Interview mit der Komikerin Ramona Schukraft

„Andere laufen Amok“

Ein Interview mit der Komikerin Ramona Schukraft, dem weiblichen Shootingstar der Comedyszene!

[ruhr-guide] In Köln feierte das Comedy Interview mit der Komikerin Ramona SchukraftFestival in diesem Jahr sein 15-jähriges Jubiläum. Die Comedy-Sparte boomt nicht nur weiterhin im Fernsehen, auch Live-Shows mit einer Vielzahl an Newcomern finden ihre Zuschauer. Am bekanntesten sind sicher „Nightwash“ von Knacki Deuser und der „Quatsch Comedy Club“ von Thomas Hermanns. Beide Formate sind im TV zu sehen, finden aber auch außerdem live auf einer Bühne, sprich einem Waschsalon, statt. Dazu entwickeln und veranstalten viele der Comedians eigene Events, treten in Bars, kleineren Theatern oder Coffeeshops auf.

Ramona Schukraft gilt als der weibliche Shootingstar der Comedyszene. Eigentlich ist die Kölnerin Fremdsprachenkorrespondentin für Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch. Sie bestand ihr Fachabitur mit Schwerpunkt Wirtschaft und arbeitete zunächst als Werbetexterin bei der Hamburger Agentur „Zum goldenen Hirschen“. Für „RTL-Samstag Nacht“ schrieb sie Gags, bestand eine abenteuerliche Aufnahme an Kölns erster Comedy-Schule und absolvierte die Radio-Comedy Akademie (Radio FFN) in Hannover. Sie war außerdem Autorin und Sprecherin diverser Radio-Comedy-Serien, Headautorin und Regisseurin von „Vorsicht Bommel“, Autorin für die Radio-Comedy Serie „Die Kanzlermacher“ und lockte schon ahnungslose Menschen für „Versteckte Kamera“ im ZDF in die Falle. Als Stand Up Comedian ist sie mittlerweile weit über Köln hinaus bekannt und hat sehr viele überregionale Auftritte.

Wir trafen uns jetzt in Köln um mit ihr mal ernsthaft zu reden.

Hallo Ramona. Wie bist Du auf die Idee gekommen, Comedy zu machen?

Ramona lacht und sagt augenzwinkernd: Was für eine seltene Frage! Ursprünglich wollte ich Betten machen, aber da hätte ich ja nix verdient!
Fest steht: Ich bin nicht irgendwann morgens aufgewacht und habe mir gesagt: „Heute ist ein verrückter Tag! Ich werde was ganz Verrücktes mit meinem Leben machen! Comedy!“ Nein, die Comedy kam eher schleichend in mein Leben. Während meiner Zeit als Texterin bei der Hamburger Werbeagentur „Zum goldenen Hirschen“ habe ich Mitte der 90er Jahre angefangen für „RTL Samstag Nacht“ als freie Autorin zu arbeiten. Das war eigentlich gar nicht mein Plan.
Ich war bei einem Moderatorencasting in Hamburg, wo mir nahegelegt wurde, doch was mit Comedy zu machen. Für seriöse Berichterstattung sei ich aufgrund meiner auffälligen Mimik nicht einsetzbar. Ähnlich erging es mir bei einem Casting für eine Kindersendung des SWR. Ich hab heute noch die Absage. Darin heißt es „…Deine Comedyqualitäten sind uns sehr positiv aufgefallen, allerdings ist dieser ironische Touch für eine Kindersendung nicht geeignet.“ Dann dachte ich: Comedy. Okay. Ich drehte ein Demovideo, fuhr nach Köln und stellte mich einfach Knall auf Fall bei RTL Samstag Nacht vor. Natürlich war das etwas naiv, denn die hatten ja schon ihre Comedians. Mir wurde aber ein Job als freie Gag-Schreiberin im Team angeboten. Und das hab ich dann auch erstmal gemacht, bevor ich 2 Jahre später selbst in Aktion trat. So bin ich quasi auf Umwegen zum Ziel gekommen, worüber ich heute sehr froh bin. Denn ohne das Handwerk, was ich als Autorin gelernt habe, wäre ich bestimmt nicht so lustig.

