Donnerstag, 13. Juli 2006: Die Riesensause mit dem Untertitel „Calling Europe“ ist gestartet. Zum ersten Tag Bochum Total 2006 brummte es mächtig im Bermuda3Eck als Boppin‘ B, Finkenauer, Illicit, Fehlfarben, The Toasters und Dendemann die Bühnen stürmten. Schon zum Auftakt am Donnerstag platzte die Innenstadt aus allen Nähten, auch dank des tollen Wetters. Die Bilder sind online!
[ruhr-guide] Festivalsprecher Björn Büttner hatte nicht viel Zeit. Es war Mittwoch, in 25 Stunden sollte der Startschuss zur Supermegasause im Bermuda3Eck fallen. „Das Chaos wird jedes Jahr neu erfunden“, grinste er. „Morgen um 5 geht es mir dann richtig gut.“ Und pünktlich am Donnerstag, dem ersten Festivaltag, entspannten sich die Gesichter der Veranstalter, die Sonnenbrille wurde lässig ans Shirt geklemmt und los ging es …
Zeitgleich auf den vier Bühnen wurde wieder einmal das vielfältige Festivalprogramm demonstriert: Comedy vom Unglaublichen Heinz, 1hoch6 überraschten mit ungewöhnlichen Klassikklängen, Fertig, Los! brachten Poesie ins Spiel und Culturell präsentierten ihren einmaligen Hip Hop-Stil. Langsam füllte sich die Innenstadt. Die Sonne brannte heißer als es erlaubt war, und selbst unseren aus Brasilien angereisten Freunden war es fast zu warm. Wenn der Donnerstag sonst immer der ruhigere Tag war, wenn man die Begriffe „Bochum Total“ und „Ruhe“ überhaupt in einem Zusammenhang erwähnen kann, war es 2006 voller als zuvor. Boppin‘ B sorgten bereits am frühen Abend für einen überfüllten Südring, rockten und rollten in bester „Scheiß Band“-Manier und verwandelten das Festival in ein „Mädcheninternat“. Hatten sie im letzten Jahr bei Bochum Total einen kleinen Sturm überstanden, entfachten sie ihn in diesem Jahr direkt von der Bühne aus. Eine schönere Version von Saschas „If you believe“ hat es wohl bisher noch nicht gegeben.
Schon eine Stunde vor dem Festivalbeginn trafen wir PaX, Principle, Pieter, Freek und Bram aus Utrecht. Zusammen haben sie den knapp dreistündigen Weg ins Ruhrgebiet in einem gemieteten Wagen auf sich genommen, um zur Primetime zum ersten Mal bei Bochum Total dabei zu sein. Eine Stunde vor dem Festivalbeginn lümmeln die Bandmitglieder von Illicit noch sehr entspannt vor der WAZ-Bühne auf dem Konrad-Adenauer-Platz. Gerade wurde in ihrem Heimatland das Album „Cheap Propaganda“ veröffentlicht und den Bochumern wollten sie nun zeigen, was in der aufstrebenden Kulturmetropole Utrecht so geht in Sachen Hip Hop. Ihr Sound ist eigentlich einfach beschrieben, sagt zumindest der charismatische Sänger PaX: „Wir nehmen den Hip Hop und jazzen ihn auf, wir bringen die Soulvibration in den Hip Hop. Dazu benutzen wir keine Samples, unsere Wurzeln liegen in den Sounds der 70er, im Funk, im Jazz, im Rock und im echten Hip Hop, wir spielen dies mit ‚echten‘ Instrumenten.“ Die vier Jungs kennen sich seit über 10 Jahren, „viel zu lange“, meint Pieter, „eigentlich sollten wir uns auflösen … Hey das ist heute das letzte Konzert von Illicit“. Mit mächtig viel Spaß gehen Illicit ihr Ding an, auch später auf der Bühne springt genau dieser Funken direkt über auf das Publikum, das ab den ersten Beats bereits kräftig feiert. Der relaxte und coole Sound passte perfekt ins Bochum Total-Programm, Illicit haben im Ruhrgebiet eine Menge neue Fans gewonnen. Bis zur Veröffentlichung ihres Albums muss man sich allerdings noch bis November gedulden, dann kommen sie ganz bestimmt auf eine ausgedehnte Tour wieder nach Deutschland.
Zwischen den tollen Konzerten war es wie immer Pflicht, sich einen Überblick zu verschaffen. Die im letzten Jahr erstmalig ausprobierte Sperrung der Viktoriastraße hatte sich bewährt. So findet sich hier auch 2006 wieder der größte Biergarten NRWs. Alle Gastronomen haben Tische und Bänke auf die Straße gestellt und können nun wirklich jeden Bochum Total-Besucher mit kühlen Getränken versorgen. Dazwischen gibt es an den Ständen viel zu stöbern und zu kaufen. Die Plattenbörse „Soundcheck“ ist ebenfalls wieder dabei und noch ein wenig größer und vielfältiger als zum Festivaljubiläum. Neben Pommeswagen und Bierstand hat es sich auch Christian aus Recklinghausen an seinem Stand gemütlich gemacht. „Sold Out“ soll es dann am Sonntagabend heißen, wenn Armytaschen, Bandbadges und Schmuck einen neuen Besitzer gefunden haben. Nach einem kurzen Plausch ging es dann aber auch schnell weiter zur EinsLive-Bühne.
