Die Jahrhunderthalle in Bochum, Foto: ©Bochumer Veranstaltungs-GmbH

Die Jahrhunderthalle in Bochum

Nahe der Bochumer Innenstadt liegt an der Alleestraße die Jahrhunderthalle auf dem 70 Hektar großen ehemaligen Krupp-Gelände. Dieses Industriegelände, das vor Jahren beinahe noch komplett brach lag, erscheint nun wie aufgeräumt und bietet als Westpark Raum für Erholung und Industriekultur. Die Halle ist mittlerweile ein fester Schauplatz für die Ruhrtriennale oder Preisverleihungen wie die 1LIVE Krone. Regelmäßig finden in dem historischen Ambiente Messen oder Rock-, Pop- und Klassik-Konzerte statt.

Die Jahrhunderthalle in Bochum, Foto: ©Bochumer Veranstaltungs-GmbH

[ruhr-guide] Zunächst sollte sie das Herzstück des Erlebnisparks ANIMA werden, den der Wiener Multimedia-Künstler André Heller errichten wollte. Im Vorfeld wurde diese Unternehmung im Rahmen der Internationalen Bauausstellung als Touristenmagnet von europäischem Rang beworben. Jedoch scheiterten die Pläne und der Traum von einer Landschaft „voll sinnlicher Überraschungen für Jung und Alt“ zerplatzte. Auch die Anfang 2001 angestellten Überlegungen, die Ausstellung Planet of Visions in der Jahrhunderthalle zu präsentieren, konnten aufgrund der zu geringen Größe der Halle nicht realisiert werden. Mittlerweile scheint mit der seit Herbst 2002 jährlich stattfindenden Ruhr-Triennale eine neue Möglichkeit erschlossen, die Jahrhunderthalle wieder als Veranstaltungsort im Ruhrgebiet zu nutzen.

Eine Industriekathedrale

Dass die Jahrhunderthalle im wörtlichen Sinne eine Industriekathedrale ist, resultiert auch aus ihrer Geschichte. 1902 als Ausstellungshalle der 1854 gegründeten Aktiengesellschaft „Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation“ für die Düsseldorfer Industrie- und Gewerbeschau errichtet, war sie seit Beginn ihrer Planung dafür vorgesehen, später in Bochum als Industriehalle zu fungieren. Dieser Umstand war ausschlaggebend für ihre Gestaltung. Die Ausstellungshalle war wie eine dreischiffige Basilika erbaut, deren Haupt- und Seitenschiffe in sechs Joche gegliedert waren. In jedem Joch des Mittelschiffes öffnete sich oberhalb der Seitenschiffe ein sechsteiliges Spitzbogenfenster. Als stützendes und tragendes Gerüst verbarg sich im Inneren eine moderne Stahlkonstruktion. Außen wollte die Halle mit ihrer Form und den zahlreichen Dekorationen den festlichen Charakter von Kirchenbauten imitieren.

Halle 1 der Jahrhunderthalle in Bochum, Foto: ©Bochumer Veranstaltungs-GmbH

Abgebaut in Düsseldorf, aufgebaut in Bochum

Nach Ende der Leistungsschau, an der auch Firmen wie Krupp, die Dortmunder Aktienbrauerei, oder die Gutehoffnungshütte Oberhausen teilnahmen, wurde die Stahlkonstruktion demontiert und 1903 in Bochum auf dem Gelände des Bochumer Vereins zwischen Werkbahn und Hochofenanlage wieder aufgebaut. Um ein bescheideneres, einer Industriehalle entsprechendes Äußeres zu erhalten, umgab die Halle nun eine Backsteinmauer, und die großen Giebelfenster wichen kleinteiligeren rundbogigen Anordnungen. Die innere Gliederung der Halle wird auch heute noch hauptsächlich von den gewaltigen Bogenbindern bestimmt, die in fast 5 Meter starken Fundamenten münden. Bis 1928 wurde die Halle sieben Mal erweitert. Sie diente in den folgenden Jahrzehnten als Energielieferant und war das Kernstück der Produktionsanlagen an der Alleestraße.

1965 fusionierte der Bochumer Verein mit der Kruppschen Hütten- und Bergwerk Rheinhausen GmbH zur Friedrich Krupp Hüttenwerk AG. Wie auch im übrigen Ruhrgebiet, wurde Ende der 60er Jahre in Bochum der letzte Hochofen stillgelegt. In der Gaskraftzentrale wurden die Maschinen nach und nach abgebaut und verschrottet. Zunächst diente die Halle als Schlosserei und Seilerei und seit 1984 als Hauptlager für die verbliebenen Industrieanlagen.