Bist Du schon in der Schule die lustige Person gewesen?

Nein. Das war ja der Lehrer. Aber Du meinst sicher, ob ich der Klassenclown war? Eher notgedrungen. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und hatte in der Grundschule so meine Probleme. Als dunkler Typ wollten die anderen Kinder nie mit mir spielen und ich bin immer allein nach Hause gegangen. Nicht selten heulend. Eigentlich ein klassischer Fall von Mobbing. Irgendwann entdeckt man dann den Humor als Waffe. Andere laufen Amok.
Aber dieses Verletzt werden – so schlimm es als Kind auch war –
es war wichtig für meinen heutigen Job. Verletzlichkeit ist sehr wichtig auf der Bühne.
Man kann also die Auftritte auch wie eine Art Therapie sehen, um etwas zu verarbeiten. Wer nie etwas Frustrierendes oder Ungerechtigkeit erlebt hat, geht nicht auf die Bühne. Es ist einfach eine Anerkennung die man sich da holt.
Aber um noch mal zum Thema Klassenclown zurückzukommen: Sicher sind mir schon damals zu vielen Themen die richtigen Gags eingefallen und so mancher Lehrer musste mich bremsen…

Woher kommt Dein Talent zum Gag-Schreiben?

Tja, woher kommt ein Talent? Entweder man hat es mitgegeben bekommen oder nicht.
Ich bin einfach eher der Sprachen-Typ. In Naturwissenschaften sind Lehrer mit mir verzweifelt. Die heulen heute noch! In den Sprachen konnte ich immer trumpfen. Tja, und kurz und knackig zu formulieren hab ich dann in der Werbung gelernt. Auch da hat man relativ schnell gemerkt, dass ich für ernste „Headlines“ nicht zu gebrauchen war. Mir war es egal, ich hab eh lieber für Alcopops und den Hamburger Verkehrsverbund getextet als für schnöde Broschüren für einen Rolltreppenhersteller. Gähn. So was langweilt mich sehr schnell. Deshalb ist auch das Gagschreiben genau das Richtige für mich.

Sicher war man auch einem gewissen Druck ausgesetzt, um für eine wöchentliche Live-Show wie „RTL Samstag Nacht“ zu schreiben?!

Ja klar. Aber ich war ja bei RTL Samstag Interview mit der Komikerin Ramona SchukraftNacht freie Autorin und habe meine Ideen damals per Fax geschickt. Da steht man zum Glück nicht ganz so unter Druck. Aber ich habe damals die festen Autoren schon bewundert, die Woche für Woche die Gags produziert haben. Ich kannte zwar kreativen Zeitdruck schon aus der Werbung, aber Comedy-Schreiben ist dann doch noch was anderes. Das habe ich festgestellt, als ich bei Autorenwochen live vor Ort in Köln war, da habe ich dann die „echte Atmosphäre“ mitbekommen. Mittlerweile habe ich 8 Jahre Erfahrung, hab sehr viel TV und Radio Comedy geschrieben und weiß: Gags auf Knopfdruck zu schreiben ist schwierig, aber nicht unmöglich. Heute bin ich dankbar für diese Erfahrung, denn bei meinen Stand-ups auf der Bühne sind gute Pointen ja auch sehr wichtig.

Seit wenigen Jahren boomt der Comedymarkt auch in Deutschland durch Live-Events oder TV-Serien. Woher kommen diese Ideen?

