Ein Tag ohne Strom? Undenkbar, zumindest, wenn es um unseren hiesigen Alltag geht. Wir sind so abhängig von dieser aufbereiteten Energie, dass, wenn sie fehlen würde, alles auf den Kopf gestellt wäre. Genauso war es vor rund 150 Jahren, also noch gar nicht so lange her, als der Strom Technik, Wirtschaft und Alltag beeinflusste und zu elementaren Veränderungen führte. Einen Überblick über die Kultur-, Sozial-, und Technikgeschichte des elektrischen Stroms erzählt das Museum Strom und Leben im Umspannwerk Recklinghausen.
[ruhr-guide] Mit Herrn Ohm, Mister Faraday, Signor Volta und Herrn von Siemens begrüßen die altehrwürdigen Herren der Stromgeschichte die Besucher der Ausstellung in Recklinghausen. Ihre Errungenschaften bilden die Grundlage für die Nutzung der Elektrizität, die so nicht mehr hinwegzudenken ist. Wärme und Schutz, Hygiene und Gesundheit, Nahrungszubereitung sind grundlegende Dinge, die wir dank Strom sehr bequem in unser Leben einbinden können. Aber als Werner von Siemens vor rund 150 Jahren den ersten elektrischen Generator entwickelte, dachte er eher an einen Antrieb für die Zündung von Sprengladungen. Obwohl sich die zivile Nutzung technischer Errungenschaften nicht so gut verkaufen lässt, war die Erfindung dieses Generators die Initialzündung für einen großen Umschwung: Und es ward Licht!
Wirkung und Macht dieser Energie
Das Museum Strom und Leben erläutert auf einer Ausstellungsfläche von 2000m² die „Sozial-, Kultur- und Technikgeschichte der Elektrizität“. Zu Beginn wird die Entwicklung der Verwandlung von mechanischer in elektrische Energie dargestellt. Spielerische Experimente zur Stromerzeugung geben ein Gefühl über Wirkung und Macht dieser Energie. Der Erfolg des Siemens Generators war indes nicht mehr aufzuhalten. Der Strombedarf stieg, ab den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden entsprechend größere Maschinen gebaut. Eine davon heißt „Geonia“, ist eine Heißdampf-Hochdruck-Lokomobile und ist im Museum zu besichtigen. Später generierten sich leistungsstarke Turbinen, die mit Wasser oder fossilen Brennstoffen angetrieben wurden.
Beginn urbanen Lebens
Der Erfolg des elektrischen Stroms war nicht aufzuhalten. Am Sichtbarsten wurde der Erfolg, im wahrsten Sinne des Wortes, durch das Licht, das nun die Straßen der Städte erhellte. Der Beginn urbanen Lebens wie wir es heute kennen, denn Licht lockt Leute. Die damals populäre Bogenlampe beleuchtete die Wege, dann die Glühlampe die Waren im Schaufenster oder später die privaten Haushalte, zumindest derer, die es sich leisten konnten. Die Dunkelheit verbannte die Menschen jetzt nicht mehr automatisch nach drinnen, nach Hause. Nachgestellte Szenen, versehen mit Requisiten, versuchen das Gefühl zu vermitteln, das sich damals einstellte und somit wirtschaftliches und alltägliches Handeln veränderte.
Öffentlicher Personennahverkehr ganz ohne Pferde
Ein besonderes Glanzstück der Ausstellung und Symbol für die Urbanisierung der Städte ist die „Elektrische“! Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann der Siegeszug der Straßenbahnen. Der öffentliche Personennahverkehr konnte nun ohne Pferde organisiert werden. Zu sehen ist eine Elektrische, wie die Straßenbahnen ehedem genannt wurden, erbaut in den Jahren 1915/16. In Köln ging sie erstmals in Betrieb. Nach einigen Verkäufen landete sie in Reutlingen. Bis zu ihrer Pensionierung und ihrer heutigen Standortbestimmung war sie dort aktiv. Im Wagon selbst sind die Tariftabellen noch zu erkennen. So wurden mit dem 1.1.1968 folgende Preise gültig: Kinder mussten 40 Pfennig zahlen, die Erwachsenen 70 Pfennig. Ganz erstaunlich. Warum Fahrkarten beziehungsweise der Strom mit den Jahren teurer geworden ist, wird leider nicht erläutert.
