Hennes Bender: Kultur gegen Stimmung auf der Kippe
Hennes Bender ist in erster Linie als Comedian aus dem Ruhrgebiet bekannt, doch er ist ein preisgekröntes Multitalent. Mit seiner lockeren, lustigen und sympathischen Art zieht er jeden in seinen Bann. Im Interview mit dem "ruhr-guide" spricht Hennes Bender über seine Beziehung zum Ruhrgebiet und über das Leben als Künstler während der Corona-Krise.
[ruhr-guide] Hennes Bender ist ein Kind des Ruhrgebiets. Doch viel mehr ist er auf der Bühne zu Hause.

Was macht Bochum und das Ruhrgebiet im Allgemeinen für Sie so besonders?
Das ist etwas, worüber ich gar nicht mehr nachdenke, weil ich hier seit Beginn meines Lebens wohne und irgendwann auch entschieden habe, einfach hierzubleiben. Das ist eine Mischung aus Faulheit, Praktikabilität und einem ganz kleinen Prozentsatz Lokalpatriotismus. Es gibt bestimmt schönere Gegenden, wo man leben kann. Es hat sich jetzt in der Coronazeit gezeigt, dass Bochum zum Leben eigentlich eine sehr gute Stadt ist. Keine schöne Stadt, aber eine gute Stadt mit einer guten Verkehrsanbindung. Die Innenstadt ist nicht zu groß und auch weitläufig. Wenn ich an Köln denke, da ist alles sehr eng, da kann man sich kaum aus dem Weg gehen. Berlin ist schon wieder viel zu groß. Bochum und ich, wir haben uns im Laufe unseres Lebens gegenseitig eingetuned. Das hat mir gerade in diesem Jahr wieder gezeigt, dass es eigentlich sehr sehr gut ist, hier zu wohnen.
Im September ist mit "Keine Kohle mehr im Pott" bereits Ihre vierte Übersetzung eines Asterix-Comics in Ruhrpott-Sprache erschienen. Wie sind Sie dazu gekommen, Asterix in die Ruhrpott-Sprache zu übersetzen?
Ich hatte das überhaupt nicht auf dem Schirm und irgendwann kam ein Anruf mit der Frage, ob ich Lust hätte, einen Asterix-Band auf Ruhrgebiet zu übersetzen. Ich habe sofort ja gesagt. Mein Gedanke dahinter war, lieber mach ich es, bevor es jemand anderes schlechter macht als ich. Da war ich auch ein bisschen arrogant. Ich bin halt auch ein riesiger Asterix-Fan und das war eine Gelegenheit, die ich mir nicht entgehen lassen konnte.Es ist jetzt mein vierter Comic und der fünfte liegt in der Schublade für nächstes oder übernächstes Jahr, das weiß ich noch nicht. Aber die Leute finden es gut und ich finde es gut. Es ist schon eine schöne Sache, etwas zu produzieren, das so viel Zuspruch bekommt. Da hätte ich jetzt auch nicht mit gerechnet, dass das so gut ankommt, dass ich quasi jedes Jahr einen Asterix Band auf Ruhrdeutsch übersetzen darf. Man darf ja nicht vergessen, ich mache eigentlich "nur" die Sprechblasen. Die ganze Geschichte, die ganzen Zeichnungen, die sind schon da. Ich bin eine Art Sprechblasenfüller, was an sich schon eine Kunstform ist, weil ich an sich auch gucken muss, dass der Text genau die richtige Größe und die richtige Länge für die Sprechblase hat. Das muss man alles auch ein bisschen timen und das ist immer wieder eine Herausforderung, weil man sich auch nicht wiederholen will. Aber es macht jedes Mal richtig Spaß. Es ist wirklich ein großes Plus für meinen Beruf.
Wie ist momentan die Stimmung in der Kunstwelt um Sie herum?
