Tiger & Turtle in Duisburg. Foto von 2427999by pixabay

Investitionen in die Kultur des Ruhrgebiets

Wie die lokale Kulturszene von Finanzierungsinitiativen profitiert: Lange Zeit galt das Ruhrgebiet als der Kohlenpott. Von Kultur träumten ein paar Hippies. Dominierten in den Ruhrgebietsstädten viel mehr der Fußball und das Schmuddel-Image. 2002 bezog der ehemalige Leiter des Referats Kultur, Jürgen Fischer, sein Büro im Regionalverband Ruhr. Mit dem Ziel, das Ruhrgebiet zur Kulturhauptstadt Europas zu krönen. Nach dem Reglement dürfen nur Einzelstädte für den Titel und die Ausrichtung der Kulturveranstaltungen antreten. So beschloss der Ressortleiter Essen, als Vertreter des Ruhrgebiets ins Rennen zu schicken.

Tiger  & Turtle in Duisburg. Foto von 2427999by pixabay

Mit Erfolg. RUHR.2010 hatte sich gegen deutsche Mitbewerber durchgesetzt und Essen rückte in den Fokus Europas. Der deutsche Musiker Herbert Grönemeyer rockte zur Eröffnungsfeier sein Werk „Komm zur Ruhr“ als sich viele Menschen aus Europa auf den Weg ins Ruhrgebiet machten. Sie wollten mehr über den kulturellen Wandel des Gebiets des Tagebaus erfahren und sich über Investitionsmodelle informieren. Nordrhein-Westfalen zielte mit zahlreichen Förderungen auf den Strukturwandel ab. Sie lockten Investoren und Künstler an, die sich mit dem Ruhrgebiet identifizieren. Bis heute profitiert die lokale Kunstszene von Zuschüssen durch das Land und Stiftungen, wie der Regionalverband Ruhr, der jährlich einen festen Betrag der Szene zur Verfügung stellt.

Um in den Genuss der Förderung zu kommen, stellen Künstler und Kulturelle ihre Projekte bis zum 1. September eines Jahres vor und eine Kommission wählt die zu fördernden Kulturprojekte aus. Für die Veranstalter ist das eine willkommene Hilfe, so können die Kreditzinsen niedrig gehalten werden, die sie zur Deckung der Gesamtkosten aufwenden. Kredite sind ein wichtiger Baustein zur Finanzierung von Kulturräumen und für die Nachwuchsschulungen.

2023 förderte der RVR 14 Projekte von kulturellen Vereinen, wie den in Recklinghausen sitzenden Neuer Zirkus Ruhr e.V. Zudem unterstützten sie die Internationalen Kurzfilmtage in Oberhausen, die das 46. Kinder- und Jugendkino veranstalteten. Ohne Fördergelder würde das Ruhrgebiet in der kulturellen Entwicklung stagnieren, weshalb sich regionale und kommunale Politiker erhoffen, dass weitere Geldgeber in die Szene investieren. Aus dem Landeshaushalt fließen jährlich rund 400.000 Euro Fördergelder wie 2018, als NRW einen Fördertopf bereitstellte, für den sich Vereine und Organisationen bewerben durften.

Ziele der Investitionen in die Kulturszene des Ruhrgebiets

Bei diesen Bemühungen der öffentlichen Hand bleibt die Frage, welche Ziele die Macher verfolgen.

Kulturelle Werte des Ruhrgebiets stärken

Die Menschen im Ruhrgebiet legen viel Wert auf ihre Schätze der Historie. Die Knappen, wie Bergbauarbeiter im Pott genannt werden, dienen als Vorbilder für die Schaffung von Wohlstand. Ihnen zu Ehren führen Bühnen in den Ruhrgebietsstädten Theaterstücke mit Bezug zum Tagebau auf. Musiker widmen Lieder, Künstler nehmen sich die Szenerie der Zechentürme in der heutigen grünen Landschaft vor und stellen sie in den Galerien der alten Werkshallen aus. Kohle ist ein wichtiger Identitätsfaktor, hinzu kommt die multikulturelle Lebensweise der Bewohner des Ruhrgebiets.

Kulturelle Vielfalt im Ruhrgebiet

Fördermaßnahmen, wie die Finanzhilfen und Investitionen von Unternehmen und Privatpersonen, stärken das bestehende Netzwerk. Die Menschen aller Kulturszenen in den Städten sollen Verbindungen aufbauen, Projekte entwickeln und die kulturelle Bildung stärken. Das Ruhrgebiet lässt sich nicht in „das ist typisch Deutsch“ einordnen. In der Nachkriegszeit kamen Gastarbeitende aus Italien, der Türkei, Albanien und Osteuropa, um die Städte im Pott wieder aufzubauen. Viele blieben, gründeten Familien und sind mittlerweile tief verwurzelt. Kulturelle Förderungen stärken die Gemeinschaft, ermöglichen ein höheres Verständnis für die Herkunft der Menschen, die einst einwanderten und erlaubt eine einzigartige Diversität.

