SinCity 6

Buchrezension: „Sin City“ – Bände 5, 6 und 7

Das Gangster-Moloch „Sin City“ breitet abermals den dunklen Nebel des Verbrechens über seine düsteren Straßenzüge aus. Verruchte Hinterhofecken, kleine Gassen und die hohen Häuserdächer bergen Gefahren in Hülle und Fülle. 2011 legte der Cross Cult-Verlag die kultige graphic novel-Reihe im schicken weißen Design neu auf.

[ruhr-guide] Zwischen Frühjahr und Sommer 2011 erschienen die ersten vier Bände, SinCity 6seit Winter 2011 sind nun auch die restlichen drei Bücher „Familienbande“, „Bier, Bräute und Blaue Bohnen“ und „Einmal Hölle und zurück“ erhältlich. Noch einmal laufen die sündigen Bewohner der Stadt ohne Gnade zur Bestform auf. Auf Rache sinnende Mafiapaten, ein schwellender Bandenkrieg, Menschenhandel – Sin City vereint die skrupellosesten Kriminellen, denen nur Wenige aufrecht entgegentreten. Die Bände fünf und sechs sowie der abschließende siebte Teil verheissen spannende Unterhaltung auf allerhöchstem zeichnerischen Niveau. Comiclegende Frank Miller präsentiert sich ein weiteres Mal in Topform!

Familienbande

Der brutale Mord an der Nichte des örtlichen Mafiapaten hat weitreichende Folgen. Dieser sinnt vehement auf Rache. Nach langer Suche ist die Spur des Killers gefunden, es kommt zum unvermeidlichen Blutbad. Der nun bevorstehende Bandenkrieg würde die Stadt aus den sowieso schon labilen Fugen werfen, weshalb Dwight – der Protagonist aus Band 3 „Das grosse Sterben“ – alles unternimmt, den Schaden einzudämmen. An seiner Seite steht Miho, eine zielsichere Schwertkampf-Amazone ohne jegliche Skrupel … Bereits die ersten vier Bände waren in Gestaltung und Story eindrucksvoll, hart und direkt: Frank Millers Welt beschränkt sich auf die eher düsteren Seiten der menschlichen Existenz, die nahezu ungefiltert in Sin City – dem Verbrechensmoloch schlechthin – aufeinanderprallen. Seine Figuren sind gezeichnet vom schweren Leben zwischen Drogen, Alkoholismus und Prostitution. Gesetzeshüter sind korrupt, die Politik spielt ihr eigenes, undurchsichtiges Spiel. Exzesse hüben wie drüben, die menschlichen Individuen versinken ins Bodenlose. Ein eindrucksvolleres Noir-Szenario hätten auch die Filme der Schwarzen Serie, die zwischen den 40er und 50er Jahren ihre Hochzeit hatten, nicht erschaffen können. Nahezu gleichwertig spannend erscheint die Dramaturgie von „Familienbande“, die rasant fortschreitet und zielgerichtet auf den spannungsvollen Höhepunkt zusteuert. Miller versteht es vortrefflich, den Leser an sein Werk zu binden.

Aussergewöhnliche Erfahrung: Der Exzess des menschlichen Verderbens

Diese Sogwirkung ist ohne Ausnahme in allen sieben Bänden präsent. Wer sich auf Leserseite dem finsteren SzenarioSinCity 5 hingeben kann, erlebt Unterhaltung erster Güte. Visuell kunstvoll und inhaltlich ausgefeilt, webt Frank Miller die Handlungsstränge zu diesem im Gesamteindruck absolut überzeugenden Machwerk zusammen. Die Seiten der einzelnen Bände blättern sich nahezu von selbst um, zitternd und bebend verfolgt der Leser die abgründigen Abenteuer der gequälten Antihelden. Zudem ist Millers Zeichenstil mehr Kunst als Comic. Auf starken Kontrasten basierend, kommen die Bände hauptsächlich mit Schwarzweiss-Elementen aus. Verirrt sich dann doch einmal ein Farbkleks in das eindrucksvolle Schaffen, ist deren Einsatz von brachialer wie durchdringender Stärke und imposanter Signalwirkung. Miller erzählt mit jedem Panel mehr als andere in einem ganzen Comicbuch.

