Zwei neue Ausstellungen voller Gegensätze. Mode und Gewalt. Revolutionär sind aber wohl beide. Das Essener Museum Folkwang zeigt vom 1. März bis zum 5. Mai „Blumenfeld Studio – Farbe, New York 1941-1960“ und „Kairo. Offene Stadt – Neue Bilder einer Revolution“. Auf der einen Seite schaut der Besucher mit Modefotograf und Avantgardist Erwin Blumenfeld zurück in die Zeit knallroter Lippenstifte und hochgesteckter Haartollen. Auf der anderen Seite schlägt ihm der arabische Frühling ins Gesicht. Die Macht sozialer Netzwerke. Eine Umwälzung mit Bedeutung für die Zukunft.
[ruhr-guide] An den weißen Wänden hängen rund 100 Portraits junger Frauen. Sie strahlen das aus, was wir heute „Vintagelook“ nennen. Eleganz, Anmut aber auch eine gewisse Strenge. Erwin Blumenfeld, einst meist gefragtester Modefotograf in den 40er und 50er Jahren, brachte den Surrealismus in die Modewelt. Beleuchtete Schaukästen im Raum zeigen die Diapositive von damals. Original erhaltene Titel der „Vogue“, geziert durch Blumenfelds Portraits, geben Einblick in den Querdenker der Fotografie. Er experimentierte viel. In einer Zeit, in der es noch kein Photoshop gab. Mit Filtern, Ausschnitten und Folien. Mal klebte er Tesafilmstreifen zu einem roten Kreuz, mal setzte er schwarzen Karton ein, um hinter seinem Model eine perspektivische Stadt zu erschaffen, die es gar nicht gab. Leuchtend rote Fingernägel, graziöse Kopfbedeckungen, schwarze Handschuhe und Zigarette. Breakfast at Tiffany’s mit Audrey Hepburn im Charme verschatteter Gesichter und Bildwitze. Die Ausstellung „Blumenfeld Studio – Farbe, New York 1941-1960“ zeigt futuristische Ideen aus der Vergangenheit, die noch heute bezaubern. Ideen eines Künstlers, der als deutscher Jude erst in Holland und Paris arbeitete,um schließlich 1941 in die Staaten zu flüchten. Eines Künstlers, der oft mit Art-Direktoren und Fotolaboranten stritt. Für mehr Mut zu Neuem in der Modefotografie.
Offene Stadt Kairo im Museum Folkwang
Sprung nach Kairo. Kurznachrichtendienst im Krisengebiet. Der Vorraum der Ausstellung „Kairo. Offene Stadt – Neue Bilder einer Revolution“ im Museum Folkwang ist schmal, bedrängend. Die Wachturmfotografien von Eva Bertram legen die Kontrolle der Staatsmacht dar. Daneben Zeichnungen von Ahmed Kamel. In der großen Halle, die sich dem Besucher anschließend öffnet, flimmert ein auf dem Boden stehendes Fernsehgerät. Es geht nicht nur um den Umbruch und das politische Erwachen einer jungen ägyptischen Generation. Es geht auch um ein Medium im Wandel.
Zeitungen und Internet
Zwischen den vielen hohen, ein wenig düster wirkenden Kuben aus dem alten Museum Folkwang findet der Betrachter eindrucksvolle Portraits, Demonstrationsmassen – viel Leid, Blut und Schmutz. Kampf. Aber auch eine Menge Entschlossenheit und Freiheitswillen. Erinnerungen an den Mauerfall werden wach. Kurze Videos verborgen hinter schwarzen Vorhängen. Originalplakate von Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz. Die multimediale und moderne Ausstellung „Kairo. Offene Stadt – Neue Bilder einer Revolution“ möchte entdeckt werden.
Kombinierbare Ausstellungen
Beide Ausstellungen sind nicht riesig und können am selben Tag besucht werden, denn der Eintritt gewährt Zugang zu beiden Räumlichkeiten. In Vergangenheit schwelgen können die Besucher, die einen Einblick in Blumenfelds Fotoaltelier werfen möchten – direkt und unbearbeitet aus New York. Schöne Frauen, Mode und ästhetisch-experimentelle Fotokunst warten hier. Heiß umkämpft und noch lange nicht beendet ist die Revolution in Ägypten. Die offene Stadt Kairo lädt hierbei nicht nur zum Nachspüren der 2011 begonnenen Umwälzungen ein, sondern auch zum Nachdenken über Bedeutung und Einfluss von Bildern und Texten in unserer heutigen Netzwelt.
Blumenfeld Studio – Farbe
2. März – 5. Mai 2013
Kairo. Offene Stadt
1. März – 5. Mai 2013
Di – So: 10 – 18 Uhr
Fr: 10 – 22.30 Uhr
Eintritt: 8 €, ermäßigt: 5€
Museum Folkwang Essen
Museumsplatz 1
45128 Essen
(sarah bauer)
Fotocredit: Sarah Bauer