Louis-Emile Durandelle Foto: Roger-Viollet

Bilder einer Metropole – Die Impressionisten in Paris

Paris des 19. Jahrhundert, eine Metropole der Kunst und Künstler kann man seit dem 2. Oktober 2010 bis zum 30. Januar 2011 nun im Folkwang Museum Essen bewundern. Werke, die nie zuvor ihren angestammten Ausstellungsort verlassen haben und zum aller ersten Mal in Deutschland präsentiert werden, finden nun also für knappe 4 Monate einen neuen Platz. Unter der Schirmherrschaft von Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy sowie unserer Deutschen Kanzlerin Angela Merkel beherbergt das Folkwang Museum nun echte und wahrhaftige van Goghs, Caillebottes, Renoirs, Manets und Monets sowie einen Munch und noch eine Vielzahl mehr an namenhaften Werken und Künstlern.

[ruhr-guide] Es ist als würde man die Innenstadt entlang schlendern. Man ist angehalten langsam zu gehen, Louis-Emile Durandelle Foto: Roger-Violletja gar spazieren zu gehen, denn man möchte keinesfalls die Kostbarkeiten der „Stadt“ Paris verpassen. Obwohl die Ausstellungswände schlicht und einfach in weiß gehalten sind, so kommt man nicht umher zu denken, es gäbe einfach zu viele Dinge zu begutachten und man hätte noch nicht alles gesehen beim ersten Rundgang. So kommt es vor, dass man sich noch einmal auf den Rückweg begibt und dabei auch bekannte Gesichter der anderen Ausstellungsbesucher wiedererkennt. Übersichtlich und dennoch keiner zunächst ersichtlichen Reihenfolge folgend, begegnen dem Spaziergänger der Ausstellung „Bilder einer Metropole – Die Impressionisten in Paris“ Gemälde von Renoir und Manet, Pissarro und Caillebotte oder auch Fotografien von Le Gray und Atget sowie Marville und Rivière. Über 80 Gemälde und knapp 125 Fotografien, mal in groß, mal in klein, werden dem interessierten Kunstliebhaber präsentiert. Doch diese Ausstellung ist keine Frage der Zahlen, wie viele Exponate gezeigt werden, sondern eher eine emotionale.

Paris im Wandel der Industrialisierung

Paris war und ist bis heute eine Weltmetropole. Doch wie definiert man den Begriff einer „Metropole“? Das Wort selbst Edvard Munch Bildquelle: The Munch Museum/ The Munch Ellingsen Group/ VG Bild-Kunst, Bonn 2010 Jacques Lathionkommt aus dem griechischen und bezeichnet so viel wie eine „Mutterstadt“, von der aus die Richtlinien für das politische, wirtschaftliche, religiöse und kulturelle Geschehen derselbigen sowie ihrer Kolonialstädte festgelegt und bestimmt werden. Und genau das entsprach dem Paris der 1860 Jahre. Durch Bauvorhaben und Veränderungen des Stadtkerns Paris‘ beschlossen sowohl Napoleon, der wohl mehr an seine eigenen Triumphe dachte, als auch französische Architekten und Bauingenieure der Industrialisierung, die Einzug im ganzen Lande hielt, den Weg frei zu machen. Die Straßen Paris‘ wurden breiter und verkehrstüchtiger. Die Universität Sorbonne im Quartier Latin wurde errichtet.
Das Projekt von Alexandre Gustave Eiffel, eine temporäre Touristenattraktion zur Weltausstellung beizutragen, begann 1889 Form anzunehmen und ist heute besser bekannt als das Wahrzeichen von Paris: der Eiffelturm. Die Pariser Oper entstand und die bis heute markanten Trinkwasserbrunnen, damals als Unterstützung für die ärmere Bevölkerung, von Richard Wallace veränderten das Stadtbild merklich. Doch auch eine Menge an Reichtum und Prestige entwickelte sich. Die Leute hielten mehr auf sich, ihre Kultur, die Stadt und ihre Kleidung. Letzteres ist bis heute nicht ganz verschwunden, denn jährlich findet dort die größte Modenschau der Top-Designer dieser Welt statt: die Pariser Fashion Week. Mit heutzutage über 11 Millionen Einwohner hat Paris den Wandel der Zeiten als Metropole durchaus überstanden, wenn nicht sogar deutlich erweitert. Nicht umsonst trägt sie den Beinamen „Stadt der Liebe“, mit dem auch heute noch deutlich wird wie viel Flair und Atmosphäre in den Straßen dieser Stadt liegt.