Wir sind jetzt im Dezember und gehen auch auf Weihnachten zu. Das ist eine sehr komische Stimmung. Man rechnet ja immer in Jahren. Man sagt ja immer, 2020 war ein besonders schlechtes Jahr, wobei ich immer denke, das Jahr selber kann ja nichts dafür. Wir, die Kunst und die Künstlerwelt, gucken jetzt gerade vor allen Dingen auf das nächste Jahr. Die ganzen Auftritte sind ausgefallen und nach hinten verschoben worden, wobei jetzt schon wahrscheinlich ist, dass es im Januar und wahrscheinlich sogar auch im Februar wieder nicht klappen wird. Das heißt, wir halten gerade sehr die Luft an und hoffen, dass sich irgendwann mal jemand auf unsere Seite stellt und sagt: 'so geht es nicht'. Wir dürfen nicht so weitermachen, dass die Theater und die Kinos zubleiben, denn die Menschen brauchen das. Die Menschen brauchen Kunst. Die Menschen brauchen Kultur. Nicht nur als Eskapismus, so wie man sich zu Hause Streamingdienste angucken kann. Ich brauche halt das Publikum. Ich brauche die Reaktion des Publikums und jeder Schauspieler, jeder Musiker weiß das auch. Das sind nicht nur die Komiker, die da dranhängen. Man darf auch nicht vergessen, dass es da noch die ganzen Theaterbetreiber, Booker, Techniker und so weiter gibt. Das sind Millionen von Leuten, die in der Unterhaltungsbranche tätig sind. Wir fühlen uns schon sehr, sehr, sehr vernachlässigt und vergessen. Es geht gar nicht so hauptsächlich um das Geld und um die Sachen, die man zusätzlich vom Staat bekommt. Uns fehlt die Anerkennung. Es wird einfach gesagt das, was Kunst und Kultur ist, dient der Unterhaltung. Nein, es dient halt noch ein bisschen mehr. Es ist der gesellschaftliche Zusammenhalt. Der steht auf der Kippe und das merkt man gerade an der Stimmung der Leute. Die Leute rasten im Moment einfach aus, weil sie keine Möglichkeit haben, sich mal mit etwas anderem zu beschäftigen, als mit sich selber und mit den Tatsachen. Ich glaube wirklich, dass die Gesellschaft dadurch auf Dauer krank wird. Ich finde, das merkt man gerade im Moment sehr stark, weil die Stimmung unheimlich aggressiv und unnachgiebig ist. Da ist Kunst und Kultur auch immer ein Balsam. Man kann ja noch nicht einmal mehr ins Museum gehen und sich ein paar Bilder angucken. Das fehlt einfach.
Wie erleben Sie den Alltag seit Beginn des Teil-Lockdowns?
Man sucht nach Sachen, um sich zu beschäftigen. Es gibt genug Sachen, mit denen man sich beschäftigen kann, das ist schon richtig. Aber wir wollen ja auch arbeiten. Es ist nicht so, dass wir sagen, juhu wir sitzen jetzt zu Hause und kriegen ein bisschen Geld vom Staat, sondern wir wollen arbeiten. Deswegen gab es die Bemühung und die Bestrebung der ganzen Theater über den Sommer und über den Frühling. Im Frühling wurde schon gesagt, wir versuchen jetzt ein Hygienekonzept aufzustellen, damit die Leute wirklich im Theater sitzen können und sicher sind. Ich kenne ein Theater in der Nähe von Frankfurt, das hat 70.000 Euro in die Klimaanlage gesteckt, um sie Corona-konform zu machen und die haben auch zu. Die stehen natürlich jetzt da und denken, warum haben wir uns die Mühe gemacht, wenn uns das jetzt nicht gedankt wird? Das ist auch eine Spaltung innerhalb der Gesellschaft und innerhalb der Szene. Warum dürfen die aufmachen und wir nicht? Warum haben die Kirchen weiterhin auf und warum sind die Theater zu? Das ist auch eine Frage, die sich irgendwie jeder stellen muss. Deswegen ist dieser Lockdown-Light auch einfach ein fauler Kompromiss, wenn ich gefragt werde. Ich habe gesagt, entweder machen wir alles zu oder wir lassen es weiterlaufen. Es ist halt schwierig. Man neigt dazu, im Moment sehr zynisch und sehr negativ zu werden. Wir sind eigentlich dafür da, den Leuten eine Alternative zu geben. Das schönste ist, wenn ich einen Auftritt habe und wenn die Leute nachher zu mir sagen: 'Ich hab so eine scheiß Woche gehabt, ich habe jetzt mal für zwei Stunden richtig lachen können'. Da merkt man einfach, wie wichtig das auch ist, was man selber macht. Nicht nur, dass man selber Spaß hat und sich selber toll findet, sondern es bedeutet auch etwas für die Gesellschaft. Deswegen ist Kultur in jeder Form auch systemrelevant.
Inwieweit haben Sie auf digitale Wege zurückgegriffen, um die Krise zu bewältigen?
Ich habe mit Kollegen ein paar Stream-Sachen gemacht. Ich habe seit sieben oder acht Jahren einen Podcast, der nicht streamed, aber auf allen möglichen Plattformen online geht, auf YouTube, Spotify und so weiter. Da habe ich natürlich etwas, mit dem ich mich auch beschäftigen kann. Nur es ersetzt nicht den Kontakt zu den Menschen und der menschliche Kontakt, der im Moment aus bekannten Gründen vernünftigerweise nicht da sein kann, der ist halt das, was uns allen fehlt. Kein Streaming-Dienst und kein Online Zoom Meeting kann das ersetzen.
