Die Wildschönau ist ein wildromantisches Hochtal in den Kitzbüheler Alpen und gilt vielen noch als echter Geheimtipp. Hier finden sowohl Bergfexe als auch Genusswanderer zahlreiche Touren nach ihrem Geschmack. Die Wildschönau strahlt eine einzigartige Ruhe und Gelassenheit aus, der ideale Ort zum runterkommen. Wir laden Sie ein zu einer Reise in eines der schönsten Hochtäler Tirols!
[ruhr-guide] Wer in die Wildschönau will, kommt meist durch Wörgl. Und genießt dann die Schönheit der Wildschönau um so mehr. Sorry liebe Wörgler, aber Eure Stadt ist wahrlich kein Juwel. Vorsichtig ausgedrückt. Und so sind wir froh, Wörgl hinter uns zu lassen. In Serpentinen geht es hinauf in die Wildschönau, das lärmige Inntal und der Stress der letzten Wochen verschwinden langsam hinter uns.
Die Wildschönau – eines der schönsten Hochtäler Tirols
Nachdem wir uns den Berg auf eine Höhe von 800 Metern hinaufgeschraubt und eine waldgesäumte Schlucht durchfahren haben, öffnet sich vor uns das sanft geschwungene Tal der Wildschönau. Und der Name verspricht nicht zu viel, wie sich in den nächsten Tagen herausstellen soll. Wild und schön ist sie tatsächlich, aber auch ruhig und beschaulich.
Hier fehlt glücklicherweise die lärmende Tourismusindustrie des nahen Zillertals, hier reihen sich keine Andenkenläden und Trachtenmodenshops aneinander, auch Industrieansiedlungen fehlen gänzlich. Dafür dominieren in der Wildschönau die zahlreichen alten Bauernhäuser, die gut erhalten und gepflegt die Wege säumen. Wer also Entspannung in den Bergen sucht, der ist in der Wildschönau genau richtig.
Entspannen im Wastlhof
Vor uns erstreckt sich Niederau, das erste Kirchdorf im Tal und hier haben wir auch unser Quartier bezogen, in dem von Familie Brunner und ihrem Team angenehm familiär geführten 4-Sterne Hotel Wastlhof, dass wir Ihnen guten Gewissens ans Herz legen möchten. Vor allem der großzügige Wellnessbereich und die hervorragende Küche konnten uns überzeugen. Für Freunde des Reitsports bietet sich die gepflegte Reitanlage und -halle sowie der professionelle Unterricht als Alternativprogramm zum Wandern an. Auch die Lage des Wastlhofs ist ideal – von hier aus erreicht man schnell das Inntal und Ausflugsziele wie den Wilden Kaiser, Kuftstein oder auch Innsbruck. Kurz gesagt: Selten haben wir in Tirol besser übernachtet.
Sanfter Tourismus in der Wildschönau
Aber zurück zur Wildschönau. und umfasst die vier Dörfer Niederau, Oberau, Thierbach und Auffach. Mit einer Länge von 24 Kilometern ist das Tal nicht gerade klein, aber zum Glück noch ein echter Geheimtipp. Erstmal urkundlich erwähnt wurde die Wildschönau im Jahr 1190. Im 16. Jahrhundert begann dann eine Epoche des Bergbaus, vor allem Silber- und Kupfererze wurde hier bis zum 19. Jahrhundert abgebaut. Relikte dieser Zeit finden sich mit Stolleneingängen und Geröllauswürfen vor allem an der Gratlspitze, die sich am besten von Thierbach aus erwandern lässt. Heute leben viele Wildschönauer vor allem vom Tourismus und auch Landwirtschaft wird noch betrieben, allerdings hat man sich hier ganz bewusst für einen sanften Tourismus entschieden. Auffällig auch, dass sich die Verbauung und Verschandelung der Landschaft durch die Wintersportindustrie in engen Grenzen hält, obwohl es am Markbachjoch und am Schatzberg zwei veritable Skigebiete gibt.
Wir aber sind zum Wandern hier und haben uns den September für die Tour in die Wildschönau ausgewählt. In den nächsten Tagen kommen dann allerdings erste Zweifel auf, ob wir nicht besser im Sommer gekommen wären. Kalt ist es. Und nass. Sehr nass. An einen Gipfelsturm ist erst einmal nicht zu denken. Aber zum Glück bietet die Wildschönau auch bei schlechtem Wetter so einige Alternativen. Zum Beispiel die , die man mit dem Auto oder dem Bummelzug von Mühltal aus erreicht. Entlang der Wildschönauer Ache wandert man in Richtung Kundl im Inntal in ungefähr einer Stunde durch eine wildromantische Schlucht auf ebenen Wegen, die sich auch bei Regen gut laufen lassen. Geöffnet ist die Kundler Klamm von April bis Mitte November. Allerdings wird der Regen immer heftiger und die Regenhosen haben ihren Weg irgendwie noch nicht in den Rucksack gefunden. Mal wieder. Also nach der Tour erst mal schnell in die Sauna …
Bergbauernmuseum und Handwerkermarkt
Ein weiterer Schlechtwettertipp ist das Wildschönauer Bergbauermuseum „z’Bach“. Zwischen Niederau und Oberau am Wildenbach gelegen, bietet sich der Besuch des Museums vor allem Donnerstags an, dann findet hier zwischen Mai und Oktober der sehenswerte Bauern- und Handwerkermarkt statt. Mit dem 1. Tiroler Holzmuseum gibt es in Auffach ein weiteres Museum im Tal.