Alle von mir!!! Geklaut! Ha ha! Schön wär`s. Vieles wird von deutschen Produktionsfirmen entwickelt aber vieles wird einfach aus dem Ausland kopiert. Oder adaptiert, wie man so schön sagt.
Viele TV Produzenten und Regisseure reisen nach Amerika und England, wo der Bereich Comedy schon lange etabliert ist. Von dort werden gute TV-Formate, die dort erfolgreich waren, nach Deutschland geholt. Oft funktioniert das, aber nicht immer. Amerikaner und Engländer haben dann manchmal doch einen anderen Sinn für Humor. Schade ist momentan, dass sich die Deutschen leider nicht trauen, selbst was Neues auszuprobieren. Weder mit Formaten noch mit neuen Gesichtern. Das Risiko ist einfach zu groß. Oder sie trauen sich, senden den Pilotfilm, die Quote ist schlecht und das ganze landet in der Schublade. Man muss einer neuen Idee aber die Chance geben, sich zu entwickeln. Nur das kostet halt… Die dritten Programme haben mehr Durchhaltevermögen, wie der WDR zum Beispiel. `Nightwash` ist für viele Comedians ein gutes Sprungbrett, weil hier auch Newcomern die Chance gegeben wird, sich zu präsentieren.

Vor wenigen Jahren wurde Newcomern auch die Chance gegeben, sich durch die Köln-Comedy-Schule weiter zu entwickeln. Du bist dort Absolventin gewesen und hast Dich als eine von vielen beworben. Wie war das?

Heute wird mir oft gesagt: Sag bloß keinem dass Du da warst!. Der Begriff Schule klingt halt doof. „Leute die noch lernen“, die es also „noch nicht können“. Totaler Quatsch. Keiner war ja ganz unbeleckt. Außerdem waren das ja einzelne Workshops und kein ganzjähriges Schulbankdrücken. Tja und alle die heute fett im Geschäft sind waren da: Ingo Oschmann, Mario Barth, Ausbilder Schmidt. Oh Gott, die hassen mich jetzt bestimmt! Ich hab es verraten! Mist. Ich muss mir eine neue Telefonnummer zulegen, eine neue Identität.
Ramona packt hektisch ihre Sachen zusammen. Aber jetzt wo ich schon davon angefangen habe… Für mich war es damals ein absolutes Abenteuer, dort aufgenommen zu werden. Ich hatte in der Presse davon gehört. Damals lebte ich noch in Hamburg und wollte diese Schule unbedingt besuchen, weil ich wusste, dass das eine große Chance ist. Schließlich wurde die Schule damals von RTL und vom WDR gefördert. Voraussetzung für die Aufnahme war allerdings, ein Bühnenprogramm aus dem man beim Casting etwas spielen sollte. Zu der Zeit besaß ich aber noch überhaupt keine Erfahrungen auf Bühnen, ich hatte ja nur geschrieben – konnte also auch kein Soloprogramm vorweisen. Und dann waren da auch noch die anderen 800 bis 1000 anderen „Mitbewerber“ die alle ein Programm hatten. Das war ungünstig. Darum spielte ich der Jury, die unter anderem aus den Leitern der Comedyschule und einigen Redakteuren bestand, eine eigens für das Casting erdachte Nummer vor, die bis dato noch nie jemand gesehen hatte – außer dem Badezimmerspiegel – eine Premiere also. Es klappte auch alles nach Plan.

Euphorische Beifallstürme darf man bei Castings nicht erwarten. Von daher war ich ganz zufrieden. Auch im 30 minütigen Gespräch hinterher schlug ich mich wohl ganz wacker. Dann kam allerdings die entscheidende Frage, wo ich meine Nummer denn schon gespielt hätte. Tja und da musste ich die Wahrheit gestehen. Nirgends. Dann sagte Winnie Gahlen, der Schulleiter: „Tja schade, leider wissen wir dann nicht, ob das alles auch vor Publikum funktionieren würde“. Ich dachte nur – das ist das AUS! Ich wusste – ich musste was tun! Die Entscheidung, wer aufgenommen wird, sollte eine Woche später getroffen werden. Daher bin ich schnell wieder zurück nach Hamburg gefahren, wo eine Freundin im bekannten Schmidt-Theater arbeitete. Ich habe sie und die anderen Mitarbeiter so lange bequatscht, bis ich in der legendären Schmidt-Mitternachts-Show endlich mit dieser Nummer einen fünf Minuten Auftritt bekam. Vorher setzte ich einen Freund mit Videokamera ins Publikum und er filmte das ganze. Ich bin gestorben vor Aufregung. Aber die Nummer lief überraschend gut. Diese Videokassette schickte ich tags drauf zur Köln-Comedy-Schule mit der Notiz: „Sehen Sie, es funktioniert doch vor Publikum!“ Danach haben die mich tatsächlich als einen von 12 Teilnehmern von 1000 Bewerbern aufgenommen. Unglaublich, wenn ich heute daran denke!