Was hat Sie dazu bewegt, die Pandemie in Ihrem Podcast "Sträter Bender Streberg", speziell in den Corona-Chroniken, zu thematisieren?
Da waren wir gezwungen, das auf einmal per Zoom zu machen. Da hat man auch noch das Ganze so ein bisschen weggelächelt, von wegen wir machen das jetzt den Sommer über und dann geht es weiter. Und als dann klar wurde, das geht noch bis weit in den Herbst und in den Winter hinein, wurde es danach schon ein bisschen ernster. Ich persönlich halte nicht so viel davon, das jedes Mal unbedingt zu thematisieren, weil wir auch einfach für eine Alternative sorgen müssen. Für eine alternative Beschäftigungsform, anstatt jetzt immer noch zu sagen, Corona, Corona, Corona. Die Leute sind glaube ich echt froh, wenn das mal kein Thema ist und wenn man sich mal wieder mit etwas anderem beschäftigen kann. Aber am Anfang ist das natürlich ein großes Thema, weil die Realität sich für jeden auch verändert hat. Ich glaube, wir haben gesehen und ein paar Leute haben halt auch gelernt, dass man lernen muss, neu miteinander umzugehen. Das sehen wir jeden Tag, wenn wir einkaufen gehen oder rausgehen oder mit anderen Leuten kommunizieren, dass da eben die Anspannung sehr groß ist. Wir sind einfach dafür da, den Leuten die Anspannung zu nehmen, damit sie auch den Kopf mal wieder klarkriegen können. Viele Leute haben den Kopf im Moment so voll und dann kommt man auf sehr komische und sehr seltsame Gedanken, wie man jetzt überall sehen kann.
Können Sie in all der Negativität auch etwas positives aus der Corona-Krise mitnehmen?
Ja, man muss das halt für sich persönlich wissen. In meiner Beziehung, in meiner Ehe, war ganz schnell klar, dass meine Frau gesagt hat: 'Also ich werde nicht jeden Tag für dich kochen, während du hier sitzt und liest oder irgendwelche Serien bingest'. Ich habe dann sehr stark in den Haushalt eingegriffen, sodass wir uns wirklich abgewechselt haben. Das ist was sehr sehr Gutes, glaub ich, was passieren kann. Und wenn man die Zeit nutzt und die Zeit für sich nutzt, dann kann man auch stärker aus so einer Krise rausgehen. Das ist wie in jeder anderen Krise auch und wir dürfen ja nicht vergessen, dass Corona noch einer von den netteren Viren ist. Uns fällt jetzt hier nicht das Fleisch von den Knochen, sondern das ist noch ein relativ milder Virus, sehr gefährlich aber ich glaube, der ist in den Griff zu kriegen. Wenn man in einem sozialen oder familiären Umfeld lebt, das jetzt nicht so toll ist, da hat man es natürlich nicht so leicht. Ich hab das große Glück, dass ich mit meiner Frau wunderbar klarkomme und wir ein super Team sind und ich super tolle Freunde um mich rum habe. Da merkt man auch den Wert von sowas, also nicht nur den Wert von 'ich hab genug Geld zur Seite gelegt' und 'ich komm klar' oder 'ich hab genug zu Essen', sondern 'ich habe gute Leute um mich rum', das lernt man auch zu schätzen. Viele wissen das erst zu schätzen, wenn die Leute dann irgendwann mal weg sind, was ja dann natürlich auch passiert.
Was erwarten Sie für die Zukunft?
Ich erwarte einfach, dass die Politik sich mal hinter die Künstler stellt und hinter die Kultur stellt und sagt 'wir müssen das' und das kann auch gerne auf kommunaler oder auf lokaler Ebene sein. Wenn der Bund das nicht hinkriegt und das Land nicht, dann müssen die Kommunen dafür sorgen, dass die Kultur hier nicht kaputtgeht. Wenn die Kultur kaputtgeht, geht auch die Gesellschaft irgendwann kaputt. Das geht nicht anders. Also ich erwarte einfach, oder ich verlange auch, dass die Leute sich hinter uns stellen und sagen: 'pass auf, wir müssen nicht nur finanziell sondern auch ideologisch für die Kultur da sein und nicht sagen, das dient ja nur der Unterhaltung, da kann man auch drauf verzichten'. Nein, kann man eben nicht. Das sage ich nicht nur deswegen, weil ich damit Geld verdiene, sondern weil ich das einfach merke. Ich merke, wie stark das in der Gesellschaft fehlt. Und dazu gehört natürlich auch die Gastronomie, wo Leute sich treffen und austauschen und mal ein Bier miteinander trinken. Das ist Kommunikation, die uns gerade flöten geht. Und das kann nicht alles digital bleiben.
Fotocredit: MENAZOO