Antichrist

Antichrist

Lars von Trier ist wohl einer der extremsten Filmemacher Europas. Seine Werke sind schonungslos, sie provozieren und spalten gleichermaßen Publikum und Kritiker. In „Antichrist“ muss ein Ehepaar den Unfalltod ihres Kindes verkraften und zieht sich dazu in die Abgeschiedenheit eines Waldes zurück. Dort erleidet sie (Charlotte Gainsbourg) eine schwere Psychose und verliert sich in Trauer und Schuldgefühlen. Er (Willem Dafoe) ist Psychiater, will sie therapieren. Zu spät realisiert er, das viel mehr hinter dem Verhalten seiner Frau steckt …

[ruhr-guide] Als „Antichrist“ im September 2009Antichrist in den deutschen Kinos anlief, wurde dieser Filmstart von verschiedensten Berichterstattungen durch die Fach- und Tagespresse begleitet. Findet sich im Querschnitt der Filmkritiken bei „üblichen“ Werken zumeist eine Wertungstendenz, war dies bei „Antichrist“ nicht der Fall. Die Verwirrung, die der Zuschauer nach dem Film empfindet, schlägt sich eindeutig in der Berichterstattung der schreibenden Zunft nieder. Die Lob- und Kritikansätze waren verschiedenartig wie kaum zuvor. Auf der einen Seite wurde von Triers explizite Darstellung von Gewalt und Sexualität kritisiert. Die Atmosphäre des Films, seine symbolischen Bilder sowie die Vermittlung des seelischen Zustandes der Figuren im Gegenzug aufs Höchste gelobt.

Preisregen

„Antichrist“ war im Wettbewerb des Internationalen Filmfestival von Cannes vertreten, gewann den Europäischen Filmpreis für die Beste Kamera und war in zwei weiteren Kategorien nominiert. Hauptdarstellerin Charlotte Gainsbourg hat zurecht den Preis als Beste Schauspielerin aus Cannes mit nach Hause nehmen können. Hinzu kommen diverse Auszeichnungen der dänischen Filmwirtschaft. Demnach ist festzuhalten, dass der Film neben der großen Entrüstung auch bei vielen positiv aufgenommen wurde. Das Kunstfilme an sich ein gern diskutierter Kulturgegenstand sind, haben bereits etliche Beispielfälle vorher gezeigt. Um ein solches zu nennen, sei an dieser Stelle auf Michael Winterbottoms „9 Songs“ hingewiesen, der erst nach einem monatelangen Diskurs als Kunstfilm akzeptiert wurde. So wird auch bei von Triers „Antichrist“ lange zu beobachten sein, dass die Waage zwischen positiver und negativer Rezeption dynamisch hin und her schwenken wird.

Harter Psychotrip

Betrachtet man den Psychotrip Filmszene aus Antichristunter inhaltlichen Gesichtspunkten, ist die dramatische Ausgangslage schnell erklärt. Während Mann und Frau Sex haben, stürzt der kleine Sohn aus dem Fenster. Getrieben von Schuldgefühlen verschlechtert sich der psychische Zustand der Mutter zusehends. Die Figur bleibt über den gesamten Film unbenannt und wird simpel als „Sie“ bezeichnet, „Er“ ebenso. Er setzt sich als Psychiater über alle Regeln hinweg und beginnt sie zu therapieren, vermag es allerdings kaum zu ihr vorzudringen – zu heftig ist die durch den Tod des Sohns ausgelöste Psychose. Um ihre Ängste „an der Wurzel zu packen“, reisen Beide an einen Ort, der für „Sie“ voller Angst ist: Eine „Eden“ genannte, inmitten eines Waldes gelegene Holzhütte, die einen Sommer zuvor als Urlaubsort für Mutter und Sohn fungierte. Entgegen seinen Erwartungen tritt keine Besserung ein. Im Gegenteil: In „Eden“ manifestieren sich ihre Ängste, der Film wird zum psychotischen Horror indem er schonungslos das innere Seelenleben seiner Protagonistin offenlegt. In harten, expliziten Bildern lässt Lars von Trier die Zuschauer am Leiden seiner „Sie“ teilhaben. Durch die bedrohliche Bildgestaltung werden ihre Emotionen vermittelt. Dunkle Wälder, sprechende Tiere und eine enorm beklemmende Soundkulisse sind die Stilmittel, welche das Grauen erlebbar machen.