Kulturelle Bildung in den Ruhrgebietsstädten

Was die Schule nicht lehrt, was Eltern ihren Kindern nicht von Haus aus mitgeben, muss die Gesellschaft auffangen. Die kulturelle Erziehung und die didaktische Lehre erweitern den Horizont eines jeden Bürgers der „Metropole“. In den Städten finden Kinder und Jugendliche direkte Zugänge zu einem bunten Kulturprogramm. Vom Zirkus über Theater bis hin zu Musikfestivals fördern regional ansässige Personen die Bemühungen der Lehrkräfte, Pädagogen und Eltern, kulturelles Verständnis zu entwickeln. Neben jungen Menschen erhalten auch Erwachsene Zugang zu kulturellen Programmen, die über Stiftungen finanziert werden.

Wie nachhaltig war RUHR.2010?

In den Jahren vor der Durchführung investierten die Europäische Union, der Staat und das Bundesland wichtige Anteile für die kulturelle Entwicklung des Ruhrgebiets. Hinzu kamen Finanzierungen durch die örtliche Wirtschaft und dank Spenden entstand ein bemerkenswertes Kulturprogramm. Mit solchen Veranstaltungen verweisen die Herausgeber gerne auf die Nachhaltigkeit. Journalisten haben sich die Frage gestellt, wie nachhaltig das Kulturjahr war und ob es sich heute auf die Kulturszene auswirkt.

Zahlreiche Freiwillige standen zur Verfügung. Sie übernahmen organisatorische Aufgaben oder packten mit ihrer Körperkraft an, dass die Besucher ein einmaliges Erlebnis verspürten. Noch immer treffen sich viele, die damals mithalfen und sie verbindet die Kultur des Ruhrgebiets. Ein weiterer Zusammenschluss ergab sich aus den Kunstmuseen und den Theatern der Region. Sie führen gemeinsame Projekte durch und locken Besucher in die Ausstellungsräume und vor die Bühnen. Durch die Einnahmen refinanzieren sie einen Teil ihrer Ausgaben, sie beziehen Fördermittel und leben von Zuwendungen privater und geschäftlicher Investoren.

„Still-Leben“ auf der durch das Ruhrgebiet verlaufenden A40 Menschen 2010 spazierten, sorgte in Europa für Sympathiepunkte. Die Aktion war ein wichtiger Anstoß für andere europäische Städte, ihre Straßen oder Autobahnen für Stunden oder einen Tag stillzulegen. Das Ruhrgebiet entwickelte eine stärkere Bindung zur Bevölkerung, jeder bringt sich mit seinen Ideen ein oder unterstützt andere.

Der Beweis, dass Kultur zu nachhaltigen Prozessen führt, ist der Stadtteil Ückendorf in Gelsenkirchen. Über das Bundesgebiet hinaus als eines der größten Sozialviertel des Landes bekannt, hat es seit 2010 eine gravierende positive Veränderung durchlebt. Ohne die Menschen vor die Tür zu setzen, wie das andere Städte praktizieren, um Problemviertel aufzulösen (wodurch sie das eigentliche Problem nur örtlich verschieben), schufen sie neue Werte. Galerien, Lokale und kulturelle Treffpunkte prägen das Ambiente. Hier entstand Leben, ein Ort für neue Erfahrungen, dank Investitionen in die lokale Kulturszene.

Das angrenzende Sauerland war kein Teil des Projekts und wird weitaus weniger gefördert als Dortmund, Bochum oder Dorsten. Winterberg, Brilon und Olsberg erlebten dank der intensiven Förderung des Ruhrgebiets durch Geldgeber einen Aufschwung. So zählt der Hochsauerlandkreis als die grüne Lunge des Ruhrgebiets. Mit dem Kahlen Asten thront immerhin ein Berg von über 800 Höhenmetern in der Region. Und die Niederländer sind hier gerne zu Gast. Sie durchfahren das Ruhrgebiet, halten auf den alten Zechengeländen, besuchen die Zentren und kaufen Karten für kulturelle Veranstaltungen. Anschließend erholen sie sich in den kleinen Dörfern wie Brunskappel oder Siedlinghausen.

Kulturinvestitionen mit großer Wirkung

Wie die Geschichte zeigt, lohnen sich Investitionen in die Kulturszene. Das Ruhrgebiet erlebte in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen sprunghaften Aufstieg, findet große Beachtung und verhalf angrenzenden Regionen zu Mehreinnahmen durch Reisende. Weitere Investitionen durch öffentliche, wirtschaftliche und private Geldgeber stärken in Zukunft das Kulturprogramm der Region. Profiteure sind vor allem Kinder und Jugendliche, Kulturelle und Menschen, die in der Region bleiben und keine Reise ins Ausland antreten.

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