Einen klangvollen Namen hat der Sport-Club Westfalia von 1904 Herne noch heute in der deutschen Fußballlandschaft. Das liegt weniger an der Gegenwart, in der die Westfalia im Mittelfeld der Oberliga Westfalen zu finden ist. Der Grund dafür liegt tief in den 1950er Jahren.
[wmp] Im Gegensatz zum Lokalrivalen SV Sodingen hatte Westfalia Herne seit seiner Gründung am 13. Juni 1904 den Ruf, ein bürgerlicher Klub zu sein. Und bereits beim Aufstieg in die höchste Spielklasse, die Oberliga West im Jahr 1954, war der SCW ein Traditionsverein. Hinter Serienmeister FC Schalke 04 belegten die Herner 1937 den zweiten Platz in der Gauliga Westfalen, in den Jahren zuvor und danach weitere gute Platzierungen.
Die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte
Doch was die Westfalia Ende der 50er Jahre zu einer Art Mythos werden lässt, erklärt Sporthistoriker Ralf Piorr: „Das war ein bisschen so wie der amerikanische Traum: vom Tellerwäscher zum Millionär. Herne hatte eine junge, sympathische Mannschaft, die begeisternden Fußball spielte. Die Himmelsstürmer waren der Liebling der Presse und des Publikums.“ Das Stadion am Schloss Strünkede, einstmals für 35.000 Zuschauer ausgelegt, war stets gut gefüllt. In der Saison 1958/59, der erfolgreichsten der über 100-jährigen Vereinsgeschichte, mischte der krasse Außenseiter unter Trainer Fritz Langner plötzlich an der Tabellenspitze mit. Seit dem siebten Spieltag Spitzenreiter, gab der SCW die Führung bis zum Ende nicht mehr aus den Händen und wurde souverän Westdeutscher Meister. Vor dem 1.FC Köln, Fortuna Düsseldorf, VfL Bochum und Borussia Dortmund. Sowohl in der Defensive als auch in der Offensive spielten die Herner überragend. Torhüter Hans Tilkowski, 1966 Europapokalsieger mit Borussia Dortmund, kassierte in 30 Spielen lediglich 23 Tore – ewiger Oberliga-West-Rekord. Der erst 20-jährige SCW-Mittelstürmer Gerhard Clement sicherte sich mit 28 Treffern, fast der Hälfte aller Herner Tore, den Titel des Torschützenkönigs.
Die Nummer eins im Revier
In der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft scheiterte die Westfalia dann allerdings an Kickers Offenbach und dem Hamburger SV. Doch auch Bundestrainer Sepp Herberger entgingen die starken SCW-Partien nicht. So standen 1958 mit Hans Tilkowski, Helmut Benthaus und Alfred Pyka in einem Länderspiel gegen Ägypten gleich drei Westfalia-Spieler in der Startformation der Nationalmannschaft. In der folgenden Saison konnten die Herner ihre Leistungen mit der Vizemeisterschaft in der Oberliga West noch einmal bestätigen: bester Revier-Verein vor Borussia Dortmund und Schalke 04.
Die „Goldin-Pleite“
Westfalias Abstieg beginnt damit, dass sie in der neu geschaffenen Bundesliga 1963 nicht berücksichtigt werden. Aufhorchen lassen die Herner Ende der 70er Jahre wieder. Allerdings negativ. Die finanzielle Abhängigkeit vom Mäzen Erhard Goldbach, Besitzer des Tankstellen-Imperiums „Goldin“, hätte beinahe das Aus bedeutet. Zwar gelang dem Klub 1975 der Aufstieg in die Zweite Bundesliga, doch nach der Pleite Goldbachs wurde dem SC Westfalia Goldin 04 Herne – so der Vereinsname zwischen 1977 und 1979 – nach dem ersten Spieltag der Saison 1979/80 die Lizenz entzogen. Nachdem die Westfalia Mitte der 90er Jahre bis in die sechstklassige Landesliga gefallen war, dürfen sich ihre Fans mittlerweile wieder über Oberliga-Fußball freuen.
(Jens Witte, WM-Portal Dortmund)
Fotos aus „Der Pott ist rund“. Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Ralf Piorr. Lesen Sie zu diesem herausragenden Buch auch unsere Rezension zu Band 1 und Band 2.
Der Pott ist rund.
Das Lexikon des Revierfußballs
Band 1: Die Chronik 1945 bis 2005
Band 2: Die Vereine – 1945 bis 2005
Ralf Piorr (Hg.), Essen 2005 und 2006,
Klartext-Verlag, jeweils 29,95 Euro,
Band 1: ISBN 3-89861-358-5
Band 2: ISBN 3-89861-356-9