La tentation de ille Evrard hires

Bettina Rheims Retrospektive in Düsseldorf

Schönheit und Provokation: Vom 21. Mai bis zum 4. September 2005 zeigte das NRW-Forum in Düsseldorf eine wirklich beeindruckende und umfassende Retrospektive der französischen Fotografin Bettina Rheims. Erstmals in Deutschland wurde hier auch ihre jüngste Serie „Shanghai“ vollständig gezeigt, das Ergebnis eines sechsmonatigen Aufenthaltes in der chinesischen Metropole.

[ruhr-guide] Eine ausgestopfte Gans schaut den Betrachter ebenso lebendig an wie die blutjunge und nackte Kate Moss. Eine blonde Schönheit entpuppt sich bei näherem Hinsehen nicht als Femme Fatal, sondern als zur Frau La tentation de ille Evrard hiresumoperierter Mann. Hausfrauen zeigen sich in Paris in den denkbar anstößigsten Posen. Spätestens seit ihrer Serie „Chambre close“ aus dem Jahr 1992 ist Bettina Rheims als Fotografin bekannt. Das ehemalige Model fotografiert fast ausschließlich Frauen und bringt sie dazu, vor der Kamera die intimsten Aspekte ihres Wesens preiszugeben. Der französische Titel dieser Reihe spielt auf die früheren Frauenhäuser an, wobei die Kamera für das Auge eines fiktiven Voyeurs stand. Die glatten und perfekt komponierten Fotografien spielen mit dem Klischee der Verführung und der Illusion des Glamours, da der Betrachter aufgefordert ist, weiter in die Arbeiten einzudringen und nicht bloß auf der Hochglanzoberfläche haften zu bleiben.

Die Aufnahme „Sibyl Buck la joue écrasée sur un lit“ der Reihe „Pourquoi m’as tu abandonnée“ (Warum hast du mich verlassen) zeigt eine auf einem Bett inszenierte Frau in lakonischer Pose. Ihr Blick schweift ins Leere. Ohne eine Spur von Gefühlsregung drückt sie eine Art Traurigkeit der Verlassenen aus. Damit versprüht sie gleichzeitig puren Sex. Niemals zwingt die Fotografin ihren Modellen eine Pose auf, sondern sie erarbeitet mit ihnen gemeinsam eine Art der Darstellung, die das bestmögliche Ergebnis hervorbringt. „Ich fotografiere nicht das wirkliche Leben; alle meine Fotos sind verfälscht, unreal. Sie sind inszeniert und präzise organisiert…“ sagt die Fotografin über ihre Arbeit.

Bettina Rheims, heute Anfang Fünfzig, hat als Mannequin angefangen, bevor sie 1978 selbst zur Kamera griff. Die Tochter des Pariser Star-Auktionators und Schriftstellers Maurice Rheims porträtierte Stripteasetänzerinnen und Akrobaten; die Veröffentlichung in „L’Egoïste“, dem Sibyl Buck la joue écrasée sur un litKultmagazin der achtziger Jahre, öffnete ihr den Weg in die Mode- und Werbefotografie. Sie fotografierte Stars und ausgestopfte Tiere, fertigte 1995 das offizielle Porträt von Präsident Chirac und sorgte Anfang 2000 für einen Skandal mit der Serie „I.N.R.I.“, dem in einer psychiatrischen Heilanstalt in knalligen Farben nachgestellten Leben Jesu; ein gewagtes Unterfangen, das nicht vor Geschmacklosigkeit gefeit war. Da hält die jugendliche Schönheit im Lolita-Look als „Pietà“ eine lebensgroße Flickenpuppe, einen Christus-Dummy, oder verwandelt sich die „Hochzeit von Kanaa“ in eine wilde Partyszene. Manchmal dezent, dann wieder wie ein Schlag ins Gesicht wird die provokante Reihe in Düsseldorf gezeigt. An ihrem Schluss steht die „Grablegung“, ein lediglich im Dunkel verschwindendes Bein mit dem Wundmahl am Fuße.

Die Shanghai-Serie führt Rheims konsequenten Stil zwischen Unzucht und Reinheit fort. Hier heißen die Modelle Chen Wen Li, Zhou Ling oder Guan Xin, und als Miss China oder Äbtissin eines Buddhistenklosters spiegeln sie das weibliche Antlitz von Shanghai wider.
Auch hier hat Bettina Rheims die Frauen in den gewohnt provokanten und herausfordernden Posen aufgenommen. Da ist beispielsweise Jin Xing, die in der Befreiungsarmee als Oberst diente, sich zur Frau operieren ließ und heute eine bekannte Künstlerin ist.

Die Ausstellung im Düsseldorfer NRW-Forum war eine Retrospektive, eine in opulenten Farben schwelgende Sammlung von über 200 meist farbigen Photographien berühmter, prominenter und unbekannter Frauen und anderer Themen. Und zum ersten Mal in Deutschland wurden die „Shanghai“-Bilder komplett gezeigt. Einmal mehr erweist sich Rheims sensitive und delikate Visualisierung weiblicher Erotik als unerschöpfliches Thema. Ihre Stilsicherheit und ihr Gefühl auch für die subtilsten Nuancen der weiblichen Ausstrahlung garantieren faszinierend beunruhigende Einblicke auf hohem ästhetischem Niveau.

Bettina Rheims – Die Retrospektive

21. Mai – 4. September 2005

NRW-Forum Kultur und Wirtschaft
Ehrenhof 2
40479 Düsseldorf

© Bettina Rheims. Courtesy Galerie Jérome Noirmont, Paris

(sl)

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