Nauders am Reschenpass ist besonders bei Wintersportlern beliebt, bietet aber auch im Sommer eine Vielzahl an Möglichkeiten. Eingebettet in eine hochalpine Bergwelt laden über 300 Kilometer gut beschilderte Wege rund um Nauders zum Wandern ein. Ob entspannte Touren auf dem Nauderer Höhenweg oder schwierige Gipfelanstiege – hier findet jeder sein persönliches Gipfelglück!
[ruhr-guide] Verlässt man bei Landeck die Autobahn in Richtung Reschenpass, führt einen der Landecker Tunnel direkt ins obere Inntal. Entlang des hier noch jungen Inns reihen sich zumeist kleine Dörfer wie Tösens aneinander, nur wenige Orte wie Ried oder Pfunds verfügen über eine größere touristische Infrastruktur. Rechts und links des Inns und der Bundesstraße 180 steigen die bewaldeten Berghänge steil empor. Vogelnestern nicht unähnlich thronen Orte wie Serfaus an den Bergflanken und bieten einen fantastischen Ausblick auf das Inntal. Hinter Pfunds beginnt dann der Aufstieg zum Reschenpass: Auf gut ausgebauter Strecke überwindet man die letzten Kilometer in Richtung Italien, bis sich plötzlich die sonnenverwöhnte Hochebene von Nauders öffnet.
Direkt im Länderdreieck Österreich, Italien und Schweiz gelegen, befindet sich hier eine Wanderregion, die ihresgleichen sucht. Nauders, dass vor allem Wintersportlern ein Begriff ist, bietet nicht nur Dank seiner Lage an der Alpensüdseite ein oftmals mildes Klima, sondern auch im Sommer ein Wanderparadies mit über 300 Kilometern bestens ausgezeichneter Wanderwege. Von gemütlichen Talwanderungen bis hin zu anspruchsvollen Klettersteigen reicht hier die Bandbreite des alpinen Sommersports.
Nauders – Hoch- und Blutgericht
Nauders liegt auf einer Höhe von 1.394 Metern direkt am Reschenpass und geht auf eine Besiedlung der Region aus dem Vinschgau in der Bronzezeit zurück. Mit dem Bau der Via Claudia Augusta im Jahr 34 n. Chr. gewann es an Bedeutung als Straßenstation an der wichtigsten römischen Handelsstraße über die Alpen, die es allerdings mit dem Ausbau des Brenners um das Jahr 200 wieder verlor. Im 10. Jahrhundert wurde Nauders Hoch- und Blutgericht der Grafschaft Vinschgau und war lange Zeit der höchstgelegene Gerichtshof Österreichs. In den folgenden Jahrhunderten kann Nauders auf eine bewegte Geschichte zurückblicken: So wurde das Schloss Naudersberg in den Engadiner Kriegen erstürmt und auch die Franzosenkriege zogen nicht spurlos an Nauders vorbei. Besonders aber die Pest entvölkerte im Jahre 1348 beinahe das gesamte Dorf, aber auch von Lawinenabgängen und Großbränden blieb Nauders nicht verschont. Heute erinnern nur noch die Festung Nauders und das Schloss Naudersberg an die bewegte Vergangenheit.
Vor allem im Winter dominiert heutzutage der Tourismus die Region am Reschenpass. Im Gegensatz zu anderen Wintersportregionen halten sich aber hier die Verbauung der Berge und die Eingriffe in die Natur noch in Grenzen. Nauders bietet im Sommer und Winter über 4.200 Betten, vom Bed&Breakfast für den durchreisenden Rad- oder Motorradtouristen, der über den Reschenpass Italien ansteuert, bis hin zur Luxusherberge. Auffallend viele 4-Sterne-Hotels finden sich im Ortskern, die sich allerdings baulich in das Dorfbild recht gut einpassen. So bilden Hotels und Pensionen mit den alten Bauernhöfen und Bauerngärten ein zumeist harmonisches Gesamtbild und vor allem das obere Dorf lädt mit seinen alten Gassen und zum Spazierengehen ein.
