Porträt von Rainer Fetting, Fotocredit: Roland Baege

Ein Interview mit Rainer Fetting

Rainer Fetting zählt zu den wichtigsten deutschen Künstlern der Gegenwart. Inspiriert durch die amerikanischen, abstrakten Expressionisten erlangte er seinen Durchbruch. In seinem Interview mit dem ruhr-guide spricht Rainer Fetting über seine Erfahrungen, Probleme in der Kunstszene und seine Liebe zur Kunst.

Porträt von Rainer Fetting, Fotocredit: Roland Baege

[ruhr-guide] In Wilhelmshaven geboren und in Berlin studiert, verbrachte Rainer Fetting viele Jahre in New York. Über 130 Werke des Künstlers können aktuell in der Ausstellung „Here are the lemons“ im Dortmunder U bestaunt werden. Bekannt unter dem Begriff „Neue Wilde“ zeichnet sich Fetting mit seinen auffälligen und kräftigen Farben aus. Vertreten in der Ausstellung sind auch seine zwei Hauptthemen: der Mensch und die Landschaft. Ausgewählte Gemälden, Bronzen und grafische Darstellungen spiegeln im Dortmunder U seine Leidenschaft für die Kunst, aber auch seinen Kampf in der Kunstwelt in den vergangenen fünfzig Jahren wider.

ruhr-guide: Sie hatten einen musikalischen Hintergrund. Was hat Sie angetrieben, nach Berlin zu ziehen und an der Hochschule der Künste zu studieren?

Ich bin in einer musikalischen Familie aufgewachsen. Bereits als Kind habe ich Klavier gelernt, aber das hat mich nicht so sehr gepackt, obwohl ich Musik sehr gerne mag. Als 11 jähriger Junge bin ich zu einem Kinder-Malkurs gegangen. Dort habe ich gemerkt, dass mich das Malen beeindruckt. Von meinem Vater wurde ich aber erst einmal in eine Tischlerlehre gesteckt. Ich wusste schon immer, dass ich nach Berlin wollte, um Kunst zu machen, aber ich habe mich erstmals nicht getraut. Wie sollte ich auch ohne Geld überleben? Daher bin ich Tischler geworden und habe danach den Sprung geschafft. Ich habe bereits in Wilhelmshaven Kunst gemacht und habe mich an der Kunsthochschule in Berlin beworben. Berlin stand mir nahe, da ich eine Verbindung durch meine Eltern zu der Stadt hatte.

Sie entschlossen sich mit Ihrem Stipendium nach New York zu ziehen. Was inspirierte Sie besonders an New York? Welche Auswirkung hatte Ihr Aufenthalt in New York auf ihre Kunst?

Die Kunsthochschule fängt mit einer Grundlehre an. Im Anschluss muss man sich bei Professoren für die Malklassen bewerben. Zusätzlich gibt es noch den Aktsaal, bei dem man lernt, akademisch Akt zu malen. Ich habe mich zwar daran beteiligt, aber letztlich habe ich aus eigenem Impuls gearbeitet. Interessiert habe ich mich für Künstlerbiographien, vor allem von Künstlern, bei denen mich die Bilder interessiert hatten. Und zu dieser Zeit waren es die amerikanischen, abstrakten Expressionisten. (New York School zählte zu den Vätern dieser Expressionisten.) Biographien von Willem de Kooning, Jackson Pollock und Marc Rothko haben mich besonders interessiert, somit auch die Kunstseite in New York. Gefesselt haben mich auch Filme, die damals nicht bekannt waren, wie „Mean Street“ oder der berühmte „Taxi Driver.“ Damals waren die Filme eher Kultfilme, die nicht für das Mainstream Publikum bestimmt waren. Ich selbst habe in Little Italy gelebt, wo ich auch Filme in Super 8 gedreht habe. Die haben sich an „Taxi Driver“ und „Mean Street“ angelehnt, aber basierten auf meine Geschichte.

In Ihrer Kunst werden mehrfach Afroamerikaner dargestellt. Was war die Ursache dahinter? Hatten Sie die Absicht, auf die bestehenden Rassismusprobleme in den USA aufmerksam zu machen?