Uns aber zieht es doch langsam aber sicher in Richtung Gipfel und so geht es mit der nahen Bergbahn hinauf aufs Markbachjoch (1500m). Als sich der Nebel langsam lüftet, stellt sich heraus, das der Wetterbericht wohl doch recht hatte: Schnee. So wird der Aufstieg zum (1731m) deutlich spannender, nur seltsam, dass wir hier oben ganz alleine unterwegs sind … mag es vielleicht am stürmischen Wind und dem leichten Schneetreiben liegen? Kaum aber haben wir den Gipfel erreicht, reißt die dichte Wolkendecke auf und beschert uns einen fantastischen Blick auf die schneebedeckten Gipfel des Wilden Kaisers sowie auf die Hohe Salve und entschädigt uns für den witterungsbedingt etwas anstrengenden Aufstieg.
Bei gutem Wetter ist die Tour dagegen höchst beliebt und recht einfach zu gehen. Bald darauf beginnen wir den rutschigen Abstieg in Richtung Roßkopfhütte. In der urigen Alm erwartet uns dann eine heiße Gulaschsuppe zum Aufwärmen. Hier treffen wir dann auch zum ersten Mal wieder auf andere Wanderer. In kurzen Hosen!? Mit dem irritierenden Gefühl, wohl doch völlig verweichlichte Flachländer zu sein, schleichen wir uns Richtung Tal.
Almabtrieb in der Wildschönau
In den nächsten Tagen wird das Wetter Tag für Tag besser. Beim traditionellen Almabtrieb in Auffach können wir dann tatsächlich das Spektakel im T-Shirt genießen. Über 500 Kühe in fantastischem Schmuck werden hier an uns vorbei getrieben. Ein großer Bauernmarkt lockt die Besucher mit seinen zahlreichen Ständen. Und an den Biertischen wird es im Laufe des Tages bei volkstümlicher Musik immer gemütlicher. Ein Highlight im Veranstaltungskalender der Wildschönau!
Im Sonnenschein machen die Bergtouren nun auch deutlich mehr Spaß. Empfehlenswert ist eine Besteigung des , dass man entweder von der Bergstation der Markbachjochbahn erwandert oder wie wir den Weg abkürzt und mit dem Auto sich zur Horlerstiegl (1475m) hochschraubt. Von der kleinen Kapelle erreicht man in wenigen Minuten auf geradem Wege die beliebte Holzalm oder eben in entgegengesetzter Richtung das Feldalphorn (1923m). Der Weg schlängelt sich zuerst einfach auf schmalem Pfad über einen mit wunderschönen kleinen Moorteichen durchsetzen Waldrücken, bevor es dann recht steil am Grat entlang zum Gipfel hinauf führt. Hier ist dann auch Trittsicherheit erforderlich. Wer noch Lust und Kondition hat, wandert vom Feldalphorn weiter zum nahen Schwaiberghorn (1990m). Auf dem Rückweg laden die vielen kleinen Teiche zum Rasten ein und Pilzsammler werden hier ihre helle Freude haben.
Vom Schatzberg zur Joelspitze
Eine weitere beliebte Bergtour in der Wildschönau führt uns zuerst mit der Bergbahn von Auffach auf den Schatzberg. Hier oben lässt sich der winterliche Skizirkus dann doch nicht ganz leugnen und auf breitem Weg pilgern im Sommer die Massen zum Gipfel des Schatzberges (1903m). Wir lassen die Schläppchenträger aber bald hinter uns und schon ab dem Hahnkopf (1902m) wird es schlagartig ruhig. Über Gern und Sternboden führt uns der Weg sanft durch eine wellige Wiesenlandschaft mit einem fantastischen Ausblick ins Alpachtal zur Joelspitze (1984m). Nur hier wird der An- und Abstieg etwas steiler. Konditionsstarke Wanderer können bei stabilem Wetter die Tour über den Grat in Richtung Lämpersberg (2202m) ausdehnen, sollten aber mit mindestens 7 Stunden Gehzeit rechnen. Auf dem Gipfel der Joelspitze können wir die Aussicht über die Wildschönau bis zum Wilden Kaiser nur kurz genießen, der Wind wird deutlich stärker und Wolken ziehen auf. Über den Niedersattel beginnen wir lieber den langen Hatsch in Richtung Auffach. Entgegen der Angaben in den Wandervorschläge des Tourismusverbandes sollten für die Tour aber mindestens 5 Stunden eingeplant werden.
