Festivalkino: "Lola" und "Kinatay" in Bochum und Dortmund
Die Programmkinos der Region zeichnen sich insgesamt gesehen durch einen anspruchsvollen und vielseitigen Spielplan aus, der regelmäßig beweist, dass auch abseits von Hollywood sehenswerte Filme produziert werden. Leider wird dieses Engagement häufig nur mangelhaft gewürdigt, die Zuschauerzahlen könnten besser sein.
Archiv: 07.09.2010 [ruhr-guide] Wer schon immer einmal in dieses breit gefächerte Feld des "Anderen Kinos" einsteigen wollte, hat im September in Bochum und Dortmund eine gute Chance dazu: Das Endstation Kino im Bahnhof Langendreer (Bochum) und das Sweet Sixteen - Programmkino im Depot (Dortmund) zeigen Brillante Mendozas Festivalerfolge "Lola" und "Kinatay", zwei eindrucksstarke Vertreter des philippinischen Gegenwartskinos.
Brillante Mendoza, Jahrgang 1960, ist ein wichtiger Vertreter der philippinischen Filmschaffenden. Die Arbeiten des Regisseurs sind unkonventionell, rau und zeigen ein ungeschöntes Bild von Leben und Gesellschaft seines Landes. Das Mendozas Filme meist fernab der kommerziellen Filmindustrie auf Gefallen stoßen, kann er verkraften, denn als Dauergast auf Filmfestivals rund um den Globus kann er trotzdem seine Visionen erfolgreich nach außen tragen. Für "Kinatay" konnte Mendoza 2009 den Regiepreis in Cannes gewinnen, eine große und wichtige Auszeichung innerhalb der Branche.
"Lola" hingegen lief 2009 im Programm der renommierten Filmfestspiele von Venedig, gewann in Miami den Grand Jury Prize; bereits Mendozas Erstling "The Masseur" wurde in Locarno 2005 mit dem "Goldenen Leoparden" im Videowettbewerb ausgezeichnet. Der Regisseur trifft mit seinen Themen regelmäßig den Geschmack der Festivaljurys, obwohl "Kinatay" in Cannes kurioserweise als miesester Beitrag beschimpft wurde, aber später den Preis für die "Beste Regie" gewann. Nicht die einzige kritische Reaktion, die der Film auslöste, der jedoch ebenso viele lobende Worte für sich gewinnen konnte. "Kinatay" ist ein Film, an dem man sich durchaus reiben kann.
"Lola" und "Kinatay" zeigen Menschen, die an extremen Orten, slum-ähnlichen Gegenden überleben, weil sie schlicht und einfach keinen anderen Platz haben. Meist gehören Mendozas Protagonisten der einkommensschwachen Unterschicht an, müssen um jeden Cent ringen und sich aufreiben, um Überleben zu können. Der Regisseur vermittelt darüber hinaus gesellschaftliche Werte, wie den wichtigen Stellenwert der Familie für alle Filipinos. Immer wieder legt er den Finger in die Wunden seines Landes und präsentiert die Missstände. Fernab jeden Urlaubskataloges sind die Bilder seiner Werke entstanden, so ist der Zuschauer jederzeit extrem "nah" am Geschehen. Handlungsort beider hier vorgestellten Filme ist der Großraum Manila, die Hauptstadt der Inselgruppen.
"Lola"
In "Lola" erzählt Regisseur Mendoza die Geschichte zweier Großmütter aus der sozialschwachen Unterschicht Manilas, die
Dem Regisseur gelingt bei der filmischen Aufbereitung der aufopferungsvollen Suche nach Kapital nicht nur das Portrait zweier Großmütter, für die ihre Enkel alles bedeuten, sondern auch die Vermittlung eines einprägsamen Bildes sozialer Zustände in Manila. Dem Zuschauer schnürt sich förmlich die Kehle zu, so bedrückend erscheint die Geldsuche und die damit verknüpfte verzweifelte Hoffnung das jeweilige Ziel irgendwie zu erreichen. Zunächst verfolgt der Film jede Lola einzeln, spannend wird es, als sie sich treffen. Anfängliche Gegensätze werden gezeigt, auf die das Zusammenkommen folgt. Bezeichnend für Mendoza-Filme: Hier sind für ihn die Figuren, die beiden alten Frauen, das Wichtigste - der Mord interessiert ihn kaum, dient quasi nur als Aufhänger der Geschichte.
