Wie die Psyche in der Krise unter Ängsten leidet
Die derzeitigen Belastungen betreffen nahezu jeden Menschen in unserer Gesellschaft. Bei den einen steht die berufliche und damit auch private Existenz auf dem Spiel. Wieder andere sorgen sich um ihre Kinder oder um ihre Eltern. ArbeitnehmerInnen haben Angst, ihren Job zu verlieren oder müssen in Kurzarbeit mit einem deutlich geringeren Einkommen überleben.

Viele verschiedene Faktoren wirken auf die Menschen und deren Psyche ein – allen voran die Angst. Und diese Angst ist ganz unterschiedlich ausgeprägt. Ob Existenzangst, Angst vor Krankheit oder Angst vor der Zukunft: unserem Körper und unserer Psyche ist es relativ egal, wo die Angst ihre Ursache hat. Sie wirkt sich aus, ob wir es nun wollen oder nicht.
Die Angst ist erlernt – Furcht ist angeboren
Angstpatienten kennen die Säbelzahntiger, die an jeder Ecke auf sie warten und, wenn auch nicht real, eine wahre Bedrohung für sie darstellen. „Gesunde“ Menschen kennen diese Form der Ängste nicht und viele lernen sie jetzt kennen. Diese Gefühle, nichts mehr kontrollieren zu können. Gefühle der Ohnmacht und der Starre. Gefühle fliehen zu wollen oder zu kämpfen. Wir können alle Facetten im Umgang mit Ängsten in der aktuellen Krise beobachten.
Aber woher kommt Angst?
Angst ist nicht zu verwechseln mit Furcht. Letztere ist eine angeborene Schutzfunktion unseres Menschseins, die uns vor dem Abgrund rettet. Gehe ich zwei Meter zurück, hört die Furcht auf. Bei Angst sieht das schon ganz anders aus. Sie erwerben wir im Laufe unseres Lebens über negative Erfahrungen, sozialen Einfluss, familiäre Prägungen und Informationen. Wenn ein Mensch über einen längeren Zeitraum immer wieder mit Angst konfrontiert wird, sei es durch geleitete Informationen, durch Konditionierung oder durch Erfahrungen, die Angst auslösen, wird es schwer, dieser Angst psychisch zu entkommen. Denn durch ein inneres Bekämpfen der Angst wird sie nicht weniger, sondern oftmals mehr.
Was kann ich tun bei nicht pathologischen Angstzuständen?
Wenn eine Angst da ist, muss sie angeschaut werden, damit man sie bearbeiten kann. Verdrängungen führen zu einer Potenzierung von Angstgefühlen und sind daher wenig sinnvoll. Zunächst einmal ist es wichtig, für sich alleine oder mit Hilfe von professionellen Begleitern zu überprüfen, ob die Angst wirklich real im Sinne von wahr ist? Nicht jede gefühlte Angst hat einen Realitätsbezug. Ich kann mir also die Frage stellen: „Was passiert, wenn Situation X (z.B. Arbeitsplatzverlust) eintritt?“ „Bin ich dann wirklich nicht mehr lebens- bzw. überlebensfähig?“ oder „Wenn ich erkranke, heißt das dann, dass ich automatisch sterbe?“. Nachdem man sich Fragen gestellt hat, geht es um das Wahrnehmen von Perspektiven: „Welche Alternative habe ich?“ oder „Was könnte ich stattdessen tun?“ oder „Wie kann ich gesund bleiben und mir Gutes tun?“Bei Kindern ist es hilfreich, die Angst lebendig werden zu lassen. Und auch bei Erwachsenen haben Visualisierungstechniken eine enorme Wirkung: denn dann ist die Angst kein abstraktes, nicht greifbares Gefühlskonstrukt mehr, sondern eine Art „Wesen“, mit dem man arbeiten und „sprechen“ kann – wir geben ihr einen Bezugspunkt. Oftmals reduziert sich Angst, wenn wir sie bewusst wahrnehmen und uns fragen, was sie uns „sagen“ möchte. Denn Fakt ist: eine selbstinduzierte oder fremdgesteuerte Angst löst in uns körperliches und geistiges Unbehagen aus und schwächt auf Dauer unser Immunsystem. Daran zu arbeiten bedeutet Selbstfürsorge. Um etwas nicht mehr als Bedrohung auf Leib und Leben zu empfinden, ist es nützlich, sich mit ausgewogenen Informationen zu befassen, die manchmal pseudodiagnostische und oft sehr emotional aufbereitete Nachrichten relativieren, wie man aus der Sozialpsychologie und den sozialkognitiven Ansätzen weiß. Ich kann lernen, Situationen gedanklich umzubewerten, um ihnen die „Gefahr“ zu nehmen und um mich mental und emotional zu erleichtern. Ich kann schauen, über welche Fähigkeiten und Ressourcen ich verfüge, um bedrohliche Einschätzungen in Herausforderungen zu wandeln.
Kurzum: Vieles in unserem mentalen und emotionalen Erleben hängt von unserem Bewusstsein, unserer Wahr-Nehmung ab.
Psychologie und Bewusstseinsarbeit = Bewusstseinpsychologie
Julia Bleser ist u.a. ausgebildet in Kommunikations- und Betriebspsychologie und hat sich in ihrem Studium mit Klinischer Psychologie, Stresstheorien und auch mit Sozial- Persönlichkeits- und Medienpsychologie beschäftigt, die alle gemein haben: sie wollen verstehen, erklären, analysieren und vorhersagen wie das menschliche Verhalten und Erleben auf individueller und sozialer Ebene funktioniert und wie sich soziale Gegebenheiten auf das Individuum auswirken. Als Leiterin des Instituts für Bewusstseinspsychologie bildet sie u.a. zum systemischen Bewusstseinscoach und zum Stress Coach nach der MINDCLEANSE® Methode aus.Weitere Infos unter www.juliableser.de
Foto: Julia Bleser