Hartmuth Malorny - Begegnung in Turin
Schriftsteller wird man nicht nach einer 3-jährigen Ausbildung oder, weil es der Familienbetrieb ist, den man eines Tages übernehmen wird. Schriftsteller sind vom Beruf meist etwas ganz anderes. Zum Beispiel Sonderreiniger wie der Dortmunder Autor und Lyriker Hartmuth Malorny, der den Entschluss gefasst hat, 2015 einen weiteren Roman zu veröffentlichen. „Begegnung in Turin“ liefert dem Leser wieder einen störrischen Anti-Helden mit Bukowski-Manier.
[ruhr-guide] Der Pragmatismus

Arthur begegnet dem Facettenreichtum der Turiner Bewohner mit seiner gewohnt lässigen Art und verabschiedet sich nach längerem Aufenthalt in Bars, engen Wohnungen und Parks ebenso nonchalant wieder von ihnen. Der eigentliche Grund seiner Reise vom tristen, konservativen und schmutzigen Dortmunder Kiez in das malerische Turin ist eine Frau. Er kennt sie, sie kennt ihn – aber leider nur vom Schreiben. Zwei Jahre E-Mail-Romanze, in denen man sich ein Bild vom anderen gemacht hat, werden bei ihrer ersten Begegnung auf die Probe gestellt. Sie heißt Sabine, ist Deutschlehrerin und sehr klug, mit einem Hang zu Künstlerpersönlichkeiten. Er heißt Arthur, ist Sonderreiniger und ein bisschen klug, seine Vorliebe für das Schreiben, Marihuana und schöne Frauen ist ihr schon bekannt und ebendieser Neigung kann er partout nicht Herr werden. Aber wer sagt denn, dass er es muss?
Was Glück nicht ist
Teils autobiografisch, desillusioniert, pragmatisch und auch selbstkritisch schreibt Hartmuth Malorny eine Liebesgeschichte, die nicht so recht in Fahrt kommen will. Stattdessen reflektiert der Roman eine Persönlichkeit und damit auch alles was dazu gehört. Begegnungen mit Menschen, prägende und weniger prägende Ereignisse, Liebe, Eifersucht, Lügen und Gleichgültigkeit. Wer einen Panoramablick auf das Innenleben eines anderen haben möchte, schaut sich am besten dessen Umfeld an. Arthur ist umgeben von Menschen, die ihm ihren Stempel aufdrücken wollen. Den Ruf als Schriftsteller hat er weg, auch ohne sein Zutun, und nun darf er sich mit Erwartungen und Urteilen arrangieren. In Dortmund hat er es ganz gut gemeistert. Niemand erwartet dort etwas von ihm, außer graffitifreie Hauswände und die monatliche Miete. Warum sollte es in Turin also anders sein?
Fazit:
Eine leichte Melancholie schwingt fast immer in Arthurs Worten mit. Ob er nun mit Sabine redet oder mit Cristina, Felicita oder Egizia, egal wer den anderen Part übernimmt, er macht unbeirrt weiter wie gehabt. Der Roman feiert den Pragmatismus, aber erschlägt den Leser gelegentlich auch mit Resignation. Aufkeimende Motivation, Entschlüsse und Handlungen werden von Kleinigkeiten vom Tisch gefegt und statt ihrer platziert Arthur eine Flasche Perlwein dorthin und raucht einen Joint, während Sabines Katzen ihn genauso übergehen wie all die Begegnungen in Turin. Die Erfolglosen, die Hoffnungsvollen, die Verlogenen und Verlorenen tangieren Arthurs Welt nur peripher. Er lässt sie in dem Glauben, jemand würde sie verstehen. Dafür lenken sie ihn von seinen Problemen ab. Und am Ende siegt der Pragmatismus über die Illusion des Glücks.
“Begegnung in Turin“
Hartmuth Malorny
www.h-malorny.de
Wiesenburg Verlag
1. Auflage 2015
248 Seiten, Taschenbuch
ISBN 978-3-95632-257-0
Preis: 14,90 €
Weitere Werke:
Tod in Thailand
Autoren-Feder Verlag, 2009
Ein Sargtischler in NY
Edition PaperONE, 2010
ATM Das gekaufte Lächeln
Edition PaperONE, 2012
Buchcover: Wiesenburg Verlag
Foto: Copyright by Roberto Tarallo