Hotel Hochland in Nauders
Wie man bei den gängigen Hotelbewertungsportalen unschwer feststellen kann, bewegen sich die Unterkünfte auf recht hohem Niveau. Unsere Empfehlung ist das Hotel Hochland mitten im Ortskern. Das aus zwei Gebäuden bestehende Haus bietet ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis und besonders die hervorragende Küche und der schön gestaltete Wellnessbereich bilden den gelungenen Abschluss an einem anstrengendem Wandertag. Unser Tipp: ein Zimmerupgrade. Die Zimmer zur Talseite bieten reichlich Platz und einen schönen Ausblick auf die Berge des Engadin. An lauen Sommerabenden belebt sich das Dorf und man flaniert gemütlich durch den Ortskern von Nauders, wobei sich im Sommer das Nachtleben vor allem auf den Monkey Pub und die konzentriert. In der Yeti Bar bietet Wirt Luis Spöttl eine reichhaltige Auswahl an Getränken und Cocktails und mittwochs rockige Live-Musik. Mit hier im Bild ist Markus Kurz, Chefkoch des neuen 5-Sterne Luxus Hotels Tannenhof in St. Anton am Arlberg.
Sommerurlaub am Reschenpass
Wer Nauders nur als Wintersportort kennt, wird überrascht sein, welch vielfältige Möglichkeiten ein Sommerurlaub am Reschenpass bietet. Zahlreiche Wanderwege führen zu den Gipfeln der Region. Grundsätzlich sind die Wege bestens beschildert, nur die Zeitangaben sind zu selten vermerkt und manchmal auch nicht stimmig. Im Folgenden wollen wir Ihnen einige Touren vorstellen, die Sie bei einem Besuch der Region nicht verpassen sollten. Wir legen Ihnen als Führer die neue Ausgabe des Rother-Wanderführers „Kaunertal. Oberinntal“ an Herz. Als Karte ist das Blatt 42 von Kompass für Landeck, Nauders und die Samnaungruppe im Maßstab 1:50 000 zu empfehlen, falls Sie in der gesamten Region wandern möchten, ansonsten greifen Sie besser auf die Alpenvereinskarte (Nr. 30/4, Maßstab 1:25.000) Ötztaler Alpen / Nauderer Berge zurück.
Grundsätzlich sollten Sie sich nur mit der entsprechenden Ausrüstung in die Berge begeben. Dazu zählen in jedem Fall gute Bergschuhe, Wetterschutzkleidung, ausreichend Wasser und Proviant, Sonnenschutz, Handy, Erste Hilfe-Set und bei roten oder schwarzen Bergtouren eventuell Handschuhe, Mütze, Stirnlampe oder Klettersteigsets. Turnschuhe und Flip-Flops haben im Gebirge dagegen nichts zu suchen. Unterschätzen Sie nicht die Schwierigkeiten einer Tour, informieren Sie sich vor Ort, beachten Sie, das es in den Bergen zu schnellen Wetterwechseln kommen kann und auch Schneefall im Sommer keine Seltenheit ist. Manchmal braucht es dann auch den „Mut zum Umkehren“!
Spannende Touren rund um Nauders
Aber nun auf in die Berge! Eine schöne Tour von ca. 4 Stunden zur Akklimatisierung führt vom Dorfkern aus zu den Sellesköpfen mit einer Höhe von 1650 Metern. Zuerst in Richtung Norbertshöhe und dann rechts durch Bergwiesen führt die Route zu den beeindruckenden Felsabbrüchen des Inntals. Sehenswert sind hier auch die alten Stellungen aus dem 1. Weltkrieg, besonders die Kaverne sollten Sie nicht verpassen. Die Schöpfwarte bietet einen fantastischen Ausblick ins Engadin und auf der Norbertshöhe wartet die wohlverdiente Einkehr. Von hier aus geht es beschildert links am Sportplatz entlang wieder hinab nach Nauders.