Ich habe nie direkt politisch gehandelt, das alles war unbewusst. Emanzipatorische Sachen, die vorher in der Kunst nicht vorkamen, haben mich immer interessiert. Bevor ich nach New York zog, war es ja schon so, dass man den männlichen Akt als erotisch wahrgenommen hat, früher wurde nur die Frau so wahrgenommen. Die großen Künstler, wie Michelangelo, haben dies schon immer mit eingebaut, wie die Erotik beim Mann. Die waren bei Michelangelo versteckt. Die ganzen nackten Männerkörper in der sixtinischen Kapelle waren aber damals ein klassisches Ideal. Er war damals schon sehr mutig. So etwas kommt aber normalerweise selten in der Kunst vor. Ich habe das ganz bewusst gemacht, wie meine großen Duschbilder. Mich hat dann auch die Schwarzen-Problematik interessiert, sie wurden immer als Sklaven dargestellt. So etwas wurde kaum thematisiert. Wenn Historiker über meine Bilder geschrieben haben, da wurde immer so fälschlich geschrieben, dass das alles privat sei, dass ich meinen Lover male. Ich dachte, sie würden selber auf den Hintergrund stoßen. Wahrscheinlich liegt das an der falschen Ausrichtung in der Kunstszene. (Andere Künstler wurden für ihre politisch basierende Künste aufgewertet, aber im Grunde genommen haben die sich an meinen Sachen abgearbeitet). Als ich die Schwulen-Thematik artikuliert habe, haben die sich darüber lustig gemacht. Eigentlich ist das homophob. Es gab einen enormen ideologischen Druck, durch Theoretiker vorgegeben, wie die Kunst zu sein hätte. Viele haben sich daran gehalten. Malerei kann nie das sein, wo nachgemalt wird und akademisch wieder umgesetzt wird. Malerei muss immer neu entdeckt werden. Das wurde mir immer aberkannt in dem (Konkurrenz-)Kampf. Meine Arbeiten waren immer politisch gewesen, aber komischerweise hatte es nie ein Theoretiker, bis auf Wolfgang Max Faust, gesehen.

In Ihrer Kunst beschäftigen Sie sich hauptsächlich mit Menschen und Landschaften. Was fasziniert Sie dabei so besonders?

Malerei ist wie die Musik. Die Arbeiten von Bach wirken für sich, ohne Story, und so möchte ich auch meine Bilder malen. Die sollten knapp und ohne aufgeblasene Inhalte sein. Kritiker sagen immer, dass sie Inhalte brauchen um darüber zu schreiben. Dabei geht es eigentlich um die Malerei. Es muss aber Inhalte geben, die mich selber betreffen. Es geht darum, Tabus zu brechen und Sachen aufzuzeigen, die zuvor nicht gezeigt wurden. Das habe ich im Figürlichen gemacht.
Die meisten sehen das ganze Leben eines Künstlers als romantisch, weil es auch so herausragt. Das ist für mich aber immer ein anstrengender Kampf gewesen. Dabei war die Landschaft für mich immer ein Ruhepool. Von der Großstadt wie New York brauchte ich Ruhepausen, um meine Batterien aufzuladen. Ich bin glücklich, dass ich auf Sylt ein Atelier habe. Hier komme ich mehr zur Ruhe. Da beschäftige ich mich mehr mit der Natur. Aber heute ist die Natur ja auch durch die menschlichen Eingriffe gestört. Das versuche ich durch die Bilder, wie die „Große Welle“ zu zeigen. Ich versuche, durch die Kunst die Probleme der Natur zu verdeutlichen.

Sie werden weiterhin mit dem Begriff Neue Wilde in Verbindung gebracht. Wie stehen Sie heute zu diesem Begriff?

Das ist ein konfuser Begriff. Das ist ein Medienbegriff. Malerei war immer wichtig, wenn die Bilder eine Sensualität ausströmten, bei dem ich persönlich auf Kunst anspringen konnte. Der Begriff sagt heute kaum was aus. Darunter laufen aktuell viele Kollegen herum, mit denen ich nichts gemeinsam habe. Man wird in eine Schublade aus einer Generation gesteckt. Meine Kollegen vom Moritzplatz haben auch andere Biographien und Interessen, sei es Salomé, Middendorf oder Zimmer. Die Galerie gab es 3 Jahre. In der kurzen Zeit hatten wir sehr viel zu sagen, unsere Interessen haben sich in der Zeit angenähert. Aber so etwas wie die Wilden gibt es eigentlich nicht.

