Karmariders – Unterwegs für Kinder

Wenn es nur noch darum geht, irgendwie über die Runden zu kommen, sich über Wasser zu halten, zu überleben, dann rückt ein Luxus wie Schulbildung bedenklich in den Hintergrund. Besonders Menschen der ärmsten Länder haben zu kämpfen. Die Karmariders setzen dieser Realität nicht nur ein Zeichen, sondern auch Tatkraft entgegen. Mit einer groß angelegten Spendenaktion sammelten sie per Rad Gelder in einer Höhe von 60 000 Euro. Für Kinder in Indien! Im vergangenen Herbst haben sich die fünf Duisburger in das Land aufgemacht. Per Fahrrad überzeugten sie sich vor Ort, was mit den Spenden passiert.


[ruhr-guide] Bildung ist ein kostbares Gut, das dachten sich auch Unterwegs in Indiendie Karmariders, denn sie kamen in den Genuss von Lehre und Wissen. Andere Menschen, die in Ländern leben, deren wirtschaftlich-soziale Lage einen Großteil der Bevölkerung an die Existenzgrenze drängt, können sich weder eine tägliche Mahlzeit noch geistige Nahrung leisten. Kinder, stets die schwächsten Glieder einer Gesellschaft, sind besonders betroffen. Mit dem Gedanken "Wer etwas bewegen will, muss sich selbst bewegen!" war die Idee per Rad Spenden zu sammeln, schnell geboren. Das funktioniert folgendermaßen: Jeder Mitfahrer lässt sich von Bekannten, Arbeitgebern, Freunden und Verwandten pro gefahrenen Kilometer sponsern. Je mehr Kilometer, desto mehr Geld, dass gespendet werden kann und je mehr Leute die Karmariders begleiten desto besser. Bereits im vergangenen Sommer radelten die Duisburger gemeinsam mit anderen durch die Republik, um Spenden zu sammeln. Insgesamt erstreckte sich der Weg über 2 500 Kilometer.

Transparente Spendenwege sind wichtig

Damit auch wirklich sicher gestellt wird, dass die Spenden den richtigen Weg Community Schoolnehmen, ist Transparenz wichtig. "Auf der Suche nach geeigneten Partnern, stießen wir auf Childaid," erklärt Nils Petersen, Sprecher der Gruppe. Die Stiftung garantiert nach Meinung der Karmariders diese Durchsichtigkeit. "Uns war es bei dieser Aktion wichtig , dass wir eine Stiftung im Rücken haben, die keinen riesigen Verwaltungsapparat hat und sich der Weg des Geldes nachvollziehen lässt. Zudem wollen wir nicht direkt die Verantwortung für das Geld haben, sondern es jemanden anvertrauen, dem die Transaktionen geläufig sind." Das Augenmerk der Königsteiner Stiftung Childaid Networks ist der Nordosten Indiens. Die Stiftung arbeitet schon länger mit dem Orden Don Bosco zusammen, der vor Ort Bildungsprojekte initiiert und betreut. Der Orden hat Kontakte und weiß die Abläufe im Nordosten Indiens einzuschätzen, ein Netzwerk von unschätzbarem Wert. "Mit Unterstützung des Ordens Don Bosco wird sicher gestellt, dass das Geld genau zu den Lehrer- und Schulprojekten fließt, für das es vorgesehen ist."

