Geschäftsführer Jürgen Heuser und Projektleiterin Barbara Pflips von der Biologischen Station mit dem Plan für die „Wildnis für Kinder“ in Langendreer

„Wildnis für Kinder“ im Ruhrgebiet

Kinder spielen draußen trotz Großstadt – Projekt der Biologischen Station „Wildnis für Kinder“ kämpft gegen zunehmende Naturentfremdung! In Zeiten von Playstation und Co. und allgemein wachsenden Leistungsanforderungen an Kinder ist der negative Trend zu beobachten, dass die Kleinen immer weniger Zeit haben, draußen in der Natur zu spielen. Um dem entgegenzuwirken, öffnet „Wildnis für Kinder“ Industriebrachen und stellt sie Kindern für freies Naturerleben zur Verfügung.

Geschäftsführer Jürgen Heuser und Projektleiterin Barbara Pflips von der Biologischen Station mit dem Plan für die „Wildnis für Kinder“ in Langendreer

[ruhr-guide] „Wir bauen eine Bude!“, „Lasst uns Ohrenkneifer und Regenwürmer sammeln!“ – auf diese Weise haben Kinder seit eh und je selbstbestimmte Spiele in der freien Natur erfunden. Doch seit einigen Jahren ist es stiller geworden in den Wäldern, Parks und auf anderen Freiflächen, vor allem in Städten und großen Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet. Forscher sind alarmiert und sprechen bereits in diesem Zusammenhang von zunehmender Naturentfremdung. Was ist geschehen, wo sind die Banden und Einzelkämpfer geblieben, die sich mutig wie Rambo durchs Unterholz schlagen? Die Antwort liegt auf der Hand und hängt einerseits mit den Leistungsanforderungen der modernen Gesellschaft an die Kinder zusammen. Lange Schultage sowie Freizeitstress à la Klavierunterricht und Sportverein geben oftmals einen straffen Zeitplan vor, in dem nicht viel Zeit für Anderes bleibt. Andererseits erschweren die neue Medien und die allgegenwärtige Konsumwelt mit ihren Verlockungen das Problem – warum, wenn man auf den Bus wartet, einen Baum hinter der Haltestelle erklimmen, wenn man mit dem neuesten Smartphone direkten Zugang zum Internet hat?! Die Biologische Station Östliches Ruhrgebiet versucht mit seinem Pilotprojekt „Wildnis für Kinder“ in Herne diesen Entwicklungen entgegenzuwirken – mit Erfolg!

„Wildnis für Kinder“ auf dem Beien-Gelände in Herne und in Bochum

Die Herner „Wildnis für Kinder“ versteht sich als Pilotprojekt und ist ein Vorbild für viele weitere Flächen in anderen Städten. In Herne bot sich das Gelände der ehemaligen Maschinenfabrik Beien als optimaler Ort für die erste Wildnis an. Es liegt an der Ecke Vinckestraße / Juri-Gerus-Weg und befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Biologischen Station. Im Jahr 2012 wurde das Gelände von der Biologischen Station und vielen helfenden Händen durch einfache Maßnahmen in eine echte „Wildnis für Kinder“ umgestaltet. Hier findet sich nun ein abwechslungsreiches Terrain mit dschungelartigen Gebüschen, Kletterbäumen, Sandflächen oder Lehmhügel mit Matschzonen. Bei den Gestaltungsmaßnahmen wirkten übrigens auch viele Kinder mit, die sich für ihren neuen Spielort so richtig ins Zeug gelegt haben. Beteiligt waren u. a. die Gustav-Adolf-Ganztagshauptschule Herne sowie Mitglieder des Herner Kinder- und Jugendparlaments.

Seit Februar 2021 können Kinder auch in Bochum Langendreer die Wildnis erforschen und spielen: das ist bereits die sechste Wildnisfläche der Stadt, die für Kinder (und deren Begleitung) zur Verfügung gestellt wird. Andere Wildnisflächen entdeckt man unter anderem in Querenburg, Bochum-Mitte oder Wattenscheid.

