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Buchrezension: Stefan Volk – Skandalfilme – Cineastische Aufreger gestern und heute

Protestierende Zuschauer, verwüstete Kinosäle, erzürnte Presse – Skandalfilme sorgten und sorgen stets für erhitzte Gemüter und ziehen nicht selten vielfältig diskutierte Entscheidungen bei Zensurorganen oder Politkern nach sich: Wenn Film auf Gesellschaft prallt, beginnt es zu rumoren. Buchautor Stefan Volk berichtet in seinem Werk „Skandalfilme – Cineastische Aufreger gestern und heute“, welches sich detailliert dem Empörungskino widmet, von diesen Filmen und ihrer Geschichte.

[ruhr-guide] Stefan Volk untersucht weitläufig von den Anfängen des Kino bis heute: Beginnend bei den frühen Werken wie Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ über Ingmar Bergmans „Die Zeit mit Monika“, Pasolinis „Die 120 Tage von Sodom“ bis „Die letzte Versuchung Christi“, „Basic Instinct“ und „Die Passion Christi“. Das im Schüren Verlag erschiene Werk informiert reichhaltig und umfassend über Epochen, gesellschaftliche Reaktionen und die ausgelösten Veränderungen des zumeist konservativen Wertesystems.

Das Kunst und Kultur zweifelsohne in einer regen Wechselbeziehung mit allen Feldern des Skandalfilme, Copyright: " title=gesellschaftlich-politischen Lebens stehen, wird zumindest im Programmkino immer wieder eindrucksvoll bewiesen. Doch hin und wieder haben auch große Produktionen den Mut, anders zu sein. Sie wollen aufrütteln, provozieren und Stellung beziehen. Schnell wird dann von Skandalfilmen gesprochen, die aus den unterschiedlichsten Gründen von verschiedensten Akteuren verurteilt und verteufelt werden. Das derartige Werke schon immer Teil der cineastischen Kultur waren, beweist der freie Journalist, Film- und Literaturkritiker Stefan Volk mit seiner vorzüglichen, 315 Seiten umfassenden Arbeit, die vom Anbeginn der Filmgeschichte bis in die jüngere Vergangenheit Werke bespricht, die über enormes Reibungspotential verfügen und massive Diskussionen auslösen.

Warum wird ein Film zum Skandal?

Bei der Lektüre wird eins klar: Film fordert den Zuschauer und seine moralischen wie sozialen Wertvorstellungen. Die „Skandalfilme“-Lektüre ist besonders interessant, da sich viele Auffassungen über die Jahre weitreichend veränderten: Warum „Kiss“ von 1896 als „schlechthin widerwärtig“ bezeichnet wurde, ist heute kaum noch verständlich. Das der französische „Baise-Moi“ als Skandalfilm gilt, ist anhand der ausufernden Darstellung von Sexualität und Gewalt kein Wunder. Der Autor blickt hinter den Deckmantel aller Aufregung und erklärt die Werke als solche und sieht sie in ihrem spezifischen Kontext. Anstatt sich ausschließlich auf die Filme zu konzentrieren, widmet sich Volk vor allem dem gesellschaftlichen Umfeld und der Zeit, in der das entsprechende Werk aufgeführt wurde. Ein Skandal lässt sich häufig nur dann verständlich nachzeichnen, wenn die Rahmenbedingungen der Filmaufführung deutlich sind. Die Werke, die offen und fragwürdig mit politischen, pornographischen oder gewaltschwangeren Sachverhalten umgehen, schnell zum Diskussionsschwerpunkt empörter Gemüter werden, leuchtet rasch ein. Für alle anderen Fälle bietet Stefan Volk vorbildlich recherchierte Fakten, die in stets gut lesbaren Texten vorbildlich aufgearbeitet werden.

Zensur und sich verändernde Wertvorstellungen

Besonders aufschlussreich sind Volks Betrachtungen von Zensur und den entsprechenden Vorgängen. Das Kürzen und Schneiden von Filmen wurde seitens der zuständigen Institutionen oftmals zur Auflage gemacht. „Die Liebenden“ von Louis Malle hätte beispielsweise keine Aufführungsrechte erhalten, wenn nicht einige Sequenzen entschärft worden wären. Und auch so bescherte die Aufführung einigen Kinobetreibern Ärger mit Justiz und Polizei. Der Autor zeichnet dazu die sich in den Jahren verändernden Statuten und Auffassungen in Gesellschaft und Zensurbehörden nach. Was gezeigt werden darf und was nicht, variierte mit der Zeit enorm. Auffällig ist, dass sich die Verbote und Kürzungen überwiegend auf die Darstellung von Sexualität beziehen. Brutalität und Gewalttätigkeit sind weitaus geringer Gegenstand der Reibereien als nackte Haut. Auch diese Betrachtungen Stefan Volks sind für Film- und Kinofreude hochgradig interessant und aufschlussreich.

Chronologischer Aufbau

Mit dem Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt sich der chronologische Aufbau in sieben Kapiteln: Ab den 1950er Jahren werden die Filme jeden Jahrzehnts innerhalb eines geschlossenen Kapitels genauestens betrachtet und beschrieben. Alle früheren Titel finden sich zusammengefasst. Das Vorwort und die ausgiebige Einleitung fungieren als grundierte Einführung und machen die Herangehensweise des Autors für den Leser nachvollziehbar, beide Texte bieten damit einen guten Einstieg in die folgenden Kapitel. Volk versäumt es nie, die Filme in den Kontexten ihres Erscheinens zu sehen. Zu jedem Jahrzehnt bietet das Buch einen mehrseitigen Einleitungstext, der die Geschehnisse grob aufarbeitet, bevor die Titel einzeln ausführlichst besprochen werden. In den Texten spielen politische Verhältnisse wie auch gängige Wertvorstellungen und kulturelle Entwicklungsstatuten immerzu eine wichtige Rolle – ohne diese weitreichenden Bezüge könnte ein Film nicht als Skandal betrachtet werden, die vorherrschenden Wechselwirkungen überraschen mehrfach in Intensität und Auswirkung.

Breitgefächerte Auswahl

Neben dem hinreichend bekannten Hollywoodkino werden zusätzlich Produktionen aus aller Welt in die Betrachtungen einbezogen, eine deutliche Aufwertung des Buches. Denn so rückten auch die Werke europäischer Filmemacher in den Fokus, die viel Kreativpotential beisteuerten. Darüber hinaus wird das globale Geschehen betrachtet, Filme aus aller Welt werden analysiert, seziert und genauestens beschrieben. Insgesamt gesehen bietet das Buch eine Vielzahl interessanter Titel aus unterschiedlichen Epochen, Ländern, oder Genres. Unmöglich alle aufgeführten Werke zu kennen, weshalb sich „Skandalfilme“ auch eignet, Neues für sich zu erschließen. Das Kapitel der Filme ab dem Jahr 2000 ist mit lediglich drei Titeln etwas dünn geraten, Gaspar Noés „Irreversibel“, Michael Winterbottoms „9 Songs“ oder „Shortbus“ wären dort nicht falsch platziert. Die Auswahl früherer Epochen überzeugt hingegen auf ganzer Linie, da alle zu erwartenden Vertreter sind ebenso vorhanden sind, wie ein paar Überraschungen, welche den Informationsgewinn zusätzlich erhöhen und ganz nebenbei das Lesen unterhaltsamer gestalten. Begleitend zum Buch geht übrigens die Webseite www.skandalfilm.de an den Start.

Copyright: „Schüren Verlag“

(mo)

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