Schreibst Du Deine Gags immer noch selbst?

Selbstverständlich. Alle. Erstens bin ich Comedyautorin – also wer sonst wenn nicht ich sollte meine Texte schreiben und zweitens sind die Dinge, die ich erzähle, mir wirklich passiert. Die Rentnerin am Gemüsestand, die mich fragt „Kaufen Se Spargel?“ oder die Oma in der Ehrenstraße, die sagt „Musik macht mich immer so fröhlisch“, das sind wahre Geschichten. Die passieren einem einfach, wenn man in einer Stadt wie Köln wohnt. Das kann sich keiner ausdenken. Kölner lassen halt keinen allein! Andere Nummern, wie die mit meinem dicken Hintern, beruhen auf wahren Begebenheiten. Mein Vater hat tatsächlich gesagt, ich hätte einen dicken Hintern bekommen. Das fand ich einfach eine Unverschämtheit. So was nehme ich dann als Vorlage für eine Nummer. Natürlich übertreibe ich wenn ich davon rede, dass mein Hintern die Hauptrolle in einer japanischen Fernsehshow mit dem Titel „Da dicksta Hintern von da Welt“ spielt. Aber der Grundstock für die Gags beruht auf Tatsachen. Nur so ist Authentizität garantiert.

Was war Dein ungewöhnlichstes Erlebnis auf der Bühne?

Nach einem Auftritt in Berlin besuchten mich Zuschauer hinter der Bühne. Sie stellten sich mir als Hirnforscher vor. „Oh Gott“, dachte ich „jetzt haben sie dich!“ „Die Frau ohne Gehirn wurde in Berlin gesichtet.“ Jetzt krieg ich gleich K.O.-Tropfen und dann verschwinde ich für immer zu Forschungszwecken in einem Labor in Hohenschönhausen. Neben mir nur ein Hamster und eine deutsche Dogge. Aber nein, so war es nicht. Sie wollten nur wissen, wie ich mir meine Texte merke. „Denken Sie in Ecken?“ war die Frage. „Nein, ich bin Comedian und kein Fußballer“ hab ich gesagt. Das war echt merkwürdig mit denen.

Was wünschst Du Dir für die Zukunft?

Ecken in denen ich denken kann, einen Damenbart und dass Frauen in der Comedy noch mehr anerkannt und gefördert werden. Gerade im Bereich Stand Up.

Was wünschst Du Dir für Dich persönlich?

Fröhliches, euphorisches aber weitestgehend nüchternes Publikum, das zu meinen Auftritten kommt und mit mir lacht und mich abfeiert bis der Arzt kommt. Ja, dann würde ich sehr gerne noch mehr im Fernsehen machen. Eine originelle Sitcom wär schon was! Momentan schreibe ich mit einem Kollegen an einem Konzept, aber das ist noch topsecret. Wir planen den Emmy 2008 dafür zu bekommen, wenn bis dahin alle Folgen ins Englische übersetzt worden sind. Mein Hobbies sind außerdem noch algerische Flussnamen und moderieren. Das mach ich bald wieder im Ersten Kölner Wohnzimmertheater. Das wird lustig!

Liebe Ramona Schukraft. Wir wünschen Dir, dass es erfolgreich weiter geht und sind gespannt, was noch passieren wird.

Wer die Künstlerin live erleben möchte, hat dazu viele Möglichkeiten, Termine finden Sie auf www.ramona-schukraft.de.

(Olaf Demmerling)

Fotos: Gianfranco La Garda

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