Am 17. Mai 2005 bewies die finnische Kapelle Eläkeläiset in der Zeche Carl, dass Pop- und Rockmusik auch anders klingen kann. Und so lud die Coverband die aus dem ganzen Ruhrgebiet angereisten Fans mit ihrem schnellen Humppa-Sound zum Tanz. Neben ihren musikalischen Fähigkeiten bewiesen die „Rentner“ ihre Trinkfestigkeit.
[ruhr-guide] Es soll ja Leute geben, die für ein Konzert ihrer Lieblingsband ihren Urlaub verschieben. Ein Blick auf die Tourdaten genügte um zu wissen, dass dies der einzige Auftritt von Eläkeläiset in ganz NRW im Rahmen ihrer Tournee „GER-CZE-AUT-SUI 2005“ sein sollte. Zur Vorbereitung hört man sich dann noch einmal durch die zahlreichen CDs, grübelt über eigentlich jeden Cover-Song und fragt sich, wie man im Angesicht dieser völlig unmöglichen Sprache nur ein einziges Lied mitsingen können wird. Schon früh lädt man dann seine Freunde ins Auto, besorgt auf der Fahrt nach Essen noch einige Biere, und reiht sich artig mit den aus dem ganzen Ruhrgebiet angereisten Fans in den obligatorischen „Humppa“-Shirts in die Schlange und wartet auf Einlass.
Die Kaue in der Zeche Carl füllte sich schnell mit Humppa-Fans der unterschiedlichsten Couleur. Dem Anlass entsprechend gekleidet sah man hier ein junges Mädchen mit stilechter finnischer Wollwintermütze (!), einen jungen Herrn mit stilechter Kopfbedeckung mit Schottenmuster (!!) und wiederum eine Dame mit Rentiergeweih (!!!). Schnell wurde klar: Humppa hat keine fest definierte Zielgruppe, denn auch der Essener Heavy trug unter seiner Kutte ein Humppa-Shirt von Eläkeläiset.
Die Vorband „Einstürzende Heuschober“ ließ nicht lange auf sich warten und heizte den Besuchern in der nicht ganz ausverkauften Zeche Carl mächtig mit ihrer brachialen rheinisch-westfälischen Speedpolka ein. „Volksmusik ist Rock’n’Roll“ war hier das Motto und ein würdiger Opener für die Finnen, die sich wohl erst noch warm trinken mussten. Die „Heuschober“ aus Münster können übrigens für private Anlässe gebucht werden. Da muss dann auf der Hochzeitsfeier die Oma auf dem Stuhl festgetackert werden, damit sie den Opa nicht zu heftig über den Tanzboden schleift. Unter www.heuschober.com gibt es alle Infos.
In der Umbaupause wurde dann alles für den Hauptact im Rentenalter vorbereitet. Vier Tische wurden aneinander geschoben, das kleine Keyboard und das Schlagzeug aufgestellt und los ging es. Stilecht mit finnischen Strohhüten im Cowboystil (?) betraten Eläkeläiset um kurz nach 22 Uhr die Bühne und in der Zeche Carl gab es kein Halten mehr. Als Opener gaben die vier Extremmusiker ihre Humppa-Version von Kraftwerks „Wir sind die Roboter“. Nach jedem Song erhoben sich die Musiker von ihren Plätzen, lüpften die Hüte zum Dank für den Applaus und besprachen dann das weitere Vorgehen des Auftritts.
Onni Varis am Keyboard bestach nicht nur durch seinen eigenwilligen Stil – bisweilen benutzte er zur Klangerzeugung beide Fäuste – sondern auch durch einige Worte und Redewendungen in deutscher Sprache. Kristian, Martti und Lassi unterhielten sich zwischendurch auf Finnisch und bisweilen kam schon ein wenig der Verdacht auf, dass sie sich möglicher Weise über das tobende Publikum lustig machten. Es hätte eh keiner verstanden.
Und wenn der jeweils nächste Song angesagt wurde, ging es wieder mal um eins: Humppa! Eläkeläiset gaben Klassiker der Rockgeschichte wie „Smoke on the Water“ von Deep Purple, „Sunday Bloody Sunday“ von U2 oder „Wind of Change“ von den Scorpions mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass die Originale dagegen beinahe blass aussahen. Und bevor der nächste Song angesagt wurde, ging es wieder mal um das andere: Alkohol. Damit wurden Eläkeläiset ihrem Ruf sowie dem aller Skandinavier auf dem europäischen Festland gerecht: Das Bier sowie beeindruckende Wodka-Orange-Mischungen flossen in Strömen und bei ihrer Vorstellung der Bandmitglieder bekam man den Eindruck, sich auf einem Treffen der Anonymen Alkoholiker zu befinden. Aber das gehörte hier dazu!
Nach dem regulären Set ließen sich die Finnen nicht lange von den „Zugabe“-Rufen des Publikums bitten. Nun kamen sie umgezogen in roten Hemden und mit schwarzen Krawatten zurück auf die Bühne und spielten „Das Model“, abermals ein Stück ihres vermutlichen Vorbilds Kraftwerk. Weiter ging es dann mit noch einigen Stücken natürlich aus der Humppa-Abteilung. Das Publikum hätte abgekämpfter nicht sein können, tobte doch vom ersten Klang der ganze Saal. Selbst wer sich nicht in die Pogo-Masse stürzte, tanzte zumindest für sich allein.
Wie schon das Tourplakat versprach: „Be prepared for the worst! You have been warned!“ In diesem Sinne ging ein gelungener Konzertabend zu Ende. Die Tour aber geht weiter. Unter www.humppa.com gibt es alle Daten.
(sl)