen. Wobei die Geschichte simpler nicht sein könnte: Der querschnittsgelähmte Millionär Philippe (François Cluzet, „So ist Paris“) heuert Lebemann Driss (Omar Sy, „Micmacs – Uns gehört Paris!“) als Betreuer an. Dieser ist zunächst nur auf das Sozialgeld aus („Ich brauche nur eine Unterschrift fürs Amt“), das nur dann gezahlt wird, wenn er eine Bewerbung nachweisen kann. Doch dann entwickelt sich zwischen den beiden unterschiedlichen Männern eine Freundschaft, die es in sich hat. Jeder verändert das Leben des anderen, nachhaltig und mit voller Wucht. Das sind Geschichten, für die Bilder laufen lernten.

Die Chemie auf der Leinwand

Versucht man hinter das Erfolgsgeheimnis des Films zu kommen, erscheint zunächst die besondere Chemie der Hauptdarsteller als Schlüsselelement. Omar Sy wurde für seine Leistung sogar mit dem wichtigsten französischen Filmpreis ausgezeichnet: Dem Cesar für die beste Darstellerleistung. Erstmalig Millionär Philippe und sozialschwacher Drissin seiner Geschichte ging der Preis an einen farbigen Schauspieler. Zusammen mit Cluzet bildet der 34-jährige ein Gespann, das Leinwand und Zuschauer für sich einnimmt. Wenn der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Driss neue Lebensperspektiven gewinnt und quasi nebenbei den richtigen Umgang mit Philippe an den Tag legt, bleibt niemand unberührt. Wie schon Philippe im Film sagt, er will kein Mitleid, keinen besonderen Umgang oder geheucheltes Verständnis. Genau das bietet ihm Driss, wenn er kein Blatt vor den Mund nimmt oder auf gesellschaftliche Gepflogenheiten pfeift. Beide öffnen einander Türen, jeder auf seine Art. Dies ist ebenfalls ein Grund für den Erfolg: Menschlicher Umgang miteinander, der Film heuchelt niemals und ist grundehrlich. Tragisch und humorvoll, ungeschönt aber immer wohl dosiert.

Werbung für den Umgang miteinander

Das macht Mut. Mut, den diejenigen gebrauchen können, die aufgrund von Behinderungen auch heute noch ausgegrenzt werden oder sich Hürden jeglicher Art gegenüber sehen. Vielleicht denken bald mehrere Menschen wie Driss, der Philippe nicht einfach in einem behindertengerechten Auto verstauen will: „Ich lad‘ sie dahinten doch nicht ein wie ’nen Gaul“. „Ziemlich beste Freunde“ ist so viel mehr als nur ein Film. Und doch funktioniert er als Komödie, frei von jeglicher Schwere. Niveauvolle Unterhaltung, die sich niemandem verwehrt. Dies ist eine Kunst und die proklamierte gegenseitige Hilfe sollte eigentlich selbstverständlich sein.

Zahlreiche Formate

Wie eingangs erwähnt, wird es die Freunde in unterschiedlichen Ausstattungen geben. Diesem Text liegt das Doppel-DVD-Set der Special Edition zugrunde, dass durch seine zahlreichen Extras überzeugt. TechnischPhilippe und Driss werden Freunde erreicht der Silberling den gängigen Standard. Gleiches gilt für den Ton, der als deutsche Fassung (Dolby Digital 2.0 und 5.1) und im französischen Original (5.1) vorhanden ist. Dazu ist eine Kommentarspur (französischsprachig, deutsche Untertitel optional einblendbar) enthalten, auf der Hauptdarsteller und Regisseure von der Entstehung des Films berichten. Auch eine Audiodeskription für Blinde und Sehbehinderte fehlt nicht. Der Film kann wahlweise deutsch und französisch untertitelt angesehen werden. Dazu gibt es deutsche Untertitel für Hörgeschädigte. Besser geht’s nicht. Zu den Extras gehören der deutsche und französische Trailer sowie eine knapp 50-minütige Dokumentation zum Film, in welchem die realen Personen, auf deren Geschichte „Ziemlich beste Freunde“ basiert, zur Sprache kommen. Des Weiteren sind ein halbstündiges Making of, Deleted Scenes und Interviews (alles deutsch untertitelt) zu sehen. Die Extras schaffen hier spielend, was bei anderen Discs nur angedeutet wird: Der Zuschauer erhält weitreichende Einblicke in die Produktionsgeschichte, aber auch deren reale Hintergründe. Die Special Edition ist eine ziemlich gelungene Scheibe, die jedem Cineasten Freude in die Augen treibt.

Fotos: Senator Home Entertainment

(mo)

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