Um ihn reißt man sich: Christo Napoli (rechts) – muss er jetzt für seine Reden büßen?

Ein Held, wie er nicht im Buche steht

Nach John Millington Synges Vorlage schrieb David Gieselmann dem Schauspiel Essen eine Neubearbeitung vom „Held der westlichen Welt“. Intendant Anselm Weber weiß sein grandioses Ensemble (allen voran einmal mehr Sarah Viktoria Frick und Nicola Mastroberardino) gekonnt in Szene zu setzen.

[ruhr-guide] Gieselmann Um ihn reißt man sich: Christo Napoli (rechts) – muss er jetzt für seine Reden büßen?verlagert den Schauplatz in eine Ruhrgebietswirtschaft in den 60er-Jahren. Die beeindruckende Bühne von Vera Knab lässt keine Wünsche offen: Ein massiver Tresen, der vom Hauptdarsteller zwischenzeitlich zur Showbühne umfunktioniert wird, und als Highlight eine funktionierende Kegelbahn, auf der gegeneinander gespielt wird. Die Kostüme von Meentje Niersen sind ebenfalls ganz im Stil der 60er-Jahre.

Ein ganz normaler Abend in der Gastwirtschaft: Jenny (Sarah Viktoria Frick) blättert lustlos in einem Katalog, die Mädels-Clique mit Marie (Evelyne Gugolz), Tilli (Anastasia Gubareva) und Emma (Alice von Lindenau) möchte lieber feiern. Wirt Michael (Christoph Finger) und seine Kumpel Jimmy (Carsten Otto), Rollo (Georg Marin) und Rudolf (Jost Grix) kommen vom Leichenschmaus und tanken in der Wirtschaft noch einmal auf. Ein ganz normaler Abend eben.Auch sie will ihn: die Witwe Quirbach buhlt um die Gunst des schönen Italieners. Solange, bis die Tür auffliegt und Christo Napoli (Nicola Mastroberardino) im Raum steht und behauptet, er habe seinen Vater erschlagen. Mastroberardino spielt vom ersten Moment an rasant. Den Frauen verdreht der „Held“ den Kopf – auch der zielstrebigen Jenni, die eigentlich ihrem Cousin Steffen (Fritz Fenne) versprochen ist. Den jungen Italiener lässt man natürlich nicht gehen, wann hört man hier schon mal von solchen Heldentaten („Den Kopf hab‘ ich ihm gespalten“). Doch seine schillernde Fassade bekommt erste Risse, als der erschlagene Vater (Rezo Tschchikwischwili) vor der Gasthaustür steht. „Ich habe den Geist meines Vaters gesehen“, stammelt Napoli erschrocken und die Witwe Quirbach, die Christina Geiße wundervoll verkörpert, hilft ihm sofort – hat sie sich doch in den Kopf gesetzt, „den Italienier heirate ich!“

Totgeglaubte leben länger – wie wahr, wie wahr! Auch auf der Grillo-Bühne ist der alte Napoli nicht unter die Erde zu kriegen. Rezo Tschchikwischwili scheint die Rolle des Vaters auf den Leib geschrieben – wie immer spielt er laut, leidenschaftlich und verleiht der Figur einen ganz eigenen Charakter. Zusammen mit Mastroberardino bringt er das italienische Temperament in dieser Inszenierung auf die Bühne.

Grillo-Chef Weber zeigt mit seiner Interpretation des Klassikers vor allem das komödiantische Talent seiner Schauspieler. Ein kurzweiliger Abend, der viel zu schnell ein Ende findet – ein Stück, das man gern auch ein zweites Mal sehen möchte!
Was Christo Napoli nun eigentlich ist – ob Held, Aufschneider, Spieler, Frauenheld, Schönredner oder Nichtstuer – klärt sich in dieser brillianten Inszenierung, die den Spielplan des Essener Theaters bereichert und zu Recht mit minutenlangem Beifall von den Premierengästen belohnt wurde.

Karten kosten je nach Platzkategorie zwischen 8 und 21 Euro und können online unter www.schauspiel-essen.de, telefonisch unter 0201-81 22 200 reserviert oder vor Ort im TicketCenter, I.Hagen 26, 45127 Essen, gekauft werden.

(ms)
Fotos: Schauspiel Essen/Thomas Aurin

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