"Kinatay"
Waren es in "Lola" zwei alte Frauen, die im Fokus von Mendozas Arbeit standen, ist es in "Kinatay" (zu dt. "geschlachtet")
"Kinatay" fordert mit einer interessanten optischen Gestaltung seine Zuschauer heraus, dem jungen Polizeischüler zu folgen und lässt unter anderem eine ca. halbstündige Autofahrt ohne Schnitt oder größere Handlungselemente vorüberziehen. Derartige Szenen waren es, die in Cannes für Aufschreie gesorgt haben. Ungeduldige werden sich fragen, was das Ganze soll. Mendoza wählt diese Sequenz wohl überlegt aus, denn indem wir als Zuschauer in Echtzeit und ohne Schnitte die Fahrt miterleben und immer wieder Nahaufnahmen von Peping präsentiert bekommen, erleben wir dessen angsterfüllte Vorahnung auf das Bevorstehende mit. Die Grausamkeit des Augenblicks wird so auf die emotionale Empfindung des Publikums übertragen.
Selbstverständlich bricht der Regisseur mit derartigen Szenen die Konventionen des gewöhnlichen Hollywoodkinos, doch sollte man sich als Zuschauer auch mit einem solchen stellenweise arg unbequemen Film auseinandersetzen - Denn "Kinatay" ist ein starkes Stück Film, der seine Story mit Hilfe Doku-ähnlicher Aufnahmen mit einer gehörigen Prise Realismus versetzt. "Kinatay" legt keinen Schwerpunkt auf die Gewaltdarstellungen, sondern fokussiert die Umstände, die dazu führen. Dies ist sperrig, jedoch erschließt sich dabei dem aufmerksamen Zuschauer ein ganzer Reigen verschiedenster Eindrücke. Wut, Machtlosigkeit und Ärger keimen auf.
Realismus als Grundthema
Eben dieser Realismus lässt sich in beiden Werken des philippinischen Filmemachers feststellen. Die Kamera
Fast unmenschliche Anstrengungen sind es, die sowohl beide Lolas als auch Peping auf sich nehmen, um an Geld zu gelangen - letzter vielleicht auch, um dieser misslichen Lage einmal entgehen zu können. Zumindest Peping muss dies bitter bezahlen, denn er wird diesen Abend nie wieder vergessen können. Nicht zuletzt ist es die drogensüchtige Prostituierte Madonna (Maria Isabel Lopez), die aufgrund ihrer Schulden in den Kreisel der Gewalt gerät. Geld bzw. das Nichtvorhandensein des Geldes an Stellen, wo es dringend benötigt wird, thematisiert Mendoza als Leitmotiv und zeigt die Auswirkungen der grassierenden Armut dieser Menschen für jeden Einzelnen von ihnen.
"Lola" und Kinatay" in Bochum und Dortmund
Zwei regionale Programmkinos haben die aktuellen Werke von Brillante Mendoza ins Programm genommen: Das Endstation Kino im Bochumer Bahnhof Langendreer zeigt seit letztem Sonntag bis einschließlich kommenden Mittwoch (8.9.) "Lola", wenige Tage später ab dem 23.9. gibt es das Werk in Dortmund im Sweet Sixteen, dem Programmkino im Depot, zu sehen (bis 6.10.). Dieses zeigt bereits jetzt "Kinatay" (seit dem 2.9.), der noch bis zum 15. September im Programm ist. Die Bochumer ziehen an den Tagen 19. bis 21.9. nach und zeigen den Gewinner des Cannes-Regiepreises.
(mo)
Bildquelle: Rapid Eye Movies