„Die wahre Geburt des Werkes, wie es sein sollte“ – Der weltberühmte Künstler Francois Morellet bedankte sich in Bochum für die Erhaltung seiner Installation am Springerplatz durch „Koalition Kunst“. Die Stadt stellt ab sofort 100.000 Euro für Kunstkataster bereit.
Bochum, 22. April 2005. Außergewöhnlichen Besuch aus Frankreich erhielt am Freitag, 22. April, der Springerplatz in Bochum: Der weltberühmte Künstler Francois Morellet besichtigte seine erneuerte Skulptur „Zwei gerade Segmente, das eine horizontal, das andere vertikal“, die eine „Koalition Kunst“ aus engagierten Bochumer Bürgern, Sponsoren, Unternehmern und Politikern vor dem Verrotten gerettet hatte. Im Dezember 2004 brachte die Bochumer Feuerwehr die großformatige Wand-Boden-Installation wieder an ihren alten Platz, jetzt freute sich Künstler Morellet an diesem Anblick. Nach Bochum eingeladen hatten den 79jährigen Künstler die Bochumer Bettina Eickhoff gemeinsam mit Silke und Alexander von Berswordt.
Bedeutender Künstler der Moderne
Francois Morellet zählt zu den bedeutendsten französischen Künstlern der Gegenwart, seine Werke hängen im Centre Pompidou in Paris und in anderen großen Museen der Moderne. 1979 wählte der heute 78-Jährige den Springerplatz in Bochum – ein Stahlarbeiterviertel mit hohem Ausländeranteil – für seine großformatige Installation „Zwei gerade Segmente, das eine horizontal, das andere vertikal“ aus. Bei dem Objekt handelt es sich um zwei mit roter Signalfarbe lackierte, 5 Meter lange und 30 Zentimeter hohe Blechbalken. Einer befindet sich an der Wand eines öffentlichen Gebäudes, der andere liegt im rechten Winkel auf der Wiese davor.
Besseres Material – bessere Technik
10.000 Euro hatten Bochumer Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2004 gesammelt, um Morellets Skulptur zu retten, die sich in einem völlig desolaten Zustand befand. Gemeinsam mit einer Vielzahl von städtischen Ämtern – dem Grünflächenamt, dem Tiefbauamt und der Feuerwehr – gelang das nicht nur revierweit einzigartige Vorhaben. Die Aufgabe hatte es in sich: Die Farbe des Bodensegments der Morellet-Installation war völlig verschwunden, das Objekt rostete, lag auf der Seite. Die Farbe war an vielen Stellen abgeplatzt, die restlichen Farbflächen wurden beschmiert und beklebt. Weil die ursprünglichen Teile nicht mehr zu restaurieren waren, ließen sie bei der Siegener Firma Pickhan identische Stahlteile anfertigen, die dann – transportiert durch die Bochumer Metallbaufirma Eikelbeck – in Bochum von der Feuerwehr mit der Tagesleuchtfarbe „Feuerwehrrot“ gespritzt wurden. „Es kommt oft vor, dass Werke im öffentlichen Raum verschwinden: fehlende Widerstandskraft aufgrund mangelnder Haltbarkeit des Materials… das ist mir tatsächlich schon passiert. Aber ich habe auch manchmal das Glück wie in Bochum, sehen zu können, dass Kunstwerke wiedergeboren werden unter Berücksichtigung der Fehler der Vergangenheit: besseres Material und bessere Technik. Das ist letztlich nicht mehr die Wiedergeburt des Werkes, aber die wahre Geburt des Werkes, wie es sein sollte“, schrieb Morellet zu Ostern 2005 in einem Gruß an seine Bochumer Freunde.
Ratsbeschluss stützt Kunstkataster
Ein passenderes Datum als den 22. April hätte sich Francois Morellet für seinen Besuch in Bochum wohl kaum aussuchen können. Erst am Vorabend, 21. April, hatte der Rat der Stadt Bochum die Summe von 100.000 Euro in den Haushalt eingestellt, um rund 200 öffentlich zugängliche Kunstwerke an Häusern oder auf Plätzen aufzulisten und auf ihren Zustand untersuchen zu lassen. Die Entscheidung geht zurück auf das bürgerschaftliche Engagement für Kunst im öffentlichen Raum, das bei der Erhaltung der Morellet-Skulptur beispielhaft sichtbar wurde.
Engagement über alle Partei- und Ämtergrenzen hinweg
Für die Morellet-Skulptur engagierte sich über alle Parteiengrenzen hinweg eine außergewöhnliche „Koalition Kunst“. Dazu gehörten Wolfgang Cordes (Grüne), die Landtagsabgeordnete Dr. Ute Dreckmann (FDP), die Bochumer Familie Bettina und Peter Eickhoff, der CDU-Fraktionsvorsitzende Lothar Gräfingholt, die Geschäftsführer der Logos GmbH, Hans-Joachim Hauschulz und Frank Nokielski, Karl-Heinz Sekowsky (UWG) und die heutige Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz (SPD). Durch ihre Spenden unterstützten die Idee außerdem Bernd Wilmert von den Stadtwerken sowie die Unternehmen Pickhan aus Siegen und Eikelbeck aus Bochum. In der Stadtverwaltung halfen das Grünflächenamt, das Tiefbauamt und die Feuerwehr tatkräftig mit.
(Jens Südmeier)