Das Lebensgefühl wird eingefangen

Die Ausstellung „Bilder einer Metropole – Die Impressionisten in Paris“ ist demnach eine besondere, da sie die urbanen Anfänge Edouard Manet Bildquelle: Courtesy of the Board of Trustees, National Gallery of Art, Washingtonder industrialisierten Veränderungen der Stadt dokumentieren. Jedoch nicht rein faktisch, sondern mehr aus der Sicht der Künstler. Francois Cachin, die Direktorin des Pariser Musée d’Orsay, beschreibt es als einen grundlegenden Unterschied die Gemälde der Künstler und die Fotografien aus jener Epoche zu betrachten. Beide dokumentieren die Veränderungen, jedoch macht der Künstler dies auf eine völlig andere Art als der Fotograf, der an Strukturen und Perspektiven gebunden ist. Auch sei es wichtig zu erläutern, dass mit dem Titel „Impressionisten in Paris“ keinesfalls nur Maler diese Genres gemeint seien. Denn durchaus findet auch ein Munch, der ja eher für seine expressionistischen Gemälde wie „Der Schrei“ bekannt ist, seinen Platz in der Ausstellung. Edvard Munch lebte für eine Weile in Paris und malte jene Stadt ebenfalls, nur eben mit seinen Mitteln. So ist auch er bedeutend gewesen und man könnte ihn als Zeitzeuge der Pariser Industrialisierung beschreiben. Desweiteren kommen auch Signac, Sisley, Matisse, Degas oder Bernard zum tragen.

Der Tonus des Impressionisten ist meist der „der Sonntagsmalerei“. Zum einen entstand dieser dadurch, dass die Künstler sich ziemlich schnell mit ihrem Motiv vertraut machen mussten und somit keine Zeit für einen klaren Pinselstrich, Kompositionen oder deutliche Kontraste hatten und zum anderen nur das Schöne des Lebens malten. Gut, zugegeben Renoirs berühmtes Werk „Tanz im Moulin de la Gallette“ aus dem Jahre 1876, welches eines der Hauptwerke der Ausstellung ist, zeigt eine damals übliche Situation. Eine Menschenmenge tanzt und lacht im Schatten der Bäume auf einem Marktplatz in Paris. Die Blätter lassen nur ein wenig Licht hindurch, so dass niemand geblendet scheint. Die Stimmung ist ausgelassen. Im Vordergrund sitzt eine junge Frau mit dem Blick nach unten gerichtet, dennoch lächelt sie. Der Kunstinteressent erkennt: hier schaut sich niemand richtig an, es gibt keinen direkten Blickkontakt. Durch den nichtvorhandenen Pinselduktus wirkt es dennoch leicht und unbeschwert und doch gibt es Punkte, wie der wertvolle Schmuck einer der Damen im Vordergrund, die hervorgehoben werden. Es bricht eine neue Zeit an, doch niemand weiß genau wie sie aussehen wird. Klar ist nur, den Leute des 19. Jahrhunderts hat sie gefallen, diese neue Zeit.

Original-Fotografien beleben die damalige Zeit

Die Ausstellung beinhaltet ebenso Fotografien, die Abzüge echter Originale aus dem 19. Jahrhundert sind. Diese konnten durch Gustave Caillebotte Foto: Studio Monique Bernaz, Genèvedie heutige Technik auf eine angenehme Größe gebracht werden. Nicht so groß wie ein Gemälde, dennoch erkennt man jedes kleine Detail. Dies war allerdings nicht allzu einfach, bestätigte Francois Renauyd, Leiter der historischen Bibliothek Paris. Doch letztendlich konnte alles dokumentiert und ausgestellt werden. Wer schon einmal in Paris war, wird nun eine kleine Zeitreise unternehmen. Aus Kinofilmen und dem TV-Programm sind im Grunde alle wichtigen Plätze und Straßen Paris‘ bekannt, doch das Paris der 1860er zeigt einige neue Blickwinkel. Die Stadt befindet sich im Umbruch. Schnell und rasant geht es vorwärts. Es werden ganze Häuserreihen abgerissen. Unzählige Parks werden angepflanzt. Der Eiffelturm wird errichtet und viele weitere Zerstörungen und Aufbauten finden statt. Mit der Industrialisierung kommt auch die Moderne. Die Attitüde der Bürger verändert sich. Die Fotografen Eugène Atget. Louis-Emile Durandelle, Gustave Le Gray, Charles Marville, Henri Rivière und viele mehr haben ihre Kameras nicht weg-, sondern draufgehalten. Zum Teil nach Auftrag der Regierung, zum anderen aus freien Stücken. Zuerst war es ihnen nicht möglich, Bewegungen und somit Menschen festzuhalten, doch schnell entwickelte sich auch die Fotokunst weiter und so begannen die Fotografen nicht nur erbaute Strukturen festzuhalten, sondern auch Menschen des Alltags. Dank ihnen lässt sich Paris nun ein wenig anders als mit der heutigen Sicht betrachten und nachvollziehen, was diese Stadt so einzigartig macht. Orte, die jedem bekannt sind, egal ob selbst dort gewesen oder nur aus dem TV, kommen einem so aktuell wie nie vor. Gerade die stereoskopischen Aufnahmen unterlegen die Ausstellung „Bilder einer Metropole – Die Impressionisten in Paris“ mit einer greifbaren Nähe.