Elektroartikel sämtlicher Couleur
Ähnlich den Chart-Shows, die mit den Hits vergangener Jahrzehnte an das kollektive Gedächtnis appellieren und sehr erfolgreich damit sind, funktionieren heute moderne Museumsausstellungen. Wir verbinden mit bestimmten Dingen rührige Momente. Die emotionale Verbundenheit weckt gemeinsame und ganz persönliche Erinnerungen. Zu den Themen der Ausstellung wie „arbeiten“, „heilen“, „wohnen“ oder „spielen“ gibt es jede Menge Geräte zu bestaunen, Elektroartikel sämtlicher Couleur. Geschichten fallen wieder ein und bieten den Älteren Stoff zum Erzählen, während die Jüngeren staunen. Viele Dinge erleichterten die Arbeit, machten den Haushalt komfortabler, die Landwirtschaft einfacher, das Leben bunter und schneller.
Ein Rundgang durch das Umspannwerk
Die Museumsausstellung ist gleichzeitig ein Rundgang durch das Umspannwerk, das als Knotenpunkt für die Energieverteilung dient. Das Recklinghäuser Gebäude stammt aus dem Jahre 1928 und sorgt immer noch für die örtliche Stromversorgung. Bereiche, wie das 110 Kilovolt-Schalthaus, die Leitwarte und das Wohnhaus, sind aus der damaligen Zeit erhalten und können besichtigt werden. Mittlerweile steht der Komplex unter Denkmalschutz. Außerdem beherbergt der Bau einen Archivbestand mit Akten, Drucksachen und Fotografien von den Vorläufergesellschaften bis zur heutigen Betreibergesellschaft. Eine Bibliothek zur Geschichte der Elektrotechnik ist auch vorhanden. Sie ist eine der umfangreichsten im deutschsprachigen Raum.
Kinder sind stets willkommen
Schulklassen können im Umspannwerk handlungsorientierten Unterricht genießen: Für den Bereich der Primarstufe werden die Führungen „Dynamo“ und „Kobold“ angeboten, die beide bis zu 60 Minuten dauern. Auch für Schüler der Sekundarstufe I werden interessante Führungen angeboten. Für diese Altersklasse bietet das Museum außerdem eine Führung durch die Umspannanlage, thematische Führungen, die Führung „Hinters Licht geführt“ und auch welche durch mehrere Elektrowerkstätten an. „Ziel der Führungen ist es, die Veränderung des Alltagslebens durch die Elektrifizierung schülergerecht aufzuarbeiten.“
Einfluss auf unser Leben
Das Museum ist ein Kleinod der RWE AG (Energieversorgungsunternehmen mit Hauptsitz in Essen, bis 1990 noch Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG). Die Entwicklung und der Einfluss der Elektrizität auf unser Leben wird liebevoll dargestellt, dank der vielen Gerätschaften. Weniger werden Diskrepanzen aufgezeigt, die der Standardanspruch der modernen Energieversorgung mit sich bringt: Diskussionen über Atomstromversorgung, die heutige Nutzung und Entwicklung erneuerbarer Energien, die Abhängigkeit von Rohstoffen anderer Länder, die maroden Hochspannungsmasten im Münsterland. Ein Museum dieses Formates könnte sich dem durchaus stellen.
Umspannwerk Recklinghausen – Museum Strom und Leben
Uferstr. 2-4
45663 Recklinghausen
Infos und Karten unter
www.umspannwerk-recklinghausen.de
Öffnungszeiten:
Montags bis Samstags: 10-17 Uhr
Sonntags: 10-18 Uhr
geschlossen: 31.10 / 1.11 / 14.12.24 – 1.1.25
Eintrittspreise:
Eintritt 7,00 €
ermäßigter Eintritt 5,00 €
Kleingruppe 21,50 € (2 Erwachsene bis 3 Kinder)
Weitere Preise finden Sie auf der Internetseite: https://www.umspannwerk-recklinghausen.de/de/infos-zum-museum
Foto 1: Ludger Staudinger – www.ludgerstaudinger.de
Foto 2: Andreas Fechner