Waaaaahnsinn! Die Open-Air-Innenstadt-Sause ging weiter und zwar genauso wie man es für einen Samstag erwartet hatte: Bochum Total lockte am dritten Festivaltag die Massen an! Sugarplum Fairy, Das Ich, Mambo Kurt und vor allem Tocotronic sorgten für dichtes Gedränge vor den Bühnen. Das Motto am Samstag: rocken, rocken, rocken.
[ruhr-guide] Es war das berühmte Bergfest und es ist mehr als gelungen. Am Samstagnachmittag schien die Bochumer Innenstadt beinahe verschlafen, die Sonne schien, in den Straßencafés genoss man ein spätes Frühstück. Es sah fast so aus wie an einem ganz normalen Sommertag. Allerdings nur fast, denn ab dem frühen Abend ging nichts mehr zwischen Südring und Konrad-Adenauer-Platz, zwischen Intershop und Rösti – ob es in den Staunachrichten wohl hieß „Stop and Go im Bermuda3Eck“?
Und was trieb die Menschen zu Bochum Total? Davon abgesehen, dass der Festivalsamstag stets der gefühlte vollste Tag des ganzen Wochenendes ist, lag es in erster Linie wohl an dem ungaublichen Line-Up, dass sich die Musikfans nicht nur vor den Bühnen drängelten. Auch schien die Sonne endlich einmal wieder länger als nur ein paar Minuten, lediglich kleine Schauer sorgten für die äußerliche Abkühlung, die Bierstände waren derart belagert, dass es hier zu langen Wartezeiten kam – die innere Abkühlung war aber wie immer bei Bochum Total garantiert.
Die Monsters of Liedermaching zeigten am frühen Abend das Motto der WAZ-Bühne an: Hier wurde gecovert was das Zeug hielt. Da wurden bekannte Melodien mit neuen Texten versehen, Ohrwürmer wurden zu Absurditäten, größtmögliche Unterhaltung und eine Menge Spaß gab es also mit Burger, Fred Timm, dem flotten Totte, Rüdiger Bierhorst und dem Duo Frische Mische am Zipfel des Bermuda3Ecks. Sehr viel härter, aber ebenfalls rockig ging es zeitgleich auf der Schattenreichbühne zu. Jesus on Extasy brachten das zumeist schwarz gekleidete Publikum bei bewölktem Himmel mächtig ins Schwitzen.
Den ersten Höhepunkt des Samstages gab es dann um halb acht auf der Eins Live-Bühne, und die in der ersten Reihe schon lange ausharrenden Fans kreischten ihre Lieblingsband dann auch lautstark herbei: Sugarplum Fairy boten schnörkellosen Gitarrensound vom Feinsten, schnell, laut und wild. Der guten Stimmung konnte auch der Regen nichts anhaben, es wurde getanzt, geklatscht, gerockt. Und besonders erfreulich für die weiblichen Fans: diese Jungs sehen einfach unglaublich gut aus!
Großen Wert auf ihr Aussehen haben auch wieder die Dark Waver und Goth Rocker vor der Schattenreich-Bühne gelegt. In Strict Confidence boten kraftvollen Sound, elektronisches und akustisches zusammen mit den unverwechselbaren Stimmen von Dennis Osterman und Antje Schulz. Sehr viel rockiger im eigentlichen Sinn ging es bei Bitune zu, alternativ und geradlinig.
Einen wirklich großartigen Auftritt lieferten auch Van Canto ab. Vier Sänger, eine Sängerin und ein Schlagzeug brachten das Publikum vor der WAZ-Bühne wirklich zum Staunen, denn Songs wie Metallicas „Battery“ werden auf diese Weise, beinahe a capella, wohl eher selten interpretiert.
Vor den Bühnen wurde es nun merklich voller, Bochum Total hatte nach den ersten Regentagen eine Menge nachzuholen, und das tat es auch. Die aufgeschnappte Frage „Wo kommen denn all die Leute her?“ deutete auf den großen Andrang der Open Air-Freunde hin. Dann wieder das Dilemma: Wohin zur Primetime? Manche Bochum Total-Fans schlugen dem Programm aber auch einfach ein Schnäppchen und blieben zu Hause. Wenn dieses Zuhause allerdings am Südring liegt mit einem Balkon direkt zur Eins Live-Bühne, was liegt da näher, als eine eigene Liveshow mit den besten Freunden zu geben. Wie schon in den letzten Jahren feierte man hier hoch über dem Festival eine kleine öffentliche Privatparty mit der Gitarre in der Hand und dem Miniverstärker auf dem Balkongeländer.
Der Headliner auf der Schattenreichbühne war kein Bochum Total-Neuling, Das Ich hatten schon vor zwei Jahren das Bochumer Publikum auf einen Höllenritt eingeladen und auch in diesem Jahr boten sie ihren Fans eine Bühnenshow der Sonderklasse. Mal schelmisch, mal bitterböse: Sänger Stefan Ackermann trat wieder in roter Farbe und Rock auf und begeisterte das Bochum Total-Publikum vor allem durch seinen Körpereinsatz und seine Mimik – ein diabolischer Harlekin. Dark Wave der Extraklasse hämmerte da auf den Südring, eine elektronische Sinfonie direkt aus dem Fegefeuer.
Aus dem Höllental hin zur deutschsprachigen Realität. Wer auf Gitarrenmusik steht und am Samstagabend nicht um kurz vor 21 Uhr vor der Eins Live-Bühnen einen guten Platz eingenommen hatte, war selber Schuld. Und dann kam die Frage auf: War es hier jemals so voll?“ Wohl kaum, denn mit Tocotronic wurde hier der Top-Act überhaupt erwartet. Und was wurden sie gefeiert von ihren Fans: Crowdsurfing und Ausflippen war angesagt. Dirk von Lowtzow & Co. spielten Songs des neuen Albums „Kapitulation“ ebenso wie alte Hits wie „Sie wollen uns erzählen“ – da sangen selbst die arg beschäftigen Security-Kanten mit.
Ein absoluter Lokalheld, Bochum Total-Veteran und sehnlichst herbeigesehnter Act war der gar nicht so heimliche Star des Festivaltages auf der WAZ-Bühne: In bewährter Manier und im immer gleichen weißen Anzug orgelte sich Mambo Kurt durch die Musikgeschichte. Mit seinem berüchtigten Schalk im Nacken gab es nur ein paar hundert Meter von den Hamburger Jungs ebenfalls Tocotronic-Sound, auf der Orgel sehr viel weniger tragend, sondern spaßig und mit Witz interpretiert. Begleitet von zwei hübsch ausstaffierten Discomiezen tanzte der begeisterte Bochum Total-Besucher dann auch gleich mit.
(sl)