„Bier, Bräute und Blaue Bohnen“

Differierend zu den Vorgängerbüchern, erzählt Miller mit „Bier, Bräute und Blaue Bohnen“ keine durchgängige Story, sondern sammelt vielmehr Kurzgeschichten über die sündige Stadt und ihre Bewohner. Auch dieses Format passt bestens ins Konzept. Auf unterschiedliche Weise wird hier das vielfältige Treiben, Leben und Überleben aus verschiedensten Perspektiven betrachtet. Figuren aus anderen Sin City-Geschichten agieren mit bisher unbekannten Charakteren, Verbrecher, Auftragskiller, Prostituierte. Mal wortlos, mal redselig, zeigt Miller spannende, bewegende und schockierende Episoden aus dem von ihm geschaffenen Universum. Der Band zeigt zudem, wie sehr Figuren und Geschichten der sieben Bände miteinander verbunden sind. Das Gesamtwerk nimmt Form an!

„Einmal Hölle und zurück“

Mit dem abschließenden Band sieben geht die graphic novel-Reihe einem furiosen Ende entgegen. Frank Miller fährt für „Einmal Hölle und zurück“ schweres Geschütz auf. Der 320 Seiten starke Wälzer führt noch einmal in die dunklen Grauzonen von Sin City. SinCity 7Zahlreiche Verbrecher geben sich in diesem undurchsichtigen Entführungsfall die Klinke in die Hand, die zahlenmäßig weit unterlegenen Antihelden stehen einer schier übermächtig erscheinenden Fraktion gegenüber. Miller zeigt noch einmal die ganze Stärke seiner brachialen Schöpfung. Der Leser wird nach wenigen Seiten gepackt, gefesselt und in die Story um den hochdekorierten Ex-Militär Wallace hereingezogen, der eines Abends die faszinierende Esther vor dem Selbstmord bewahrt. Noch bevor er herausbekommt, was hinter der Verzweiflungstat steckt, findet er sich ausser Gefecht gesetzt, auf dem harten Asphalt der sündigen Stadt wieder. Fortan macht sich der bestens im Nahkampf erprobte Wallace auf die Suche und stellt sich einer ganzen Riege wilder Verbrecher. „Einmal Hölle und zurück“ ist Krimi, Thriller und Noir-Story in einem. Auf höchstem Niveau spielt die Geschichte des einsamen Helden, der sich dem ultimativ Bösen entgegenstellt. Alle Zutaten für den klassischen Mix dunkler und abgründiger Geschichten sind gegeben: Der undurchsichtig agierende Gegner, eine femme fatale sondergleichen. Wenn die verfeindeten Seiten aufeinander treffen, wird’s hart, blutig und erbarmungslos.

Siebenbändige Neu-Edition als Eyecatcher in jedem Buchregal

Band sieben zeichnet sich wie seine Vorgänger durch Millers unverkennbaren Stil aus, mit Kontrasten und lediglich schwarzen und weissen Flächen mehr auszudrücken, als andere es auf der durchkolorierten, doppelten Seitenzahl schaffen. Die gesamte Reihe ist ein optisches Kunstwerk der Spitzenklasse, dass die Finsternis menschlicher Existenz als Leitthema aufgreift, interpretiert und exzessiv überspitzt verarbeitet. „Einmal Hölle und zurück“ weist jedoch eine kleine Spielart auf, die den Band von seinen Vorgängern abhebt: Der punktuelle Einsatz farbiger Panels bzw. Bildelemente lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers und verdeutlicht einmal mehr die Motivation der Hauptfigur. Eine ganz besondere Gestaltungsweise hat Miller für die Visualisierung eines Drogentrips gewählt. Ausufernd kreuzt er Farben, Zeichenstile und fantastische Elemente, die den Leser am Erlebnisspektrum des unter Drogen gesetzten Wallace teilhaben lassen. Im Zusammenspiel mit den traditionell starken Schwarzweiss-Zeichnungen verdeutlicht die Reihe hier nochmals ihre visuelle Opulenz, den Einfallsreichtum ihres Schöpfers, der etwas Bleibendes geschaffen hat. Der Cross Cult Verlag hat mit dieser Neu-Edition genau ins Schwarze getroffen. Durch die weißen Cover wirken die edlen Hardcoverbände wertig, ansprechend und machen aus den sieben Bänden einen unübersehbaren Blickfang im Buchregal eines jeden Lesers! Zum Ende des Bandes erhält der treue Leser quasi als Belohnung eine kleine Draufgabe: Hier findet man auf einigen Seiten die Cover-Galerie (ebenfalls Band sechs) und einige Pin-Ups. Auch hier sticht die schier grenzenlose Variabilität des Sin City-Looks heraus.

(mo)

Fotocredit: Cross Cult-Verlag

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