Veranstalterin Stefanie Carp, Foto: Daniel Sadrowski

Ruhrtriennale 2018

Zum ersten Mal findet die Ruhrtriennale dieses Jahr unter der künstlerischen Leitung von Stefanie Carp statt. Mit ihrem internationalen Programm rückt sie dabei besonders den gesellschaftlichen Wandel unserer Zeit in den Fokus. Ehemalige Industriehallen der Metropole Ruhr werden im August und September zum Spielort für Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Musik und Kunst-Installationen bei diesem außergewöhnlichen Kulturfest.

Veranstalterin Stefanie Carp, Foto: Daniel Sadrowski

[ruhr-guide] Eine Zeit der inspirierenden Begegnungen und gemeinsame Erfahrungen. Vom 9. August bis 23. September 2018 werden 33 verschiedene Produktionen und Projekte an insgesamt 12 unterschiedlichen Spielorten in der Metropole Ruhr zu sehen sein. Es steht wieder ein breites Spektrum von Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Kunstinstallationen und Konzerten auf dem Programm, die – typisch für die Ruhrtriennale – mit den starren Regeln des Etablierten spielen und neue, visionäre und innovative Wege in die darstellende Kunst weisen. Zum ersten Mal übernimmt Stefanie Carp die künstlerische Leitung des Festivals und rückt damit den Fokus in eine neue Richtung.

Ein Stadium der Zwischenzeit

Bei der ersten Ruhrtriennale unter der künstlerischen Leitung von Stefanie Carp steht der aktuelle gesellschaftliche Wandel im Zentrum des Festivals: „Noch nie haben wir so stark empfunden, dass sich innerhalb kurzer Zeit alle unsere Lebensumstände verändern werden“, erklärt die neue Intendantin. Die Vertreibung und Ausgrenzung migrierender Menschen fordere immer mehr die Beteiligung unserer Gesellschaft. Mit ihrem Programm möchte sie daher die Menschen motivieren, das aktuelle Stadium der Zwischenzeit als eine Chance zu sehen, die sozialen und kulturellen Veränderungen aktiv mitzugestalten, anstatt in einem Zustand der Angst zu verharren. Das neue Festivalzentrum der Ruhrtriennale, ein Flugzeug, das die Künstler- und Architektengruppe raumlaborberlin für den Vorplatz der Jahrhunderthalle in Bochum entworfen hat, steht symbolisch für das Stadium der Zwischenzeit. Der Veranstaltungsraum mit dem Namen „Third Space“ kann innerhalb der nächsten drei Jahre immer weiter ausgebaut oder umgestaltet werden. Gemeinsam mit dem Artiste associé Christoph Marthaler möchte sie mit ihrem internationalen Programm ein Statement gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung jeder Form setzen und einen Zugang zu anderen Perspektiven als unserer westlichen eröffnen. Die Musiktheater-Kreation „Universe, Incomplete“, die am 17. August in der Jahrhunderthalle in Bochum uraufgeführt wird, ist die zentrale Produktion von Christopher Marthaler. Inspiriert von dem unvollendet gebliebenen „Universe Symphony“ des amerikanischen Komponisten Charles Ives (1875-1954), verwandelt er gemeinsam mit dem Dirigenten Titus Engel und der Bühnenbildnerin Anna Viebrock die Jahrhunderthalle in einen szenisch-musikalischen Raum und lädt das Publikum dazu ein, unser heutiges Lebens aus einer zukünftigen Perspektive zu betrachten. Zu dem Ensemble gehören insgesamt 150 Darsteller und Darstellerinnen, darunter das Orchester der Bochumer Symphoniker.

Die Geschichte der Ruhrtriennale

Schon während der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA) wurden viele Industriedenkmäler für die Kultur entdeckt. Als diese dann nach zehn Jahren 1999 endete, schien der nächste Schritt aus heutiger Perspektive naheliegend. Dennoch dauerte es drei Jahre, bis 2002 die Ruhrtriennale in ihre erste Spielzeit startete. Die alten Hallen und stillgelegten Zechen, die im Zuge der IBA positiv ins Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt waren, stellen bis heute mit ihrer einzigartigen Ästhetik die idealen Spielstätten für dieses Festival der Künste dar. Von Beginn an prägen die künstlerische Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Geschehnissen die Ruhrtriennale ebenso wie die spartenübergreifende und innovative Konzeption der gezeigten Produktionen. Genregrenzen-durchbrechende darstellende und bildende Kunst vor den einzigartigen Kulissen stillgelegter Industrieanlagen wurde seitdem zum Aushängeschild der Ruhrtriennale. Den Grundstein dafür legte der erste Intendant Gerard Mortier, als er genreübergreifend bildende Künste, klassische und moderne Unterhaltungsmusik, Literatur, Oper und Theater ins Programm nahm und dem Festival so ein breites Spektrum eröffnete, das bis heute kennzeichnend ist. Der Dialog zwischen Produktion und Aufführungsort war prägend für den ersten Zyklus der Ruhrtriennale. 2005 wurde dann Jürgen Flimm Intendant der Ruhrtriennale, und blieb es durch den Tod von Maria Zimmermann ausnahmsweise für vier Jahre. Er machte die Auseinandersetzung zwischen Moderne und den historischen Epochen Romantik, Barock und Mittelalter zum Thema seiner Intendanz. 2008 folgte dann das Motto „Aus der Fremde“. Opernregisseur Willy Decker rückte als Intendant in den Jahren 2009 bis 2011 das Spannungsfeld zwischen Kunst, Kreativität und Religion in den Fokus der Ruhrtriennale. Nacheinander thematisierte er jüdische, islamische und buddhistische Ideen. Während seiner Intendanz in den Jahren 2012 bis 2014 lenkte der Theatermacher und Komponist Heiner Goebbels den Blick auf moderne Entwicklungen in der internationalen kunstschaffenden Szene. Zuletzt übernahm der niederländische Theater- und Opernregisseur Johan Simons die Leitung der Ruhrtriennale. Unter dem Leitmotiv „Seid Umschlungen“, welches sich durch die gesamten drei Jahre seiner Intendanz-Zeit zog, verknüpfte er lokale mit globalen Themen und fokussierte sich mit einem vielseitigen und kostenlosen Programm auf die Erschließung neuer Zielgruppen.

