Die Packard Gang - Marc Malès Bildquelle: Verlag schreiber&leser

Die Packard Gang – Marc Malès

Die Tage sind längst vorbei, dass Micky Maus und Donald Duck als strahlende Vertreter der Comicliteratur galten und den Eindruck festigten, Comic sei Kinderkram. Mittlerweile ist der grafische Erzählstil weitreichend als Literaturform anerkannt, der durchaus komplexe und anspruchsvolle Themen abhandeln kann. So drängen immer wieder interessante Werke in die Regale der Buchhandlungen, die auf ein erwachsenes Zielpublikum ausgerichtet sind. Diesen Trend hat der Münchner schreiber&leser Verlag erkannt und seine „noir“ genannte Reihe ins Leben gerufen. Darin erscheinen Titel, deren Inhalt oder Zeichenstil – meist steht beides in kreativer Wechselwirkung – an die „Dunkle Serie“-genannten Krimis und Thriller der 30er und 40er Jahre aus Hollywood anknüpft. So auch „Die Packard Gang“ von Marc Malès, einem spannenden s/w-Krimicomic, den wir an dieser Stelle vorstellen.

[ruhr-guide] Die Story erscheint typisch: Eine Bande skrupelloser Bankräuber nimmt einen Tresor nach dem nächsten aus. Die Packard Gang - Marc Malès Bildquelle: Verlag schreiber&leserDie Polizei kommt jedoch immer einen Schritt zu spät, steht stets als lächerlicher Verlierer am Ort des Geschehens. Die Packard-Gang, wie sich die Gruppe aufgrund ihres schnellen Fluchtautos nennt, ist für die Gesetzeshüter ein elender Dorn im Auge, weshalb sich Inspektor Barton mit verbissener Vehemenz an die Fersen John Fosters heftet und die Packard-Gang schließlich überführen kann …

Niemals-währende Ruhe

Das Ganze ist jetzt 20 Jahre her und doch kann Barton die Geschehnisse nicht vergessen. Irgend etwas stimmt hier nicht und so macht sich der Polizist auf, seinen einstigen Gegner Foster aufzuspüren um endlich die Wahrheit ans Tageslicht zu hohlen. Foster lebt indes als bibelfrommer Kleinbürger mit Frau und Kindern ein beschauliches Leben, verabscheut seine kriminelle Vergangenheit. Als Barton aufkreuzt und tief in den Wunden der Vergangenheit gräbt, muss auch Foster längst verstaubte Erinnerungen neu beleben. Thematisch entspricht diese Geschichte aus der Feder des Franzosen Marc Malès einem typischen Gangsterfilm der klassischen Noir-Ära. Der exzessive Cop, kaum fähig den Fall ruhen zu lassen, verfolgt den gewieften Verbrecher, der immer einen Schritt weiter zu sein scheint.

Inspektor vs. Bankräuber = Gut vs. Böse?

Eine der faszinierenden Spielarten des Film noir ist die undurchschaubare Konzeption der Figuren. Immer wird hinterfragt, ob die von der Grundausrichtung her „guten“ Charaktere wie Polizisten, Detektive oder andere derartige Gestalten auch tatsächlich gut sind. Ist der Verbrecher wirklich „böse“ oder hat diese Figur weitere Facetten, welche sie oder deren Handeln in einem anderen Licht erstrahlen lassen? Oft verändern sich die typischen Konventionen und präsentieren durch einen gekonnten Umkehrpunkt gegen Ende die Geschichte völlig neu. Marc Malès hat sich genau mit dem Genre befasst und dessen Eigenschaften wunderbar für „Die Packard Gang“ adaptiert. Hier zeigt er den vermeidlichen Verbrecher als gottesfürchtigen Familienvater und Ehemann. Hingegen blättert Inspektor Barton vor dem Schlafen in Erotikmagazinen und legt auch sonst einen nicht gerade milden Tonfäll an den Tag, während Foster täglich zur Bibel greift und versteht, sich höflichst zu artikulieren. Diese feinen Details sind es, die zunächst faszinieren und das Interesse des Lesers aufkommen lassen. Die Vermutung liegt nahe: Hier muss etwas im Argen liegen!

Optischer Leckerbissen

Immer weiter dringt der Leser mit jeder der 143 Seiten in Richtung Wahrheit vor, doch wie es sich gehört, bewahrt der Autor den alles aufklärenden Spannungshöhepunkt für den letzten Teil des Buches auf. Bis dahin genießt der Leser die schwarzweissen Zeichnungen, die wie Standbilder eines Kinofilms aussehen. Scharfe Kontraste, lange, düstere Schatten und die durchweg triste Optik lassen eine zwielichtig-angespannte Atmosphäre entstehen, durch die sich das Lesevergnügen auszeichnet. Dazu gibt es eine Art erklärenden Voice Over, Rückblenden die Komplexität herstellen und rasante Erzählelemente, die durchweg für die emotionale Beteiligung des Leser sorgen. „Die Packard Gang“ ist als edler Hardcoverband im schreiber&leser Verlag erschienen und jetzt im Handel erhältlich. Ein Tipp mit Nachdruck für jeden noir-Anhänger oder Freund erwachsener Comic-Stoffe.

(mo)

Bildquelle: Verlag schreiber&leser

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