Mit Schlafsack und Isomatte eine Reise ins Ungewisse

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! "Wir wollten selbst nachgucken und Presseempfanghaben uns die Projekte, die Struktur, die Finanzierung und das Management in Indien zeigen und erklären lassen. Auf unserer Homepage berichten wir von unseren Erfahrungen, so dass auch die Spender alles nachvollziehen können. Unseren Eindrücken nach wirkte alles sehr authentisch." Gründlich, alle Eventualitäten mit einplanend, bereiteten sie sich im Spätherbst letzten Jahres auf die lange Reise ins Ungewisse vor. Mit Schlafsäcken, Isomatten, Wasserfiltern und selbst einem Satellitentelefon landeten Karsten Meyer, Oliver Schrenk, Christian Dominik, Tobias Schüppen und Nils Petersen am 11. Oktober in Kalkutta. Es war elf Uhr abends, die Luftfeuchtigkeit war hoch und das Thermometer zeigte 35 C° an. Zwei freundliche Menschen begrüßten die bereits durchschwitzten Duisburger. Mit dem Hinweis, sie würden vor dem Flughafengebäude von einigen hundert Menschen erwartet, nahmen die beiden Fahrer das Gepäck entgegen. Ein Vorgeschmack dessen, was die Karmariders auf ihrer Tour durch den Nordosten Indiens erwarten würde. Das Treffen mit Pressevertretern am nächsten Tag überwältigte die jungen Männer: "Den Begriff Pressekonferenz hielten wir anfangs für etwas übertrieben, tatsächlich waren aber rund dreißig Journalisten und Kameraleute vor Ort. Wir waren auf allen Titelseiten der überregionalen und Lokalpresse." Das Thema schaffte es sogar in die Abendnachrichten. Ab diesem Tag war die Tour ein Selbstläufer.

Der Anblick von Bleichgesichtern ist ungewohnt

Für die Menschen einer Gegend, die sonst kaum beachtet noch geachtet Meine Tante aus Marokkowerden, wo Besitzer der Teeplantagen nach Gutsherrenart walten können, die Zahl der Analphabeten immens ist und Kinder, statt lernen zu können, zur Arbeit gezwungen werden, muss der Aufwand, der ihretwegen veranstaltet wurde, einer Sensation gleich gekommen sein. Es ist eine Region, in die sich sonst kein Tourist hin verirrt und der Anblick von Bleichgesichtern ungewohnt ist. Ständiger Begleiter der Truppe waren nicht nur das Begleitfahrzeug in Form eines Busses, der das Gepäck transportierte, sondern auch eine Polizeieskorte: "Das war schon gewöhnungsbedürftig," schildert Nils den Anblick der offen getragenen Maschinengewehre. Die Bewachung folgte teilweise auch nachts. Um einem Ritual höflich Folge zu leisten, studierten die Karmariders eines Abends ein Begrüßungslied ein, als es klopfte: "Ein Polizist mit MG stand vor der Tür. Er meinte, dass er uns singen hörte und bat bei unserer Probe dabei sein zu können." Sie kamen seinem Wunsch nach, er durfte dann sehen wie fünf junge Menschen aus Deutschland das Lied "Meine Tante aus Marokko" probten.

Lesen, Schreiben, Rechnen – Elementares für den Alltag

Die Projekte sind sogenannte Community Schools. Schulen, die in einGespannte Kinder Dorf, in eine Gemeinschaft, integriert werden. Denn wichtig ist, dass das gesamte Dorf hinter diesem Projekt steht. "Die Dorfgemeinschaft muss dafür Sorge tragen, dass die Kinder und die Jugendlichen die Möglichkeit haben, dort hinzugehen." Damit das gewährleistet werden kann, findet der Unterricht abends statt. Dann, wenn es dunkel ist. Denn tagsüber müssen auch Kinder auf der Plantage arbeiten. Momentan unterrichten Studenten die Kinder. Langfristiges Ziel ist aber, dass die Lehrkräfte aus der eigenen Gemeinschaft kommen. Ehemalige Schüler, die auswärtig studieren, dann wieder kommen, um selbst zu unterrichten. Zuerst ist es besonders wichtig, den Schülern Elementares beizubringen. Lesen, Schreiben, Rechnen! "Das hört sich erstmal wenig an, aber man muss ja klein anfangen, um sich steigern zu können," sagt Nils Petersen. Die Grundkenntnisse dienen dazu, sich selbständig und sicher im Alltag zurecht zu finden. Im Geschäft zu wissen, was verkauft wird und wie teuer es ist, wohin der Bus fährt und was die Fahrt kostet. Bisher konnten die Menschen ihren Lohn nur beim Plantagenbesitzer einlösen.

