Paul Graham

Paul Graham. Fotografien 1981 – 2006

Der Fotograf Paul Graham hat den Blick für das Banale. Das scheinbar nicht Besondere hebt er hervor, so, dass es fast unerträglich ist. Graham widmet sich Dingen und Menschen, denen wir oft, zu oft, begegnen, als dass wir ihnen noch Aufmerksamkeit geben würden. Er nimmt sich diese Zeit und schenkt sie dem Belanglosen und jenen, denen nicht gerne zugesehen wird. Seine Fotografien lassen den Kern der Dinge noch an der Oberfläche erkennen. Das Folkwang Museum Essen widmet Paul Graham eine Ausstellung, bis zum 5. April 2009, die gleichzeitig die erste Retrospektive seiner Arbeiten ist.

[ruhr-guide] Der Brite Paul Graham ist ein Vertreter Paul Grahamder sozialdokumentarischen Fotografie. Er ist also jemand, der Ecken, Straßen, Werke oder Einrichtungen und Menschen aufsucht, die sonst gerne vergessen werden und denen keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. Graham beachtet sie und verleiht ihnen vielleicht auch so etwas wie eine Stimme. War die sozialkritische Fotografie bis dato in Schwarzweiß gehalten, begann Graham in den siebziger Jahren damit, die Farbfotografie in diesem Genre zu etablieren. Weitere Stilmittel sind unkonventionelle Ansichten, Unschärfen oder Überbelichtungen. Sie setzt er ein, um den „Blick kompromisslos auf die soziale Wirklichkeit“ zu richten. Er beobachtet die Lebenswirklichkeit und stellt sie stets in Frage.

Trostlosigkeiten auf Ämtern und an Straßen

Beeindruckend hierfür sind seine (teils heimlich gemachten) Aufnahmen inPaul Graham britischen Arbeits- und Sozialämtern zu Beginn der 80er Jahre, also mitten in der Thatcher-Ära. Die Politik der eisernen Lady forderte ihren Tribut, die Arbeitslosigkeit Großbritanniens war auf einem ihrer Höhepunkte. Die Tristesse der Räume, die müden und abgespannten Gesichter der Wartenden, der Schmutz, die Enge und, wenn es ginge, wohl auch der Gestank von Dauerrauch, verschütteten Getränken, Windeln und Ungewaschenheit, wird durch diese Bilder deutlich. Eine andere Fotoreihe folgt der Nordverbindung A1, einer Hauptverkehrsachse von London nach Edinburgh. Die Straße beeinflusst sowohl soziales und wirtschaftliches Leben als auch die Landschaft. Schnell hingestellte Hotels, Pubs, Cafés und Tankstellen versuchen die Bedürfnisse der Vorbeikommenden zu befriedigen, Lärm und Beton zerreißen die Landschaft.

Der Kern der Dinge liegt auf der Oberfläche

Ab der zweiten Hälfte der achtziger Jahre wendet sich Paul Graham Paul GrahamLändern außerhalb der Insel zu. Seine Landschaftsaufnahmen Nordirlands könnten banale Studien sein, sie sind es jedoch nicht. Man muss zweimal hinsehen, um beispielsweise den Unionjack in einem Baum zu finden, die kleinen Graffiti „IRA“ an der Brüstung oder das „Sinn Fein“-Plakat. Details, die den Nordirland-Konflikt dokumentieren. Mit Japan findet er ein traumatisiertes Land vor. Er blickt hinter das Lächeln, spürt den traditionellen Rollenverteilungen nach, dokumentiert die patriarchalische Vergangenheit. Graham beschreibt es so: „Wenn man zum Kern der Dinge vorstoßen will, sollte man sich auf die Verpackung konzentrieren, auf die Methode des Verbergens; darin sehe ich die Hauptmethode meiner Arbeit.“ Auf seinen weiteren Reisen durchquert er Europa wie Spanien oder später die USA.