Sie zählen zu den wichtigsten deutschen Künstlern der Gegenwart. Wer waren ihre Vorbilder in der Kunstgeschichte?

Durch die ganzen Jahrhunderte durch habe ich Vorbilder, wie Francisco de Goya oder Diego Velázquez. Die gehören zu den großen Vorbildern von mir. Ihre Bilder sprechen mich immer wieder an. Die leben durch die Art wie sie gemacht sind, die sind nicht so penibel ausgearbeitet, bei Velázquez sieht man noch die Malspuren. Dadurch leben auch die Personen, die er gemalt hat. Es geht durch die gesamte Kunstgeschichte, die ihrer Zeit nicht bekannt waren und erst später bekannt wurden, wie Van Gogh. Aufmerksamkeit haben sie ja erst durch die nachfolgenden Künstlergenerationen bekommen. Meistens wurden die unterbuttert, weil die zu radikal waren. Picasso war da zwar eine Ausnahme, aber ja. Von den abstrakten Expressionisten also bis hin zu Andy Warhol. Hinter seinen Siebdrucken war immer eine Mischung der Malerei und er wusste viel über Kunst und Kunstgeschichte.

Fließt Kunst in unseren Lebensalltag immer noch mit ein?
Ich kann nur von mir sprechen, was mich gepackt hat. Ich hoffe, dass die Kunst in unserem Lebensalltag mit einfließt. Meine Kunst hat in der Kunstszene international Beachtung bekommen. Ich habe viel zur figürlichen Malerei beigetragen und habe mich durchgesetzt. Heute setzen viele junge Künstler an meine Themen ran, die ich gemalt habe, wie Schwule in der Malerei. Dieses hat sich gar nicht bewährt an der ideologischen Sache, dass Malerei tot ist wie in den 80er Jahren. (In den frühen 80ern durfte man nur Bilder malen, in dem man sich drüber lustig machen konnte.) Diese Einstellung, die von Theoretikern und Ideologen gesetzt wurde, hat sich heute ja revidiert. Deshalb wurde ich auch zu dieser Zeit sehr bekämpft und teilweise aus dem Markt gedrängt, aber heute ist es nicht das Problem, denn die Malerei hat sich ja durchgesetzt.

Meinen Sie, dass man durch Kunst auf die bestehenden gesellschaftlichen Probleme aufmerksam machen kann?

Ja sicher, ich habe mich ja auch dazu treiben lassen, Tabus zu brechen und das auch nach außen zu vermitteln. Ich habe aber nie politische Malerei machen wollen, sondern es ging mir nur um die Malerei. Es sollte nicht so anekdotisch sein. Ich glaube schon, dass meine Bilder dies ausstrahlen und das Publikum das intuitiv mitkriegt. Deshalb habe ich ja trotz allen Widerständen immer Erfolg gehabt, wenn meine Bilder in Museen gezeigt wurden. Das wurde ja eine lange Zeit gar nicht gemacht. Da wurde ich aus der Szene quasi raus gehalten, weil meine Bilder nicht in die Ideologie gepasst haben. So sehe ich das jedenfalls.

Sie haben mit Desmond Cadogan im Jahre 1986 begonnen, plastisch zu arbeiten, wie Ihre bekannte Skulptur Man in bathtub. Welchen Einfluss hatte Desmond Cadogan auf Ihren Erfolg in der Kunstwelt?

Ich bin kein Analytiker meiner eigenen Biographie, aber es war ein Glücksfall, dass ich ihn getroffen habe. Bis heute besteht die Freundschaft und seine Beteiligung als Modell. Das geht schon über 30 Jahre. Daraus sieht man ja schon, wie wichtig er als Beitrag zu meiner figürlichen Kunst ist.

Wird sich die aktuelle Corona-Pandemie in Ihren Werken widerspiegeln? Was meinen Sie?
Das kann ich noch nicht sagen. Ich war nie so anekdotisch direkt, dass ich jetzt anfange Menschen mit Masken zu malen. So etwas fällt mir dann unbewusst ein. Ich bin kein Interpret meiner eigenen Sachen. Das wird sich vielleicht in den nächsten 20/30 Jahren herausstellen.

Foto: Roland Baege, Dortmunder U

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