Ein paar Meter weiter war das Motto wieder ein ganz anderes. Finkenauer, modisch ganz weit vorne mit schickem Dandyhut, ludt zu einem Poetry Slam vs. Punk-Chansons. Musikalisch in keine Schublade einzuordnen, sorgte er für eine ganz besondere Stimmung. Die herrschte ebenfalls vor der Ringbühne, wo einem Konzert der ganz besonderen Art entgegen gefiebert wurde, denn mit den Fehlfarben sollte eine Art Legende das Festival im Revier rocken. Kein Wunder also, dass das Publikum so bunt gemischt war: vom Altpunk aus dem Pott bis zum Girlie aus dem Sauerland, und mit wahrhaftig haarsträubender Frisur, feierte man hier das Weiterbestehen der „Knietief im Dispo“-Haltung als Treffen der Generationen. Stilecht in zerrissenen Jeansklamotten sang Peter Hein 27 Jahre nach der Bandgründung „Paul ist tot“. Das war der erste Höhepunkt des Tages, wenn sich auch einige junge Besucher viel mehr für eine Bochumer Punkikone interessierten und Wölfi von Die Kassierer seinen Ruhm, und sein Bier, sichtlich genoss.
Keine Atempause gab es auch für den engagierten Bochum Total-Besucher, denn auf der EinsLive-Bühne durfte Dendemann auf gar keinen Fall versäumt werden. Dort die Punklegende, hier der Held der Reime. Mit wem der Dendemann nicht schon alles eine Bühne geteilt hat, nach Bochum war er mit seinem DJ angereist und begeisterte die Massen auf dem Südring. Da flogen die Arme in die Höhe, da wurde gehüpft, getanzt, gelacht, lautstark mitgesungen – die Stimmung hätte nicht besser sein können. Davon, und dass die Fans auch bei seinen neuen Songs so dermaßen abgegangen sind, war Dendemann selbst noch beim Frühstück am Freitagmorgen völlig geflasht!
Und es wäre nicht Bochum Total, wenn nicht mindestens noch an anderer Stelle der Bär gesteppt hätte, in schwarz-weißem Karomuster. Der zweite Top Acts am Donnerstag wurde nämlich ebenso sehnlichst erwartet und Freunde des Ska kamen beim Auftritt von der Skalegende The Toasters voll auf ihre Kosten. Nur gut, dass die Sonne langsam unterging und die ausgelassene Tanzerei damit überhaupt erst möglich wurde. Robert Hingley, Gründer der Toasters im Jahre 1982, bewies allen Besuchern, dass Musik keine Frage des Alters ist, sondern der Einstellung. Und die Einstellung auf der Bühne war genau das Richtige für das Festival, und so machte es auch 19 Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Toasters-Albums mächtig „Skaboom“ in Bochum.
Nach dem ersten Festivaltag hat sich also gezeigt: Nach der WM ist vor Bochum Total, denn die Partylaune ist auch nach vier Wochen Fußballfieber ungebrochen und das Revier will mehr. Und ein internationales Turnier ist es auch, das Motto „Calling Europe“ verpflichtet. Der Ruf des Ruhrgebiets-Festivals erreichte auch für die nächsten Tage die europäischen Gäste Belasco (UK), Lost Alone (UK), Liv Kristine (Nor), IAMX (UK/D) und Daniel Cicera (Schweden). „Die internationale Ausrichtung des Festivals ist in den letzten Jahren immer ausgeprägter geworden“, bestätigt Festivalsprecher Björn Büttner. „Das hat einfach damit zu tun, dass Bochum Total in Künstlerkreisen als eine Veranstaltung bekannt ist, bei der der Fokus auf die Präsentation der Musik und nicht auf das Drumherum gerichtet ist.“
Wenn es zu Bochum Total an den vier heißesten Tagen der Stadt in erster Linie auf den Straßen hoch her geht, heißt es nicht erst nach 22.00 Uhr stets: „Ab in die Kneipen und Bars“, denn dort wird in jedem Jahr bis in die frühen Morgenstunden weitergefeiert.
Den Bericht zum Festivalfreitag gibt es hier …
Das Bochum Total-Programm 2006
EinsLive-Bühne:
Samstag:
17.00 Uhr Voltaire
18.15 Uhr Ostkreuz
19.30 Uhr Sono
20.45 Uhr Lost Alone
Sonntag:
17.00 Uhr Neuser
18.15 Uhr Gods of Blitz
19.30 Uhr Rapsoul
20.45 Uhr Martin Jondo
Ring- Bühne / Schattenreich
Samstag:
17.00 Uhr Eisheilig
18.15 Uhr Zombie Joe
19.30 Uhr XPQ-21
20.45 Uhr Melotron
Sonntag:
17.00 Uhr Liv Kristine
18.15 Uhr Secret Discovery
19.30 Uhr IAMX
20.45 Uhr DE/VISION
Heinz-Bühne
Samstag:
17.00 Uhr son et lumiere
18.15 Uhr the plane is on fire
19.30 Uhr Kate Mosh
20.45 Uhr Dog Eat Dog
Sonntag:
17.00 Uhr Pipeline Club
18.15 Uhr Daniel Cirera
19.30 Uhr El Bosso & Die Ping Pongs
20.45 Uhr Alpha Boy School
WAZ- Bühne
Samstag:
17.00 Uhr Small Is Beautiful
18.15 Uhr Kai Magnus Sting
19.30 Uhr Bossa Nova and the Big Beat
20.45 Uhr Das Spardosen-Terzett
Sonntag:
15.00 Uhr Smaat -Die Slam Poerty Boygroup
16.00 Uhr Danja Atari
17.00 Uhr Halogenpoeten
18.15 Uhr Party Popes
19.30 Uhr Wunder
20.45 Uhr Pamela Falcon
Mehr Infos gibt es auf www.bochumtotal.de
Bochum Total 2006
13. – 16. Juli 2006
(sl/cj)