Geschmacklosigkeiten unserer Überflussgesellschaft

Neben Alltagssituationen, Menschen und Räumlichkeiten, hat Paul Graham Paul Grahameinen erstaunlich guten Blick für Gegenstände, Sachen, Dinge, wie auch immer. Aus dem Innenleben eines Toyota-Motors kann eine kryptische Schönheit werden. Aber Graham arbeitet auch gerne Hässlichkeit heraus. Aus den Produkten unserer Überflussgesellschaft werden abstruse Geschmacklosigkeiten, das geht von Kleidung über Spielzeug bis hin zur Architektur. Unter dem Motto „Paintings“ gibt er Anstößigem Raum. Die Innenansichten öffentlicher Toilettenanlagen zeigen Kritzeleien, wie sie eben oft auf öffentlichen Klos zu finden sind: Zeichnungen, Sprüche, Telefonnummern mit sexuellem Inhalt. Das Wirrwarr aus Unbeholfenen, aber doch Eindeutigem, holt Paul Graham aus der Anonymität, macht es zu einem Bild der Öffentlichkeit.

Überbelichtungen kontrastieren die Gegensätze

Weitere Themenschwerpunkte sind die „Television Portraits“ inPaul Graham denen die Fernsehgucker selbst durch die Kamera beobachtet werden. In „American Night“ arbeitet Graham mit Überbelichtungen, die die sozialen und gesellschaftlichen Gegensätze der nordamerikanischen Gesellschaft kontrastieren. In den neunziger Jahren besuchte Paul Graham Clubs und lichtete junge Menschen ab, die dort zum Vergnügen sind, aber auf eine eigentümliche Art recht entrückt, nachdenklich und alleine wirken. Die Bilderfolge, „End of an Age“, zeigt Leute in dieser postadoleszenten Phase.

Der Paul in dir

Nach dem Rundgang durch die Ausstellung wird der Besucher selbst zum Paul Graham: Der Blick ist geschärft, bleibt an Details hängen, nimmt das Alltägliche als surreal wahr. So fallen die abgeschmackten Seifenspender auf, mit Laugenresten gespickt, die synchron über den Waschbecken thronen. Die Fingerabdrücke auf dem „Push“-Papierkorb rammen sich geradezu in den Augapfel und die Tunnelflucht der U-Bahn-Haltestelle „Rüttenscheider Stern“ wird ein Hort moderner Kunst, in den sich die Schalen der Plastiksitze hervorragend einfügen.

Paul Graham. Fotografien 1981 – 2006

24. Januar bis 5. April 2009

Folkwang Museum Essen

Kahrstr. 16
45128 Essen

Tel: 0201 – 88 45 160
Web: www.museum-folkwang.de

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr
Montag geschlossen.
Freitag 10 – 24 Uhr
Das Museum ist geschlossen:
Neujahr, Ostermontag, Pfingstmontag, 1. Mai, Heiligabend und Silvester
Ab dem 6. April 2009 schließt das Museum Folkwang zur Vorbereitung der Wiedereröffnung des Neubaus im Januar 2010.

Eintrittspreise:

Erwachsene: 5 Euro
Ermäßigt: 3,50 Euro
Familienkarte Folkwang 1:
Zwei Erwachsene mit max. 4 Kindern von 6-18 Jahren: 10,50 Euro
Familienkarte Folkwang 2:
Ein Erwachsener mit max. 4 Kindern von 6-18 Jahren: 5,50 Euro

Inhaber der „Essener Familienkarte“ erhalten weitere 0,50 € Rabatt auf die Familienkarten Folkwang 1 und 2 und erhalten an jedem 2. Sonntag im Monat freien Eintritt in die Wechselausstellungen.

Kinder unter 6 Jahren, Mitglieder des Folkwang Museumsvereins, des Deutschen Plakat Forums und des Kunstring Folkwang frei.

Jeden 1. Sonntag im Monat für alle Besucher freier Eintritt in die Wechselausstellungen im Museum Folkwang an der Kahrstraße.

Bei Sonderausstellungen gelten gesonderte Eintritte.
Angaben ohne Gewähr, Stand 02/09

(sk)

Fotos: Paul Graham

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