Keine Sonderausstellung für schwache Nerven: „Schädelkult – Mythos und Kult um das Haupt des Menschen“! Im Herner LWL-Museum für Archäologie ist vom 17. November 2012 bis zum 14. April 2013 eine einmalige Sonderausstellung zu sehen, die faszinierende und selten gesehene Exponate zeigt. Ob zum Gedenken an die Ahnen oder als Trophäenschädel – „Schädelkult“ begibt sich auf eine Reise sowohl durch die Kontinente als auch durch die Geschichte und ist auf alle Fälle ein sehenswertes Highlight in der Museumslandschaft des Ruhrgebiets!
[ruhr-guide] Die Faszination vor dem Grauen – wer heutzutage an Totenschädel, Schrumpfköpfe und Totenmasken denkt, fühlt sich wahrscheinlich schnell an Horrorfilme und Spukgeschichten erinnert. Doch erst im Laufe der neueren Geschichte wurden Totenköpfe und Ähnliches mit negativen Assoziationen wie Angst oder Ekel verbunden. Frühere Kulturen oder sogar unsere Vorfahren aus nicht all zu lang vergangenen Jahrhunderten empfanden die Thematik Tod und damit zusammenhängende Riten als selbstverständlichen Teil ihres Alltags und die Verehrung von Ahnenschädeln oder Reliquien waren allgegenwärtig. Diesen Fragen nach den menschlichen Schädeln und ihrer Verwendung in früheren Zeiten spürt die neue Sonderausstellung „Schädelkult – Mythos und Kult um das Haupt des Menschen“ im LWL-Museum für Archäologie in Herne nach. Unter den Fundstücken gibt es – aus heutiger Sicht – einige Skurrilitäten und gruselige Exemplare. Aber die Geschichten hinter den Exponaten machen neugierig und lassen den Besucher Einblicke in eine uns fremde Welt gewinnen.
Ausstellungskonzept von „Schädelkult“
„Schädelkult“ wurde durch die Wiederentdeckung der Schädelsammlung des Künstlers Gabriel von Marx aus dem 19. Jahrhundert inspiriert. Die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim konzipierten die ursprüngliche Ausstellung, die 2011 an diesem Ort zu sehen war. Nachdem sie anschließend im Schloss Gottorf in Schleswig gastierte, ist sie nun im LWL-Museum für Archäologie in Herne angekommen. Es handelt sich aber nicht um eine bloße Kopie der ursprünglichen Ausstellung, sondern es kamen eigens für Herne regionale, westfälische Funde hinzu, wie etwa ein Reliquienschädel aus dem Kreis Höxter.
Die Sonderausstellung „Schädelkult“ umfasst auf insgesamt 800 m² etwa 300 Exponate und ist thematisch geordnet. Im Anfangsbereich der Ausstellung werden die Bereiche Mythos Schädelkult, Schädelanatomie, Kriminalistik und der Schädelsammlungswahn aufgearbeitet. Im Folgenden geht es auf die Reise durch die unterschiedlichen Erdteile. In Afrika, Europa, Asien, Amerika und Ozeanien gibt es jeweils eigene Ausprägungen des Schädelkults. Vodun, der Vorläufer des Voodoo, Schrumpfköpfe, Skalps oder diverse Trophäenschädel – die Liste der uns unbekannten Riten ist lang. Auf jeden Fall gibt es einiges zu lernen und die einzelnen Schädelkulte geben Einblicke in das Leben und die Denkweise der Menschen von damals.
Neben Originalfunden gibt es in der Ausstellung „Schädelkult“ auch einige Bildschirmpräsentationen und Filme zum Thema. Besonders hervorzuheben sind dabei die Filme über die Verbrechen an dem afrikanischen Volksstamm der Herero in der Kolonialzeit und ein Film aus den 1960er Jahren, der auf ironische Weise den Rassenwahn der Nationalsozialisten vorführt und dabei auf originales Filmmaterial zurückgreift.
Ausstellungshighlights und Besonderheiten bei „Schädelkult“
Jede Sonderausstellung hat ihre ganz besonderen Schätzchen, die natürlich auch bei „Schädelkult – Mythos und Kult um das Haupt des Menschen“ nicht fehlen dürfen. Ganz besonders hervorzuheben ist der Nachbau eines sogenannten Kristallschädels. Jeder, der den letzten Teil der Indiana Jones-Reihe gesehen hat, weiß, dass es sich hierbei angeblich um eine Arbeit der Maya handeln soll, die auf einen Weltuntergangsmythos zurückgeführt wird. Neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge ist dies jedoch nur ein bewusst geschürter Mythos, der erst in neuerer Zeit erfunden worden ist. Zum Beweis dafür wurde ein „echter“ Kristallschädel für „Schädelkult“ nachgebaut, der seinen berühmten Brüdern zum Verwechseln ähnlich sieht.
Eine weitere Besonderheit bei „Schädelkult“ ist wiederum ein Nachbau. Der polnische Künstler Peter Fuss parodiert mit seinem Werk „For the Laugh of God“ das derzeit teuerste Werk der Gegenwartskunst, nämlich den Schädel „For the Love of God“ des britischen Künstlers Damien Hirst. Hirsts Kunstwerk ist ein Platinabguss eines Schädels, der über und über mit Diamanten besetzt ist und für 75 Millionen Euro verkauft wurde. Fuss schafft ein ebensolches Glitzerwerk, allerdings aus Plastik und Glas, dem als einziges Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Original ein Zahn fehlt. Nicht nur der geneigte Kunstfreund kommt hier ins Schmunzeln!
Im Bereich der Originale ist ein winziger Schädel aus Alabaster als Besonderheit zu nennen, der von Leonardo Da Vinci gefertigt worden sein soll. Kolumbianische Ahnenschädel, die niemals zuvor ausgestellt worden sind und ein Kopfjagdbootmodell, das zugleich das größte Ausstellungsobjekt ist, sind zudem hervorzuheben.
Die Ausstellung „Schädelkult“ stellt viele Annahmen über vermeintlich grausame Riten im Zusammenhang mit dem menschlichen Schädel sprichwörtlich auf den Kopf und beweist, dass man trotz Gruselfaktor noch eine Menge Spannendes über Geschichte und fremde Völker lernen kann. Eine in dieser Form einmalige Ausstellung, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte!
„Schädelkult“ im LWL-Museum für Archäologie Herne
Europaplatz 1
44623 Herne
Tel.: 02323 94628-24 und -0
www.lwl-landesmuseum-herne.de
Öffnungszeiten
Di, Mi, Fr: 9 – 17 Uhr
Do: 9 – 19 Uhr
Sa, So, Ft: 11 – 18 Uhr
24., 25. und 31.12.12 sowie am 01.01.13 geschlossen
Eintritt
Erwachsene: 5 EUR
ermäßigt: 3 EUR
Kinder (6 – 16 Jahre): 2 EUR
Fotos:
Bild 1: Michael Peuster
Bilder 2 – 4: Katharina Kuhlmann