Die „Wildnis für Kinder“ wurde von der Biologischen Station Östliches Ruhrgebiet initiiert und wird von der NRW-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege sowie der Dr. Gustav Bauckloh Stiftung maßgeblich gefördert. Die Städte Herne und Bochum setzen sich ebenfalls für die Umsetzung des Projektes ein. Aber auch die Menschen aus der nächsten Umgebung übernehmen Verantwortung und sind wichtige Kooperationspartner. Vor allem Schulen, Kindergärten sowie verschiedene Einrichtungen der Kinder- und Jugendpflege sind hier aktiv und Eltern und Anwohner konnten als sogenannte „Wildnispaten“ gewonnen werden, die in der „Wildnis für Kinder“ nach dem Rechten sehen.

Förderung der Kinder durch Naturerfahrungen

Die „Wildnis für Kinder“ bietet den 7- bis 12-jährigen Kindern vor allem eines: unreglementierte Naturerfahrung! Hier sind der Kreativität und dem Entdeckerdrang keine hinderlichen Grenzen gesetzt und selbst der Naturschutz steht auf dem Gelände nicht an vorderster Stelle. Natürlich darf hier weder grob zerstört noch z. B. Müll abgeladen werden, aber abgeknickte Äste oder plattgerutschte Hügel werden hier gerne in Kauf genommen. Der Grund: Es ist wichtig, dass Kinder sich hier im Spiel vergessen können und in eine unmittelbare Naturerfahrung eintauchen können – da gehören das Fangen von Insekten und Klettern natürlich hinzu! Ganz nebenbei hat das freie Spiel in der Natur auch noch weitere positive Effekte. Wenn Kinder zusammen im Freien ohne Aufsicht spielen, stärkt sich ganz von selbst ihr Sozialverhalten und die kindliche Psyche wird positiv beeinflusst. Hinzu kommt ein weiteres, besonders wichtiges Ziel, das die Biologische Station mit der „Wildnis für Kinder“ verfolgt. Die Naturerfahrung soll in den Kindern früh eine Liebe zur Natur wecken und ihr Bewusstsein für die Umwelt schärfen. Forschungsergebnissen zufolge werden hierfür die entscheidenden Grundsteine in der Kindheit gelegt.
Um den Kindern freie Entfaltung zu ermöglichen, gehört den Kindern ihre Wildnis an den Nachmittagen völlig allein und es findet keinerlei Programm auf dem Gelände statt. An den Vormittagen werden Wildnisrallyes und andere erlebnispädagogische Aktivitäten angeboten, bei denen die Naturerfahrung mit allen Sinnen im Vordergrund steht.

Das Projekt „Wildnis für Kinder“ hat Vorbildcharakter und stellt auch für andere Ruhrgebietsstädten eine Möglichkeit dar, brache Flächen neu zu nutzen und dabei Kindern ein Stück Natur zurück zu geben. Wichtig dabei ist, dass bestimmte Voraussetzungen gegeben sind, wie z. B. die Befreiung des Geländes von Altlasten oder auch die Wohnortnähe zu den angesprochenen Kindern.

„Wildnis für Kinder“ – ein spannendes und tolles Projekt, das Natur und Kindern gleichermaßen Chancen zur „Rückeroberung“ gibt!

„Wildnis für Kinder“ in Herne

ehemaliges Beien-Gelände
Ecke Vinckestraße / Juri-Gerus-Weg in Herne-Mitte

„Wildnis für Kinder“ in Bochum

Langendreer:
ehemaliger Kirmesplatz
östlich des Volksparks in Langendreer
Dreieck Dördelstraße/ Hasselbrinkstraße/ Ovelackerstraße

Bochum Mitte:
An der Herner Straße
Ecke Vierhausstraße

Querenburg:
Park Westerholt

Dahlhausen:
Grünanlage Dr.-C.-Otto-Straße

Wattenscheid:
unterhalb der Sportanlage Auf dem Esch

Riemke:
Am Tippelsberg

Biologische Station Östliches Ruhrgebiet

im Haus der Natur
Vinckestr. 91
44623 Herne
Tel.: (0 23 23) 5 55 41
www.biostation-ruhr-ost.de

Foto: Stadt Bochum

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