Der Ruhrpott für die Hosentasche, Foto: Buchcover S. Fischer Verlag GmbH

Der Ruhrpott für die Hosentasche

Schrebergärten, Buden, Autos und Fußball. Für Carsten Uekötter, geboren im Münsterland, waren die Reisen in das Ruhrgebiet wie ein Eintritt in eine andere Welt. Erstaunt vom Ruhrpott schrieb Carsten Uekötter das Taschenbuch „Der Ruhrpott für die Hosentasche“. Kulturelle Events, Konzerte und Festivals legten los und seine Faszination war grenzenlos. Hier herrscht eine unverwechselbare Mentalität ganz nach dem Motto: „Harte Schale, weicher Kern.“

[ruhr-guide]Der Ruhrpott für die Hosentasche, Foto: Buchcover S. Fischer Verlag GmbH „Getz ma Butter bei die Fische!“ Jeder Ruhri hat eine Meinung und spricht diese laut aus, dennoch hält der Ruhrpott immer zusammen. Die Sprache hat sich durch eine Mischung aus fremden Dialekten und Sprachen verflochten um das Zusammenleben und Zusammenarbeiten zu vereinfachen. Bei Sätzen wie „Komm, ich tu einen aus“ oder „Komm ma wacker bei mich bei“ kommt es nicht auf grammatikalische Korrektheit an, sondern auf den Ruhrpottcharme der Ausdrucksweise. Dennoch sind erst einmal alle, die das nicht gewohnt sind, schockiert über die harte Ausdrucksweise. So erging es ebenso Carsten Uekötter bei seinem ersten Besuch im Ruhrpott. Der Ruhrpottcharme ist eben nicht für jederman etwas.

Auch weist dieser Schmelztiegel der Nation viele Spannungen auf wie in den großen Brennpunkten Duisburg-Marxloh, die Dortmunder Nordstadt oder Essen-Katernberg. Doch die heilige Barbara ist immer mit uns! An diese Schutzpatronin glaubten jedenfalls die Bergarbeiter, da jeder Arbeitstag ihr letzter Tag sein konnte. Heute sind rund 70 % der Ruhris Anhänger der römisch-katholischen oder evangelischen Kirche. Die Religionsfreiheit wird jedoch nirgends so gelebt und manifestiert wie im Ruhrgebiet. In Hamm steht der größte Dravida-Tempel, in Nordrhein-Westfalen leben rund eineinhalb Millionen Muslime und in Dortmund steht der thailändisch-buddhistische Tempel Wat Dhammabharami. Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl weiterer Gemeinden, Kirchen und Tempel im ganzen Ruhrgebiet verteilt. Es gibt eben viel zu erleben in dieser multi-kulturellen Metropole Ruhr.

Gemeinschaftsgefühl im Pott

„Urban Gardening“ gibt es hier schon seit 1900. Heute gibt es rund 1600 Kleingartenanlagen in Nordrhein-Westfalen. Aus den unterschiedlichsten Gründen zieht es immer mehr junge Familien in die Schrebergärten. Reichlich Gartenzwerge, akkurate Beete und Kleingartenordnungen sind die verbreitetsten Vorurteile und sie entsprechen auch der Wahrheit. Dennoch landet man in vielen Fällen auf Wartelisten, bevor man seinen eigenen Schrebergarten einrichten und pflegen darf. Ganz den Klischees aus „Ab ins Beet!“ entsprechend.

Doch im Ruhrgebiet wird nicht nur der Schrebergarten gepflegt, sondern auch das Auto. Auch heute ist das Auto noch eine sichtbare Belohnung für den hart arbeitenden Ruhri. Trotz Straßenbahn, U-Bahn, diversen verspäteten Zügen oder auch S-Bahnen sind die meisten Ruhris ohne Auto völlig aufgeschmissen und nicht überlebensfähig. Die Automarke Opel ist hier Zuhause. Der „Kapitän“ wurde zwar fortschrittlicher, dennoch lief 2014 der letzte Opel vom Band des Opel-Standorts in Bochum.

Natürlich hängt aus fast jedem Auto ein Fußballschal und in den Schrebergärten werden Fahnen gehisst, denn der Fußballsport gehört so zu den Ruhris, wie das Amen in die Kirche gehört. „Nieder mit dem FC Bayern München!“, da sind sich alle einig. Doch die Rivalität zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 sitzt tief. Bei dem Ruhrderby geht es daher um viel mehr als um den bloßen Sieg. Dem unterlegenen Fan wird am nächsten Tag am Arbeitsplatz wortlos eine Packung Taschentücher hingelegt, falls er denn überhaupt erst auftaucht. Der Spott ist genauso stark wie der Stolz auf den Ruhrpott. Jedermann ist stolz auf „sein Revier“, denn das Ruhrgebiet ist Kult.

Nicht nur Industriekultur

Hier nehmen die Menschen noch regen Anteil an der Kultur, wie auch das Projekt „RUHR.2010“ zeigt. Die Kulturhauptstadt beweist eben, dass Industriekultur aus spannenden Orten und interessanten Menschen besteht. Die angeblich langweilige Industriekultur kann von eindrucksvollen Ereignissen und Geschichten berichten, so wie es keine andere Metropole kann. Zeche Zollverein, Umspannwerk Recklinghausen, Schiffshebewerk Henrichenburg Waltrop, Tetraeder Bottrop oder das Red Dot Design Museum erzählen alle ihre einzigartigen Geschichten. Das Ruhrgebiet ist voll mit Theatern, Museen und kultiger Wohnkultur und überzeugt mit seinen Festivals, Events und dem bekannten Ruhrpottcharme.

Fazit:
Wer mehr über „Frauenschwoof“ und die Liebe erfahren möchte und über die vielfältigen Möglichkeiten der individuellen Hochzeit unter Tage oder im Stadion, oder wer wissen möchte was es mit den Tauben auf sich hat oder wie die Politik hier im Ruhrgebiet so abläuft, für den ist dieses Buch genau das Richtige. Viele interessante Ereignisse werden dargestellt und der Ruhrpott wird zum Erlebnis in Buchform. Darauf ein wohlgemeintes „Hau rein!“ und „Glück auf!“.

Der Ruhrpott für die Hosentasche
Carsten Uekötter

Sachbuch
256 Seiten, Broschur
FISCHER Taschenbuch
ISBN 978-3-596-52077-0

Foto: Buchcover S. Fischer Verlag GmbH

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