Große Herausforderungen für Darsteller und Regie

Lange Zeit realisiert „Er“ nicht, wie es um „Sie“ bestellt ist. Erst als es für ihn fast zu spät ist, wird ihm die prekäre Lage bewusst. Der Film zeichnet den zunehmenden Illusionszustand seiner weiblichen Hauptfigur extrem gut nach. „Antichrist“ muss eine besondere Herausforderung für alle Darsteller bedeutet haben, denn derart schwierige Rollen lassen einen mit Sicherheit nicht mit Drehschluss los. Dafoe und Gainsbourg liefern ihrerseits Leistungen der Extraklasse ab. Gerade die Gewalt- und Sexszenen wirken sehr fordernd und schonungslos, sind sicherlich auch für erfahrene Schauspieler diesen Kalibers nicht einfach zu spielen. Der Regisseur spricht in einem Interview von Gainsbourg als Idealbesetzung. Sie hätte jegliche Auflagen anerkannt, ihre Figur verinnerlicht und so das bestmögliche Ergebnis erzielt. Auch Gainsbourg spricht in dem ausführlichen Interview, welches in den Specials der DVD/Blu-ray zu finden ist, über ihre Beweggründe. Weiter sind die Eigenheiten dieser Produktion Thema, Gainsbourg erklärt ihre große Motivation zur Mitarbeit bei diesem Film mit der Überzeugung von der starken Story wie auch dem Wunsch, mit dem Regisseur zusammen zu arbeiten. Auch Dafoe habe sich nahtlos eingefügt, sodass trotz des schweren Plots im Produktionsumfeld alles gestimmt habe. Dies merkt man der Produktion an, denn sowohl das gemeinsame Agieren der Darsteller wie auch die treffsichere, fordernde Regie greifen merklich ineinander. Und das unter problematischen Voraussetzungen, denn von Trier litt während der Dreharbeiten an einer schweren Depression, welche die Arbeit zusätzlich erschwerte. Seine persönlichen Probleme haben jedoch auch geholfen, die menschlichen Abgründe zu zeigen, in die „Sie“ abdriftet, so der Regisseur.

Gute Umsetzung auf DVD und Blu-ray

Die Umsetzung des Films auf DVD wie auch Blu-rayFilmszene aus Antichrist ist vortrefflich gelungen. Bild und Ton sind hervorragend. Wobei sich das Bild nicht mit gängigen HD-Maßstäben vergleichen lässt, da viele Unschärfen, verwischte Konturen und matte Farben zu den Stilmitteln gehören. Im Format DTS HD 5.1 sind die deutsche Synchronisation wie auch das englische Original enthalten, deutsche Untertitel sind optional einblendbar. Die Blu-ray bringt üppige Specials mit, die sich über eine Laufzeit von ca. 120 Minuten erstrecken. Trailer, diverse Making of-Featuretten, ausführliche Cast und Crew-Interviews sowie der Audiokommentar vom Regisseur höchst persönlich sind enthalten. Hier kann von einer sehr guten Ausstattung gesprochen werden und so empfiehlt sich der Kauf des fordernden Psychodramas allen Interessierten, die sich gerne abseits von Hollywood bewegen und nicht vor deftigen Bildern, dem Thema und den vielen Herausforderungen fürs Gemüt zurückschrecken.

Fotos: ASCOT ELITE Home Entertainment GmbH
(mo)

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