Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass immer mehr Deutsche eine Brille tragen? Wahrscheinlich nicht, denn die Gesamtzahl der Brillenträger in Deutschland hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre kaum verändert. Während in den Nachkriegsjahrgängen die Zahl der Brillenträger sprunghaft angestiegen war, stagniert der Anteil in den letzten Jahren fast komplett. In Zahlen ausgedrückt deutet bedeutet das: Im Jahr 2023 trugen rund 40 Millionen Deutsche eine Brille, somit sind fast zwei Drittel aller erwachsenen Menschen hierzulande auf eine Sehhilfe angewiesen.
Stetiger Anstieg junger Brillenträger
Soweit noch nichts Neues, ein Umstand allerdings verblüfft die Experten: die Zahl der jungen Brillenträger. Unter „jung“ versteht man hierbei den Anteil in der Bevölkerung der 20- bis 29-Jährigen, die auf eine Sehhilfe angewiesen sind. Betrachtet man diese Bevölkerungsgruppe etwas genauer, so fällt auf, dass sich die Zahl der Brillenträger hier innerhalb der letzten 60 Jahre mehr als verdoppelt hat. Nun sind 60 Jahre ein langer Zeitraum, doch ein Anstieg auf mittlerweile fast 30 % der 20- bis 29-Jährigen ist doch bemerkenswert. Zum Vergleich: Im Jahr 1963 trugen nur rund 13 % dieser Altersgruppe eine Brille.
Nun stellt sich in diesem Zusammenhang natürlich die Frage, warum die Zahl der Brillenträger unter jungen Menschen so stark angestiegen ist. Leben wir heute trotz aller Annehmlichkeiten unserer modernen Welt so viel ungesünder, so dass die Sehfähigkeit bereits sehr früh nachlässt? Oder sind andere Faktoren dafür verantwortlich, dass immer mehr junge Menschen eine Brille benötigen? Wir möchten Ihnen diese Fragen beantworten.
Die auf die hier aufgeworfenen Fragen gegebenen Antworten stammen nicht etwa von Laien, sondern basieren auf einer Untersuchung des Kuratoriums Gutes Sehen. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde festgestellt, dass insbesondere die veränderten Lebensbedingungen in der modernen westlichen Welt der Hauptgrund für den vermehrten Bedarf an Sehhilfen schon bei jungen Menschen sind. Das bedeutet: Es ist nicht das schlechtere Sehen, welches den Anstieg der Zahl der Brillenträger ausgelöst hat, sondern die höheren Ansprüche an das Sehen, welche heute gestellt werden.
Gute Beispiele, die diese These belegen, finden sich in nahezu jedem Haushalt in Deutschland. Werfen Sie doch einmal einen Blick auf Ihren Computerbildschirm bzw. auf das Display des Smartphones. Fällt Ihnen dabei etwas auf? Natürlich: Da immer mehr Informationen auf den entsprechenden Bildschirmen untergebracht werden müssen, nehmen sowohl die Schriftgrößen als auch die Darstellungsgrößen von Bildern, Grafiken, Videos etc. immer weiter ab. Auch Tasten und sonstige Steuerungsinstrumente werden von den Herstellern immer weiter verkleinert, so dass auf den kompakten Geräten möglichst viele Funktionen untergebracht werden können.
Für Menschen, die Probleme mit dem Sehen haben, ist diese Entwicklung fatal. Ohne eine entsprechende Hilfe lässt sich auf den oftmals völlig überladenen Displays kaum noch etwas erkennen. Daher benötigen viele Menschen eine Brille, die zuvor im Alltag sehr gut ohne Sehhilfe ausgekommen sind – und zwar nur deshalb, damit sie die Geräte der modernen Kommunikationselektronik ohne Probleme bedienen können.
