Es war ein langer Weg für Ska aus Jamaika über England bis nach Münster, dem Geburtsort von Richard Jung alias Dr. Ring Ding. Die tanzbar-zackige Stilrichtung entstand Anfang der 60er in der Karibik als Reaktion auf den immer beliebter werdenden Rock & Roll, mit dem die Jamaikaner selbst nicht so viel anfangen konnten. Und bis heute bietet Ska ein abwechslungsreiches Kontrastprogramm. Seit Kurzem gibt es ein weiteres Ska-Machwerk auf dem Markt. Dr. Ring Ding überraschte Ende März die Szene-Fans mit „Bingo Bongo“, der Titel verrät gerade genug um die Neugier zu wecken.
[ruhr-guide] Mitte der 70er Jahre kam Ska in der britischen Arbeiterklasse und deren neuester, subversiver Jugendkultur, dem Punk, an. Bands wie die Sex Pistols und The Clash huldigten den alten Reggae- und Ska-Helden, Letztere nahmen beispielsweise einige ihrer Stücke auf Jamaika auf. Aus Punk, New Wave und Ska entstand so in der Folge 2-Tone, sozusagen die britischen Version des Ska, immer noch tanzbar, textlich jedoch geprägt vom Thatcher-Regime und dem trostlosen Leben in der britischen Working Class. Bekannte Vertreter des 2-Tone sind z.B. The Specials, Madness und The Beat. Danach ging es Ska ähnlich wie dem Punk: Er war überall und nirgendwo. Überall auf der Welt schlossen sich nun Ska-Bands zusammen, es war immer noch cool sich das schwarz-weiße Schachbrettmuster aufzunähen, doch nur wenige Bands hatten die Klasse oder die Relevanz der Vorreiter. So wirkt das Genre heute fast ein wenig angestaubt, würde es nicht auch hier die berühmten Ausnahmen zur Regel, wie etwa die großartigen Streetlight Manifesto aus New Jersey, geben.
Neues Machwerk vom Szene-Veteran
Auch Dr. Ring Ding hat schon einen langen Weg hinter sich. Als Teil jener dritten Welle ist er schon seit Mitte der 80er Jahre unterwegs und hat bei diversen Projekten mitgearbeitet und eine große Anzahl von Platten aufgenommen. Mit seinen Dr. Ring Ding & The Senior Allstars machte er bis 2002 von sich reden, danach folgten einige Soloalben und Kooperationen mit anderen Ska-Größen. Seit mittlerweile zwei Jahren ist er auch festes Mitglied der Busters, der wohl bekanntesten deutschen Ska-Band, die auch schon fast dreißig Jahre auf dem Buckel hat, was ihn aber nicht davon abgehalten hat, das Album „Bingo Bongo“ mit seiner international besetzten, neunköpfigen Ska-Vaganza zu kreieren, welches seit dem 27. März 2015 in den Plattenläden erhältlich ist. Bleibt die Frage: Wie angestaubt klingt das neue Machwerk des Szene-Veteranen?
Und da überrascht „Bingo Bongo“ ab dem ersten Ton: Es klingt frisch und nach vorne gewandt, obwohl es mit einem Auge immer in den Rückspiegel schaut. Orientiert wird sich an den jamaikanischen Ursprüngen, den Skatelites, Ska und Reggae in ihren verschiedensten Spielweisen, es ist jedoch der Spielfreude und der Erfahrung der Band und ihrer Mitglieder geschuldet, dass man lieber den Frühling hereinlassen will als den Staubwedel aus der Ecke zu kramen. Instrumentals stehen neben Calypso-Ska und Roots Reggea, die Texte des Doktors bleiben zwar oft humorvoll, sind aber nicht so flach wie teilweise bei früheren Projekten.
Fazit:
Und so macht „Bingo Bongo“ wirklich allumfassend gute Laune, Anspieltipps sind die auffällig ausgefeilten Stücke ohne Gesang wie „Gun Bae“ und „The Way Of Mercy“ oder das freche „When You’re Drunk“, in dem es darum geht, dass sie eben nur anruft, wenn sie – Sie ahnen es, lieber Leser – betrunken ist. „Bingo Bongo“ ist eine CD für Genre-Kenner, die sich an einem modern klingenden Old School Sound erfreuen wollen, es ist aber auch eine tolle Einstiegsplatte für all jene, die bisher noch nicht so viel von Ska gehört haben. Dr. Ring Ding und seine Kumpanen liefern einen guten Überblick, bleiben dabei jedoch stets unterhaltsam.
Fotos: 2015 Pork Pie