Die Friedensbotschafter aus Duisburg

"Nach unseren Besuchen schienen die Menschen immer um zehn Begleitung der Karmariders Zentimeter gewachsen zu sein, weil sie sich wahrgenommen fühlten. Die Eigenachtung stieg," sagt Nils, nicht ohne Stolz. Die unverhoffte Aufmerksamkeit, die den Menschen zuteil wurde, löste teilweise sehr hohe Erwartungen aus. Einige Bewohner verklärten daraufhin die Karmariders: "Sie haben sich von uns nichts geringeres als Frieden gewünscht." Von früh bis spät waren die Fünf auf den Beinen und von morgens bis abends wurden sie von Leuten erwartet, beobachtet, angesprochen, bejubelt und eingeladen. Neben der körperlichen Anstrengung mussten auch die vielen verschiedenen Eindrücke verarbeitet werden: "Das Fahrradfahren gewährte Auszeiten, besonders morgens brauchten wir Zeit für uns selbst. Der Kopf stand permanent unter Dauerstress. Wir wurden spontan auf der Straße angehalten und begrüßt. Anschließend mussten wir die Eindrücke von Armut, Elend und Krankheit verarbeiten. Dinge, die wir zu Hause so nicht sehen."

"In den Bergen wurden wir angeguckt, als wären wir die ersten Menschen."

Übernachtet haben die Studenten überall dort wo man schlafen kann. Gemeinsam Reis essen Selten in einem Hotel, aber häufig in Bambushütten oder in Internaten, teils auch an offenen Feuerstellen, wo es empfindlich kalt wurde. Allerlei Getier gehörte selbstverständlich dazu, wie Ratten, Spinnen, Kakerlaken. "Für indische Verhältnisse wurden wir auch üppig versorgt. Dreimal am Tag gab es Reis, verschieden zubereitet. Unsere indischen Begleiter haben derweil acht Kilo zugenommen, während einige von uns acht Kilo abgenommen haben. Okay, wir haben auch jeden Tag gestrampelt ..." Und das war schon sehr strapaziös. Ordensmitarbeiter haben die Tour organisiert, lokale Experten zwar, aber nicht was Radtouren betrifft, auch wenn sie "letztlich ihre Sache gut gemacht haben," wie Nils versichert. Die Mitarbeiter Don Boscos waren darauf bedacht, dass die Deutschen alle Projekte zu Gesicht bekommen. Einige Tagestouren waren sehr großzügig kalkuliert. Es ist zudem schwierig, wenn die Straßenverhältnisse nicht bekannt sind. Kurze Straßenstücke können zur Tortur werden, wenn sie sich als Schotterpiste erweisen. Asphaltierte Radwege sind an dieser Stelle genauso exotisch wie die Karmariders auf ihren Hightech-Rädern: "In den Bergen wurden wir angeguckt, als wären wir die ersten Menschen. Und natürlich wollten die Leute unsere Räder mal ausprobieren, die für technische Wunderwerke gehalten wurden."

Soziales Engagement ist Luxus

Anfang Dezember landeten die Duisburger wieder Deutschland. Rückblickend erzählt Nils: "Wir hatten nach Indien so einen Hänger, ein kleines Tief. Eine Mischung aus physischer und psychischer Abgeschlagenheit. Die vergangene Anspannung, der Dauerstress, stieß auf dieses vorweihnachtliche Deutschland." Noch einmal würden sie nicht die Indientour machen, aber an ihrem Engagement halten die Karmariders fest. "Sich sozial zu engagieren, ist ein enormer Luxus. Man kann sich ja nur engagieren, wenn die tägliche Grundversorgung gesichert ist und nicht darum täglich gekämpft werden muss," schätzt Nils Petersen die ehrenamtliche Arbeit ein. Die Helden aus Indien können sich diesen Luxus leisten. Noch in diesem Jahr wird es deswegen eine weitere Spendentour geben. Für einen Tag, quer durch das Ruhrgebiet, mit vielen Radfahrern. Mehr Infos zur geplanten Ruhr-Pott Tour von Duisburg über Essen, Bochum nach Dortmund am 29. August 2009 gibt es hier zu lesen!

Das Gespräch wurde mit Nils Petersen geführt.

Karmariders – Unterwegs für Kinder
www.karmariders.de
Ansprechpartner Tobias Schüppen
Jägerstraße 9, 47228 Duisburg
Telefon +49 2065-701204
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(sk)

Fotos: Karmariders