Hartmuth Malorny, Foto: Roberto Tarallo

Kolumne, Dortmund 1

Wie schön war es in Dortmund, als ich pünktlich zur WM 2006 wieder in der Stadt weilte. Ich wusste noch nicht, dass man das Wort „Fanmeile“ zum Wort des Jahres küren würde. Und erst das Wetter: Der Sommer zeigte sich dank globaler Erwärmung von der besten Seite.

[ruhr-guide] Internationaler Fußball, Hartmuth Malorny, Foto: Roberto Tarallound das bei uns, dieser noch mit dem Geruch der Kohle und des Biers anhaftenden Stadt, obwohl sie schon lange andere, technologische Schritte geht. Die Hohe Straße wurde zur Fanmeile, der Friedensplatz zu einem Platz der Freude, trotz teilweiser Überfüllung. Der öffentliche Personennahverkehr, U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse, brachen nicht zusammen. Freude, Friede und Eierkuchen insgesamt, weil alle Institutionen fast alles im Griff hatten.

War das nicht schön, auf dem Wallring im Stau zu stehen? Flatternde Fahnen im Wind an den Autos, die heute noch von den Straßen gesammelt werden, aber frühestens seit dem vergeigten Spiel gegen Italien?

Dann der Rückblick mit Sönke Wortmanns Film „Sommermärchen“, wo Erinnerungen wach wurden, die gar nicht so alt waren.
„Hab ich das wirklich gesagt?“, meinte Jürgen Klinsmann über seine Ansprachen zu den Spielern.

Tja, alles verblasst, der Alltag zollt seinen Tribut. Neue Arbeitslosenquoten, und es ist in Dortmund wieder wie es ist. Aus der Hauptstadt, von der Regierung, kommen neue Prognosen, die einen Aufschwung nicht nur ankündigen, sondern explizit darstellen. Flugs auf den Weg gebracht die Novellierung des Ladenschlussgesetzes, rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft.

Ja, sagen Sie, zu Weihnachten wollen wir unseren Lieben was schenken, bevor die Mehrwertsteuererhöhung in Kraft tritt, nach dem Motto: Geiz ist geil. Shopping bis 22 Uhr. Der Arbeiter, dieses Sinnbild der Dortmunder Stahl-Kohle- und Bierstadt, liegt längst im Bett oder sitzt vor dem Fernseher um Bilder zu betrachten, die Mitarbeiter/Innen der Allianz-AG als existenzbedrohend sehen und dafür protestieren. Holzkreuze säumen den Mittelstreifen vor dem Verwaltungsgebäude am „Heiliger Weg“ wie Mahnmale, man fährt nun daran vorbei und muss eher auf die neue Verkehrsführung achten, ob man links oder rechts auf die Märkische Straße abbiegen will.

War das nicht ein schönes Jahr? Vor allem wetterbedingt?
Wollen wir die kleinen Missstände unserer Stadt außer Acht lassen, reiben wir uns nicht an Energiepreiserhöhungen der Stadtwerke und lokalpolitischen Versprechen zur Besserung, denen eine Verschlechterung folgte. Uns geht’s doch gut, nicht wahr?

Ob die Stadt Dortmund das Obdachlosenheim an der Unionstraße aus Kostengründen in die Hand privater Betreiber gibt, ob es dadurch irgendjemandem verwehrt wird statt auf der Straße in einem Bett zu schlafen, ach Gott, das ist so weit weg, denn die Unionstraße liegt nördlich, im multikulturellen Getto Dortmunds. Vorne, Richtung Westenhellweg, sieht es anders aus, da floriert, gedeiht das Geschäft, auch wenn die Groß- und Einzelhändler ein bisschen jammern, aber das gehört wie jedes Jahr dazu.

Leider steht der größte „Weihnachtsbaum“ der Welt seit kurzem ohne Licht da. Ein kleiner Defekt an den Lichterketten, sagt die Feuerwehr, und er muss wirklich klein sein, der Kurzschluss, nämlich so minimal, dass unsere Techniker-Elite den Fehler nicht findet. Darum wird der Baum bis zum Abbau dunkel bleiben.
Wissen Sie noch, wie viel Angst wir bei der Umstellung der Computer zum Jahr 2000 hatten? Fluch der Technik, Jahrhundert-GAU, und wenn ein Schmetterlingsschlag am anderen Ende der Welt hierzulande ein Erdbeben auslösen kann, was bewirkt dann eine simple fehlende Null? Nichts. Alles lief reibungslos.

Und nun der Eklat, kurz vor dem Fest, bei Borussia Dortmund. Trainer Bert van Marwijk wird, salopp gesagt, entsorgt. Der BVB in der Krise, die BVB-Aktie längst im Keller. Doch ich hoffe, dass auch nächstes Jahr wieder ca. 80 000 Zuschauer ins Stadion strömen, denn ohne Fußball ständen wir Dortmunder ziemlich leer da. Zumindest der Signal-Iduna-Park.

Schauen wir nach vorne, feuern wir Raketen in den Himmel, aus China importiert. Ich wünsche allen Dortmundern ein frohes neues Jahr.

Hartmuth Malorny, Buchautor aus Dortmund schreibt regelmäßig auf ruhr-guide.de aus und über seine Heimatstadt

Foto: Roberto Tarallo

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