Gottfried Helnwein: Epiphany I (Die Anbetung der Könige), 1996, Mischtechnik auf Leinwand, 210 x 333cm

Gottfried Helnwein – Beautiful Children

Vom 19. Juni bis 2. Oktober 2005 zeigte die Ludwig Galerie Schloss Oberhausen mit den Kinderbildern das zentrale Thema des umstrittenen Künstlers. Und auch mit dieser Ausstellung überschritt Helnwein erneut Grenzen und polarisierte, indem er das Kind nicht als unschuldiges und liebenswertes, sondern als verletztes, entblößtes, gedemütigtes und misshandeltes Wesen darstellt.

[ruhr-guide] Ein wunderschönes junges Mädchen liegt wie leblos auf einem Tisch umringt von neun Männern in schwarzen Anzügen, Gottfried Helnwein: Epiphany I (Die Anbetung der Könige), 1996, Mischtechnik auf Leinwand, 210 x 333cmdessen Gesichter zu den schlimmsten Fratzen verzerrt und entstellt sind. Eine überdimensionale Version der Micky Mouse versucht aus ihrer zweidimensionalen Lebenswelt auszubrechen. Mit abgewandtem Blick sitzt die Mutter im Zentrum der Darstellung und hält auf ihrem Schoß einen unbekleideten Jungen. Diese klassische Mutter mit Kind-Darstellung wird begleitet von Männern in SS-Uniformen. Eine deutsche Band mutiert durch Klebeband zu unansehnlichen Albtraumwesen. Ein amerikanischer Schockrocker präsentiert sich mit Micky Mouse-Ohren.

Motive wie diese schockierten in der Ausstellung „Beautiful Children“. Sei es durch die drastische Darstellung des herrschenden und beherrschten Menschen, durch die Demontage herkömmlicher und gefälliger Bildwelten. „Oder liegt die Ursache für die schockhafte Reaktion nicht im Betrachter selbst?“ fragte Dr. Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, die anlässlich der Ausstellungseröffnung am 19. Juni im Schloss Oberhausen sprach. Doch sie war nicht ausschließlich als Politikerin ins Ruhrgebiet gekommen, sondern sprach auch als gute Freundin des Künstlers, den sie vor 20 Jahren kennenlernte. Und so gratulierte sie nicht nur den Ausstellungsmachern für ihre Tapferkeit, Helnweins Werk in einer so umfangreichen Schau endlich wieder nach Deutschland geholt zu haben. Dr. Vollmer lobte auch das Politische im Schaffen Helnweins, das nicht durch große Reden sondern allein durch das Ausstellen seiner Bilder erzeugt wird.

Bei schönstem Sommerwetter kamen zahlreiche interessierte Besucher ins Schloss Oberhausen um Gottfried Helnwein zur Eröffnung seiner Ausstellung „Beautiful Children“ zu sehen Alfred Biolek kam zur Ausstellungseröffnung von Gottfried Helnwein - Beautiful Childrenund sich mit ihm über seine Arbeit auszutauschen. Sichtlich gut gelaunt gab der Künstler Auskunft und nahm sich nach dem Rundgang durch die Ausstellung Zeit für eine Signierstunde. Neben den vielen Kunstinteressierten und Helnwein-Fans waren namhafte Galeristen und Sammler anwesend, die zum Zustandekommen der Schau beigetragen haben. Auch einige Prominente aus den verschiedensten Bereichen reisten ins Ruhrgebiet, darunter Alfred Biolek und Rudolf Schenker von den Scorpions. Der Comedian Ingo Oschmann war nicht nur von den Werken Helnweins begeistert, hatte seine Tournee ihn noch vor kurzem in zahlreiche Städte im Ruhrgebiet geführt. „Das Ruhrgebiet wird immer noch unterschätzt“, berichtete er. „Hier ist vor allem kulturell so viel los, das glaubt man gar nicht.“ Auf die Frage nach dem Zusammenhang von Ingo Oschmann und einer Kunstausstellung erklärte er: „Ich als Bühnenkünstler schaue natürlich über den Tellerrand und lasse mich von verschiedenen Kunstformen inspirieren. In einer Ausstellung wie dieser bin ich von der künstlerischen Ausdrucksweise fasziniert. Auch für mein eigenes Programm finde ich hier neue Themen.“

Das zentrale Thema in Helnweins gesamtem Werk ist das Kind, das nicht als unschuldiges und liebenswertes,Gottfried Helnwein: Kuss, 2004, digitale Fotografie, 120 x 184 cm sondern als verletztes, entblößtes, gedemütigtes und misshandeltes Wesen gezeigt wird. So, wie sich Helnwein in seinen vielen Selbstbildnissen dargestellt hat, schreiend, verletzt oder bandagiert, überträgt er diese theatralischen Inszenierungen auf das reinste aller Geschöpfe und stilisiert es so zum Märtyrer. Am Beispiel des Kindes führen den Betrachter Helnweins Bilder schonungslos die Leidensfähigkeit des Menschen vor Augen. Helnwein selbst sieht die Welt am liebsten durch die Augen des Kindes: „Jedes Erziehungssystem zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften hatte immer nur ein Ziel: Menschen gefügig zu machen, sie zu brechen.“ Und so stellt er das Kind als gefügig gemachtes, gebrochenes Wesen dar und er enthüllt zudem die subversive Kraft hinter den malträtierten, Fratzen schneidenden Grimassen: die Kraft der Unschuld und des Widerstandes, der Beharrlichkeit und des Ungehorsams. Es sind verbotene, äußerst beunruhigende Bilder, weil sie radikal mit der Idee von der heilen Kindheit brechen, weil sie mit Tabus konfrontieren und die Grundsätze der Gesellschaft in Frage stellen.

Dabei konnte sich der Betrachter der Faszination dieser Bilder kaum entziehen. Durch Helnweins Technik verschmilzt in den Bildern die minutiöse Detailgenauigkeit der Fotografie mit dem inneren Leuchten altmeisterlicher Malerei. Was wie fotografierte Wirklichkeit erscheint, erweist sich bei genauem Hinsehen als gemalt. Seine Bilder über das Kind, aber auch über die Katastrophen der Geschichte und unserer Zeit erscheinen dem Betrachter deshalb irritierend vieldeutig. Wie in seiner Galerie der großen Männer – von Arno Breker bis Andy Warhol, Che Guevara und Marilyn Manson – verschwimmen die Themen Schein und Sein, Maske und Gesicht, Bild und Wirklichkeit bis zur Unkenntlichkeit.

Im Jahr 2004 wurde dieses zentrale Gottfried Helnwein signierte zur Ausstellungseröffnung in Oberhausen KatalogeThema in Helnweins Werk in der Ausstellung „The Child“ im San Francisco Fine Arts Museum präsentiert. Mehr als 123.000 Besucher sahen diese schockierenden und zugleich faszinierenden Bilder, die jetzt erstmals in diesem Umfang in Deutschland zu sehen waren. Die Schau „Gottfried Helnwein – Beautiful Children“ entstand in enger Zusammenarbeit von Künstler, Ludwig Galerie und Wilhelm-Busch-Museum Hannover. Nach der ersten Station in Hannover zeigte die Ludwig Galerie Schloss Oberhausen die Ausstellung in wesentlich erweiterter Form.

Gottfried Helnwein – Beautiful Children

19. Juni bis 2. Oktober 2005

Ludwig Galerie Schloss Oberhausen

Konrad-Adenauer-Allee 46
46042 Oberhausen
0208 – 412 49 28

(sl)

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