Die vier Hauptwerke der Ausstellung

Knapp 40 Jahre Pariser Kulturgeschichte werden im Folkwang Museum Essen auf 1.400 qm ausgestellt. Es werden von Signac über Gauguin bis hin zu Cézannes und Camille alle Kunstvertreter dabei sein, dem Betrachter einen Einblick in die 1860er bis 1900er Jahre des Paris von damals zu gewähren. Egal ob Pointilismus, Impressionismus oder Realismus, das Lebensgefühl der Menschen belegt den Fokus der Ausstellung. Viele bekannte Werke haben ihren angestammten Museumsplatz noch nie verlassen und schon gar nicht in Richtung Deutschland. So ist es eine weitere Besonderheit die vier wichtigsten Gemälde „Tanz im Moulin de la Gallette“ (1876) von Renoir, „Straße in Paris, an einem Regentag“ (1877) sowie „Der Pont de l’Europe“ (1876) von Caillebotte und „Die Eisenbahn“ (1873) von Manet nun in Essen für 4 Monate präsentieren zu können. Wahrhaftig ist es unglaublich vor einem echten Manet oder Renoir zu stehen. Gemälde, die sonst nur in Kunstkursen und Abiturprüfungen zu sehen und analysieren sind. Beeindruckend ist die Komposition jener vier Hauptwerke. Wie schon am Anfang begonnen, setzt man nun seinen Spaziergang fort. Man hat nun eine Reihe an Gemälden und Fotografien an sich vorbeiziehen lassen. Mal interessiert hingesehen, mal sich selbst in ein Werk mit Übergröße integrieren lassen („Le Pont de l’Europe“ (1876), Manet). Auch die Stereoskope, die an und auch in der Wand abgebildet sind, sind äußerst originell und man solle nicht sagen die heutige 3D-Technik wäre neu. Doch der Clou wird erst deutlich, wenn man in der Mitte all jener Ausstellungsräume steht und seinen Blick langsam im Kreis wandern lässt: zu seiner Rechten prangt ein großer Manet („Le Pont de l’Europe“), dann geradeaus im Raum daneben das Werk von Caillebotte („Straße in Paris, an einem Regentag“), der zweite Caillebotte („Die Eisenbahn“) ist direkt vor einem im selben Raum und zum Schluss gegenüber der übergroßen „Straße in Paris, an einem Regentag“, in einem bereits durchschrittenen Raum, ein Renoir („Tanz im Moulin de la Gallette“). Man ist wahrhaftig ein wenig überwältigt, und beginnt zu lächeln.

Bevor man die Folkwang-Ausstellung „Bilder einer Metropole – Die Impressionisten in Paris“ betritt, gibt es für jeden Besucher einen sogenannten Kurzführer, der den Betrachter in 13 Kapiteln über alle wichtigen Orte und Bewegungen Paris‘ informiert. Man ist also immer für eine spontane Zeitreise gewappnet. Auch ist es möglich einen Ausstellungskatalog mit 320 Seiten Infomaterial rund um die Ausstellung zu erhalten. Dieser ist mit zahlreichen Abbildungen der Werke und wissenschaftlich fundierten Beiträgen zum Thema Metropole, Urbanität, bildende Kunst und Fotografie für 38 € zu erwerben.

Gibt es einen aktuellen Bezug zum Ruhrgebiet?

Vielleicht war es genau dieser Blickwinkel, der die Staatschefs beider Länder, Frankreich und Deutschland, dazu Pierre August Renoir Foto: Musee d`Orsay, bpk/RMN/Hervé Lewandowskibewegt hat die Schirmherrschaft der Ausstellung „Bilder einer Metropole – Die Impressionisten in Paris“ zu übernehmen. Oder die Tatsachen, dass sich auch das Ruhrgebiet selbst im Umbruch befindet. Die Instanzen Kunst und Kultur können als Entwicklungsmittel helfen, inspirieren und zusammenschließen. So ist es passend, dass gerade jetzt im Kulturhauptstadtjahr.2010 das Ruhrgebiet an sich als eine Metropole bezeichnet wird. Auch hier gibt es genügend kreative Kraft, Inspiration und unterschiedlichste Menschen jeglicher sozialer Struktur. Künstler fühlen sich im Ruhrgebiet wohl und auch hier findet eine Veränderung statt, die noch lange anhalten dürfte. Wo sind die Zechen hin? Was ist aus den Kumpels geworden? Haben wir mehrere Kulturen im Ruhrgebiet? Oder doch nur eine gemeinsame? Warum also soll nicht auch aus diesem Gebiet Eins werden: eine Metropole.

„Bilder einer Metropole – Die Impressionisten in Paris“

2. Oktober 2010 – 30. Januar 2011

Di – So: 10 – 18 Uhr
Fr: 10 – 22.30 Uhr
Montags geschlossen

Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen

(ak)

Bildquelle:
Louis-Emile Durandelle Foto: Roger-Viollet
Edvard Munch Bildquelle: The Munch Museum/ The Munch Ellingsen Group/ VG Bild-Kunst, Bonn 2010 Jacques Lathion
Edouard Manet Bildquelle: Courtesy of the Board of Trustees, National Gallery of Art, Washington
Gustave Caillebotte Foto: Studio Monique Bernaz, Genève
Louis-Emile Durandelle Foto: bpk | RMN | Louis Emile Durandelle
Pierre August Renoir Foto: Musee d`Orsay, bpk/RMN/Hervé Lewandowski

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