Mischa Kuball – NEW POTT. 100 Lichter/100 Gesichter

Der Künstler Mischa Kuball, ist für seine meist ironisierenden, abstrakten Werken weitesgehend bekannt. Doch nun kommt er mit einem völlig neuen Projekt über das Ruhrgebiet und seine Bewohner ins Museum. Mit seinem keinesfalls ironisch gemeintem Projekt "NEW POTT. 100 Lichter/100 Gesichter", welches in der Kunstsammlung Bochum der Ruhr-Universität zu sehen ist, trägt auch er einen Teil zum Kulturhauptstadtjahr 2010 bei. Noch bis zum 30. April 2011 kann jeder die fotografische Ausstellung besuchen, die mehr als nur ein Gesellschaftsportrait ist.

Archiv: 18.02.2011 [ruhr-guide] Mit der Ausstellung "NEW POTT. 100 Lichter/100 Gesichter" mischt Kuball einmal mehr in der heutigen Zeit mit. DerPortrait Mischa Kuball Foto: Yun Lee Titel verleitet natürlich zu pauschalen Behauptungen und Vorurteilen, doch wer nun denkt: Gesellschaftsportraits gibt es doch zu Hauf, was soll da nun Neues ent- und aufgedeckt worden sein? Der mag vielleicht nur einen groben Blick über dieses Projekt geworfen haben. Natürlich gibt es viele Künstler, die sich mit dem Thema "Gesellschaft" und besonders der heutigen beschäftigt haben. Auch gibt es viele Künstler, die einen speziellen Hauptaugenmerk auf etwas werfen, wie zum Beispiel "Armut" oder gegensätzlich dem "Reichtum". Auch Mischa Kuball machte sich ein wichtiges Thema zum Anlass und setzte dieses in den Mittelpunkt seiner Ausstellungsreihe: Integration. Oder um es in "Ruhr.2010"-Worten zu sagen: Mapping the region. Das Ruhrgebiet erstrahlt in einem etwas anderen Licht, denn Mischa Kuball hat Talent dazu Menschen nah und doch fern zu kommen und sie in einer völlig normalen Situation zu portraitieren und dennoch als kulturelles Gesellschaftsgut festzuhalten.

100 Gesichter

Integration als ein wichtiges deutsches Thema ist nichts Neues und dennoch schafft es Mischa Kuball mit seinen scheinbar einfachen, Soba Do Cristo Toko Angola Foto: Egbert Trogemannschwarz-weißen Fotografien den Betrachter in das Thema einzubinden. Wie der Ausstellungstitel schon verrät werden 100 Gesichter und Geschichten von Menschen präsentiert, die eines gemeinsam haben: Sie alle leben hier im Ruhrgebiet – und kommen dennoch aus den unterschiedlichsten Ländern der Welt. Sie leben im Pott, wie einige von ihnen heute sagen würden. Mischa Kuball und sein Team begaben sich knapp zwei Jahre zuvor auf die Suche nach Menschen mit Migrationshintergrund, die es ins schöne Ruhrgebiet verschlagen hat. Sie führten allerlei Gespräche und Besuche durch. Erstaunlicherweise hatte das Team, nach anfänglicher Skepsis, nur sehr selten mit größerem Zweifel diesem Projekt gegenüber zu tun.

Und so konnten nun sowohl Familien als auch Einzelpersonen in ihren eigenen Räumlichkeiten portraitiert werden. Ihre Geschichten festgehalten Ausstellungsraum Kunstsammlung Bochumwerden und andere daran teilhaben lassen ohne in ihren Strukturen einzugreifen. Durch ein offenes Gespräch, welches filmisch aufgezeichnet wurde, entstanden die Fotos und Videos über ganz individuelle vergangene Ereignisse und Gründe, ins Ruhrgebiet zu ziehen. Viele der 100 Gesichter sind voller Mutlosigkeit und Nostalgie an vergangene Zeiten. Viele der 100 Gesichter sind aber auch zufrieden mit dem Reichtum, den sie nun haben. Viele der 100 Gesichter erzählen ihre Geschichten ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Durch die direkte Übereinanderhängung von Familien in ihren Wohnzimmern und die bloße Darstellung jenes Wohnzimmers entsteht eine Art Suchbild, indem aber eines stets gleich bleibt: Der Geist der Bewohner bleibt erhalten. Ihrer Kultur ist erkennbar. Ihr Leben im Ruhrgebiet ist erkennbar.

100 Lichter

Die Ausstellung "NEW POTT. 100 Lichter/100 Gesichter" zeigt nicht nur ein übliches Gesellschaftsportrait, sonder eher einenWandaufhängung in der Kunstsammlung Bochum sehr privaten Einblick in verschiedenste Lebensräume. Es ist ergreifend zu sehen, wie melancholisch einige Menschen in die Kamera blicken. Andere wiederum ihre komplette Familie auf das Bild bringen und wenig Wert auf Umgebung gelegt wird. Wieder andere haben bloß ein erschreckend karges Studentenzimmer. Und die nächsten Personen schwimmen förmlich im materiellen Reichtum. Das Gesamtwerk muss betrachtet werden, um zu verstehen wie viel Arbeit und Mühe in dieser Ausstellung steckt.

Jedem der fotografierten Personen wurde ein Licht geschenkt: eine Balloonlampe. Er selbst bezeichnete diese Projekt als konzeptionell, so dass jene Lampe nicht nur ein Geschenk an die Familien und Menschen des Ruhrgebiets war, sondern ebenfalls in jedem Bild die Mitte für sich einnahm. So entstehe "ein öffentliches Licht in einem privaten Raum". In fünf Jahren soll es eine Art "neue Suche" geben, denn dann möchten Mischa Kuball und sein Team herausfinden, wohin jene Lampen gewandert sind. Durch die bewusste Yun-Jin Lee, Südkorea Foto: Egbert Trogemannschwarz-weiße "Farbwahl" bekommen die Bilder eine enorme Nähe und fokussieren den Betrachter auf jene Menschen und ihre Geschichten. Ihre Migrationsgeschichten ins Ruhrgebiet kann man parallel auf im Museum installierten Flachbildschirmen im Videoformat hören und anschauen. So bietet die Ausstellung "NEW POTT. 100 Lichter/100 Gesichter" einen Rundumblick in die heutige Gesellschaft des Ruhrgebiets und lädt dazu ein sich auch einmal einen Museumsstuhl zu nehmen und sich gemütlich vor die Monitore zu setzen. Nicht nur der Titel "NEW POTT" verspricht viel über diese Ausstellung in der Kunstsammlung Bochum.

"NEW POTT. 100 Lichter/100 Gesichter"

Mischa Kuball
28. Oktober 2010 – 30. April 2011

Kunstsammlung Bochum
auf dem Campus der Ruhr-Universität Bochum

Öffnungszeiten:
Di - Fr: 11.00 Uhr - 17.00 Uhr
Sa, So und an allen Feiertagen: 11.00 Uhr - 18.00 Uhr
Mo (außer an Feiertagen) geschlossen

Eintritt frei

(anna-lisa konrad)
Fotos: Yun Lee, Egbert Trogemann