Spaziergang in den Zauberwinkl
Wer es dagegen etwas gemütlicher mag, dem sei ein Spaziergang in den ans Herz gelegt, einem kleinen Weiler, der vom Bergbauernmuseum ausgeschildert ist. Von der kleinen Kapelle, an welcher der Rundweg zur schönen Aussicht beginnt, lädt eine Bank zum Verweilen ein. Von hier aus bietet sich ein stimmungsvoller Ausblick auf den Wilden Kaiser mit seinen majestätischen Gipfeln. Folgt man dem Rundweg erreicht man nach ca. einer halben Stunde die erwähnte schöne Aussicht. Die ist allerdings eher Geschmackssache, denn der Blick fällt zuerst auf ein riesiges Sägewerk. Hebt man den Blick, erscheint dann aber am Horizont das mächtige Rofangebirge und entschädigt für das lärmende Inntal. Wir lassen den Tag bei einem Kuchen im kleinen Cafe ausklingen und genießen die Ruhe im Zauberwinkl.
Überhaupt wird genießen in der Wildschönau groß geschrieben. Zahlreiche und Jausenstationen laden unterwegs zum Verweilen ein und bieten häufig besondere Spezialitäten an. So gibt es immer Dienstags auf dem Oberhausberg die bekannten Tiroler Bauernkrapfen und auf der Jausenstation Schrofen jeden Donnerstag typische Tiroler Hausmannskost. Und nach dem Essen gönnt man sich in der Wildschönau einen Krautinger. Der hochprozentige Schnaps wird aus der weißen Stoppelrübe gewonnen und gilt hier als heilsames Hausmittel. Allerdings ist der Geschmack etwas gewöhnungsbedürftig und führt gerne mal zu heftigen Diskussionen abends an der Bar zwischen Krautinger-Befürwortern und Geschmacksbanausen …
Kufstein und Umgebung
Nachdem der Kopfschmerz sich dann verabschiedet hat, steht mal wieder eine Tour ins nahe auf der Tagesordnung. Die Bergsportbrille hat sich verabschiedet und möchte ersetzt werden. Allerdings sollte man von der Perle Tirols nicht zu viel erwarten. Während die majestätische Burg und der historische Burgplatz sehenswert sind, ist das restliche Kufstein eher gewöhnlich bis uninteressant. Ansehen sollte man sich natürlich aber die Römerhofgasse und das Traditionshaus Auracher Löchl. Hier dichtete 1946 Karl Ganzer das Kufsteinlied, das den Ort in der ganzen Welt bekannt machen sollte. Wem die Touristenmassen in Kufstein zu viel sein sollten, dem empfehlen wir einen Ausflug zum Hintersteiner See am Wilden Kaiser. In dem malerischen See spiegeln sich die hochaufragenden Gipfel und ein gemütlicher einstündiger Rundweg führt um das Kleinod bei Scheffau. Im Sommer erwartet den Besucher eines der schönsten Naturfreibäder der Region.
Die Wildschönau – ein Paradies für Paraglider
Auch wer es sportlicher mag, ist in der Wildschönau gut aufgehoben. Ob mit dem Mountainbike auf die Gipfel oder gemütlich mit den E-Bikes, die auch hier Einzug gehalten haben, zu den Almhütten, hier ist für jeden etwas dabei. Sehr beliebt ist das Hochtal auch bei Paraglidern, die den Himmel in ein Meer bunter Tupfer verwandeln. Einzig einen Klettersteig mag man vermissen, dafür findet sich aber im Zauberwinkl ein Hochseilgarten. Auch sind die Klettersteige des Zillertals in einer Stunde zu erreichen. Besonders die Klettersteige Huterlaner (Schwierigkeit C) und Zimmereben ( Schwierigkeit C/D+) sind beliebt, da sie ohne langen Zustieg von Mayrhofen zu erreichen sind. Der Klettersteig Gerlossteinwand (Schwierigkeit C/D) ist allerdings eher etwas für Geübte. Die Schlüsselstelle Schwarze Verschneidung fordert gegen Ende nochmals ordentlich Kondition.
Zurück in der Wildschönau lassen wir den letzten Tag auf der Terrasse des Hotels ausklingen, genießen den Sonnenuntergang und sind uns sicher, bald, ganz bald werden wir zurückkommen in die Wildschönau, die ihrem Namen alle Ehre gemacht hat.
Autor: Pierre Jaquet