Eine weitere Auswirkung: Sehfehler werden schneller korrigiert als früher
Die genannte Entwicklung steht nicht etwa für sich alleine, sondern zieht zahlreiche weitere Veränderungen nach sich. Während früher Kinder, Jugendliche und junge Menschen, die leichte Probleme mit dem Sehen hatten, oftmals trotzdem ohne Sehhilfe auskamen (schließlich gab es kaum Situationen, in denen sie etwas besonders Kleines entziffern mussten), werden heute bereits kleinste Sehfehler wesentlich schneller korrigiert, um den veränderten Anforderungen Rechnung zu tragen. Daher bekommen oftmals schon Kinder und Jugendliche vom Augenarzt eine Brille verschrieben bzw. bestehen selbst darauf, eine solche zu erhalten.
Inzwischen gehen die Hersteller dazu über, die Displays ihrer Geräte wieder größer zu gestalten. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ergibt sich, wenn man sich die Serie der iPhones von Apple einmal etwas näher anschaut. Mit jeder neuen Modellgeneration ist das Display größer geworden. Allerdings werden auch immer mehr Informationen auf dem Display untergebracht, so dass sich an den verwendeten Schrift- und Bildgrößen etc. auch in der Zukunft kaum etwas ändern dürfte.
Brillen sind zum Modeaccessoire geworden
Es gab Zeiten, da wurden Kinder in der Schule dafür gehänselt, dass sie eine Brille trugen. Insbesondere in den sechziger- und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden Brillenträger nicht besonders gemocht und waren daher oftmals Zielscheibe von Spott oder sogar Mobbing. Dies hat sich bis heute radikal geändert. Selbst Popstars tragen heute sowohl auf der Bühne als auch im Privatleben eine Brille und lassen sich damit stolz fotografieren. Die Brille ist zu einem echten Modeaccessoire geworden, auf das viele Menschen nicht mehr verzichten möchten.
Man denke dabei nur an die inzwischen sehr populäre NERD-Brille, die mit ihrem großen, auffälligen Gestell früher von nur wenigen Menschen freiwillig getragen worden wäre. Heute ist sie insbesondere unter modebewussten jungen Menschen kaum noch wegzudenken und bildet ein angesagtes Accessoire. Oder blaue Brillen mit den stark getönten Gläsern, die insbesondere im Sommer viel her machen. Die Brillen sind also schick und modisch geworden, auch das trägt dazu bei, dass sich heute viele junge Menschen für eine solche Sehhilfe entscheiden.
Frühzeitige Augenuntersuchungen bei Kindern decken Sehschwächen viel früher auf
Auch die Medizin hat sich innerhalb der letzten Jahre und Jahrzehnte deutlich weiterentwickelt. Heute werden bereits bei kleinen Kindern frühzeitig Vorsorgeuntersuchungen der Augen vorgenommen, so dass Sehschwächen viel früher aufgedeckt werden können. Auch das ist ein Umstand, warum immer mehr junge Menschen eine Brille tragen. Ihre Sehschwäche wäre in früheren Jahren schlichtweg gar nicht aufgefallen, bzw. gar nicht erst diagnostiziert worden.
Übrigens: Gerade im Kindesalter ist es besonders wichtig, Sehschwächen aufzudecken. Werden diese nicht bemerkt und mit ins Erwachsenenalter „durchgeschleppt“, so können sich damit Behinderungen bei der Entwicklung nahezu aller Sinne ergeben. So wurde beispielsweise nachgewiesen, dass Kinder mit einer Sehschwäche auch nur sehr schwerlich ein Gefühl für das räumliche Sehen entwickeln können. Das räumliche Sehen muss sich jedoch möglichst frühzeitig entwickeln, da ein späteres Erlernen kaum noch möglich ist.
Fazit: Der Anstieg der jungen Brillenträger in Deutschland ist ganz sicher nicht durch schlechteres Sehen bedingt! Es sind die Umstände und Begleiterscheinungen unseres modernen westlichen Lebensstils, die den Anstieg der jungen Brillenträger in Deutschland maßgeblich bedingen.
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