The Head and the Load, Foto: Ursula Kaufmann

Festival der Künste

Als Festival der Vielfalt präsentiert die Ruhrtriennale 2018 Musiktheater, Schauspiel, Installation, Tanz und Musik auf gewohnt unkonventionelle Art und Weise. Es wird wieder ein breiter Bogen zwischen Genres und Epochen gespannt. Die Kraftzentrale Duisburg eröffnet am 9. August die Ruhrtriennale 2018. Die Produktion „The Head and the Load“ von William Kentridge ist eine Kreation aus Musiktheater, Tanz und Bildender Kunst und thematisiert die Rolle Afrikas im ersten Weltkrieg. Vorab hält die indische Atomphysikerin und Aktivisten die Eröffnungsrede in der Gebläsehalle Duisburg und spricht über ihre Vorstellung der globalen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Auch Matthias Osterwold setzt sich in seiner Reihe „MaschinenHausMusik“ mit dem Stadium der Zwischenzeit auseinander. Die audio-visuell geprägten Konzerte stellen Musiker und Musikerinnen in den Vordergrund, die ihre Wurzeln in den Regionen östlich des Mittelmeerraumes haben. Diese Regionen sind teilweise von schweren politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen geprägt. Im Bereich Tanz steht unter anderem das Tanztheater des aus Burkina Faso stammenden Choreografen Serge Aimé Coulibaly auf dem Programm. Unter dem Titel „Kirina“ macht der Choreograf auf die Migration innerhalb Afrikas aufmerksam und hinterfragt dessen kulturellen Transformationen. Die Uraufführung „Diamante. Die Geschichte einer Free Private City“ in der Kraftzentrale Duisburg bietet seinem Publikum eine außergewöhnliche Art der Rezeption. Während der sechsstündigen Aufführung haben die Zuschauer und Zuschauerinnen die Gelegenheit, einen Teil der Privatstadt Diamante, welche vor 100 Jahren von einem deutschen Industriellen im argentinischen Dschungel erbaut wurde, selbst zu erkunden. Unter dem Motto „Wir haben keine Angst. Wir wollen alles“ beschäftigen sich 40 Jugendliche innerhalb des Stadtprojektes #nofear der Jungen Triennale mit den Ängsten junger Menschen. Ihre Ergebnisse zu dem Thema Sexualität präsentieren die Jugendlichen sowohl in einem Podcast als auch auf der Bühne von PACT Zollverein.

Urbane Künste Ruhr – Kunst im öffentlichen Raum

Auch das Team von Urbane Künste Ruhr, ein Netzwerk aus Künstlern sowie Kultureinrichtungen der Region, ist wieder Teil der Ruhrtriennale 2018. Unter dem Titel „Vom Nutzen der Angst – The Politics of Selection“ stellt die Künstlerin Peggy Buth die Unternehmenskultur der Friedrich Krupp AG vor. Mit Hilfe von Archivmaterial sowie von den Arbeitern gesammelten Zeugnissen erzählt sie die Geschichte eines Unternehmens, welches die geschichtlichen Zusammenhänge und sozialen Verhältnisse im Ruhrgebiet maßgebliche geprägt hat. Die Ausstellung, welche durch zahlreiche Vorträge und Gespräche ergänzt wird, findet in der ehemaligen Kirche St. Barbara in Duisburg-Rheinhausen statt. Die Kirche befindet sich in unmittelbarer Nähe zu dem Ort, wo die Arbeiterkämpfe der Kruppianer gegen die Schließung des Hüttenwerks in den späten 1980er-Jahren ihren Ursprung nahmen.

Spielorte in der Metropole Ruhr

Gemäß dem Konzept als dezentrales Festival der Künste sind die Spielstätten der Ruhrtriennale über die gesamte Metropole Ruhr verteilt. Stillgelegte Industriestandorte in Bochum, Dinslaken, Dortmund, Duisburg, Essen, Gladbeck und Gelsenkirchen verwandeln sich in eindrucksvolle Spielorte mit einzigartigem Ambiente und nicht unerheblichem Charme. Die einzelnen Programmpunkte werden so zu einmaligen Erlebnissen. Unter den 33 verschiedenen Produktionen sind 20 Eigen- und Koproduktionen, 16 Uraufführungen, Neuinszenierungen, Deutschlandpremieren und Installationen, die hochaktuelles und visionäres künstlerisches Schaffen auf die Bühnen der Ruhrmetropole bringen.

Ruhrtriennale 2018

Festival der Künste
Musiktheater, Schauspiel, Installation, Tanz, Musik
12 Spielstätten im Ruhrgebiet

9. August bis 23. September 2018

Weitere Informationen unter: www.ruhrtriennale.de

Fotos: Ruhrtriennale, Daniel Sadrowski, Ursula Kaufmann

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