Vom Industriestandort zum Kulturzentrum

1988 erwarb die LEG 33 Hektar der brach liegenden Flächen des Krupp-Geländes und damit auch die ehemalige Gaskraftzentrale; mit einem Kaufpreis von 8,25 Millionen DM sicherte die LEG den Krupp-Standort Bochum. Über diese Entwicklung berichtete die WAZ in Bochum mit der Schlagzeile „Krupp räumt Alleestraße“. Gegenstand des Artikels war auch die bevorstehende und notwendige Sanierung des Geländes, an der sich Krupp mit lediglich 1,8 Millionen DM beteiligen wollte. Bereits im Januar des folgenden Jahres erfuhr die Öffentlichkeit von den Plänen der Landes-regierung, neue Gewerbe-betriebe an der Alleestraße anzusiedeln. Die WAZ zitierte in diesem Zusammenhang den Ministerpräsidenten Johannes Rau: „Durch die Verwendung solcher industriellen Brachflächen für die Ansiedlung neuer Betriebe können wir vermeiden, daß bisher naturbelassene Flächen zur Schaffung von Gewerbebetrieben aufgegeben werden müssen.“ Im Mai 1989 fand zu den ersten Überlegungen der neuen Nutzung des alten Industriegeländes ein zehntägiger Architekten-Workshop statt, zu dem acht renommierte Planungsbüros eingeladen wurden. Diese erarbeiteten im gegenseitigen Austausch verschiedene Ideen und Vorschläge und stimmten am Ende für die generelle Erhaltung der Halle. 1990 erhielt die Jahrhunderthalle ihren offiziellen Namen und es fanden erste Konzert- und Ausstellungsveranstaltungen statt.

1991 wurde die Jahrhunderthalle unter Denkmalschutz gestellt. Damit war die LEG als Eigentümerin verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen im Hinblick auf Sicherung und Erhaltung durchzuführen. Dies beinhaltete die Verhinderung von Wasser- und Korrosionsschäden sowie den Schutz vor Zerstörung. Bei den ersten Instandsetzungsmaßnahmen ging es um die glaubhafte Darstellung eines Zwischenzustandes, d. h. es sollte noch keine endgültige Lösung präsentiert werden. Ein wichtiger Aspekt war, die geforderte Erhaltung der vorhandenen Qualitäten der Jahrhunderthalle als Industriehalle zu bewahren, also die vorhandenen Altersspuren, wie z. B. eingefärbte Glasscheiben zu bewahren und neue Maßnahmen, in Form von Bodenbelägen oder Anstrichen, der Ästhetik anzupassen.

Halle 4 Jahrhunderthalle in Bochum, Foto: ©Bochumer Veranstaltungs-GmbH

Mehr Charme als Komfort

In den 90er Jahren nutzten verschiedene Veranstalter den Industriecharme der Halle, wobei sie auf den typischen Komfort oder einen Teil der akustischen und musikalischen Qualität zugunsten des außergewöhnlichen Ortes und Attraktivität des Gebäudes verzichteten. Als jedoch die Bochumer Symphoniker Mitte April 1991 ihr Konzertereignis um Wagner und Stockhausen dort in Szene setzen wollten, rechneten sie nicht mit den noch frostigen Temperaturen und mussten ihre Veranstaltung in der Pause abbrechen. Die Saison in der Jahrhunderthalle wurde in den folgenden Jahren auf die wärmere Jahreszeit von Mai bis Oktober beschränkt.

Im Jahr 2003 wurde die Halle einer endgültigen Sanierung unterzogen. Karl-Heinz Petzinka und Partner ließen den aktuellen Vorbau errichten, eine moderne Glas- und Stahlkonstruktion sowie das stählerne Vordach.
Seitdem wird sie nun neben der Ruhrtriennale regelmäßig für Messen oder Rock-, Pop- und Klassik-Konzerte genutzt.
Auch gehört sie zu den bekannten Sehenwürdigkeiten auf der Route der Industriekultur. Als das Ruhrgebiet im Jahr 2010 als Kulturhauptstadt gefeiert wurde, war die Jahrhunderthalle einer der Hauptveranstaltungsorte.

Auch für Preisverleihungen hat sich die Halle als Stammplatz etabliert: Seit 2005 findet in der Bochumer Jahrhunderthalle jährlich die Verleihung des Steiger Awards statt und seit 2006 die 1LIVE Krone, der junge Radiopreis, bei dem jede Menge nationale und internationale Stars und Sternchen in Bochum auflaufen.

Literatur zur Jahrhunderthalle:

Die Gaskraftzentrale des Bochumer Vereins: eine Materialsammlung zur Nutzungsgeschichte der „Jahrhunderthalle“ in Bochum. Herausgegeben von der Stadt Bochum. Bochum 1994.

Ulrike Robeck: Die „Jahrhunderthalle“ in Bochum. Herausgegeben vom Westfälischen Heimatbund Münster, in Verbindung mit dem Westfälischen Amt für Denkmalpflege/Landschaftsverband Westfalen und der Stadt Bochum/Presse- und Informationsamt. Münster 1992 (Technische Kulturdenkmale in Westfalen: Heft 11).

Jahrhunderthalle Bochum

44793 Bochum

Gahlensche Str. 100 / Alleestr

Fotos: ©Bochumer Veranstaltungs-GmbH

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