Eine landschaftlich besonders schöne Wanderung von ähnlicher Länge und geringem Schwierigkeitsgrad führt von der Bergstation des Mutzkopfliftes durch und von hier aus weiter zum Grünen See unterhalb des Gipfels des Piz Lad. Wenn das Wetter sich von seiner besten Seite zeigt, sollten Sie die Badehose einpacken! Um die Tour etwas auszudehnen, steigt man vom Grünen See recht steil in Richtung Großer Mutzkopf auf. Hier oben gabelt sich der Weg: Rechts führt er um den Dreiländerstein, allerdings sollte man für diese Variante noch über genügend Kondition und Zeit verfügen. Links dagegen führt uns der Wanderweg zum Gipfel mit seinem Ausblick auf den Reschensee. Zuerst steil, dann auf Forstwegen steigen wir über den bewirtschafteten Riatschhof wieder ins Tal und zurück nach Nauders.
Steinböcke am Piz Lad
Der Aufstieg zum Piz Lad dagegen gestaltet sich schon etwas steiler und anstrengender. Vom Reschensee aus fährt man zuerst am östlichen Seeufer zum Rojental hinauf und dann auf Almwegen zur Reschner Alm. Hier befinden sich einige wenige Parkmöglichkeiten. Über schmale Pfade und die Hochebene am Wetterkreuz geht es zuerst recht moderat bergauf, bis sich zuletzt der Weg in sehr steilen Kehren dem Gipfel auf 2800 Metern entgegen windet. Und das im wahrsten Sinne des Wortes! Auch bei gutem Wetter weht hier oft eine steife Brise, die man nicht unterschätzen sollte. Entlang des Grates wandern wir dann durch das Revier der Steinböcke: oft auch ohne Fernglas sieht man die seltenen Tiere auf den Felsabbrüchen in der Sonne liegen. Vorsicht ist allerdings an den Abbruchkanten geboten! Durch das Klampertal geht es zurück zum Wetterkreuz, wobei sich rechts des Weges mit entsprechender Geduld auch Murmeltiere beobachten lassen. Bitte stören Sie dabei aber weder Steinböcke noch die Murmeltiere und halten Sie den gebotenen Abstand. Mit 800 Höhenmetern im Aufstieg, steilen Anstiegen und ausreichend Zeit, die Tierwelt zu beobachten, sollte man für diese Tour schon 5-6 Stunden einplanen.
Von den Goldseen zum Mataunkopf
Ein weiterer leicht zu besteigender Gipfel der Nauderer Berge ist der Mataunkopf. Von der Bergstation der Bergkastel-Seilbahn führt der Weg durch grobe Blockfelder das Ganderbild hinauf zu den Goldseen, die selber etwas abseits des Weges liegen, aber einen Abstecher wert sind. Weiter geht es in steilen Kehren zur Pedrosschartl und dann wenige Meter über den Grat zum Mataunkopf auf 2895 Meter. Der Abstieg führt auf dem selben Weg zurück – oder falls genügend Zeit und Kondition vorhanden sind, über den Mataunboden ins Saletztal und über die Goldseehütte nach Nauders. Sehenswerter als die Goldseehütte ist allerdings die urige Piengalpe, die ein Stück weiter überdies noch Milchwirtschaft betreibt.
Oberhalb der beiden Hütten führt der Nauderer Höhenweg entlang, der ebenfalls an der Bergstation startet. Zuerst durch luftige Wälder, dann 14 Kilometer immer entlang der Baumgrenze bietet sich hier ein fantastisches Panorama, bis die Labaunalm erreicht wird. Die bewirtschaftete Hüte bietet einen etwas eigentümlichen Anblick: ein malerisches Haupthaus, umgeben von Beton. Der Abstieg erfolgt über Forstwege zum Parditschhof und von hier aus über den Alten Weg nach Nauders. Die Wanderung überwindet nicht viele Höhenmeter, ist aber aufgrund ihrer Länge nicht zu unterschätzen: 7 Stunden sollte man hier schon einplanen.
Goldsteig und Tirolerweg in Nauders
Aber auch echte Bergfexe kommen rund um Nauders auf Ihre Kosten: zahlreiche schwarze Touren führen auf Gipfel wie die Plamorterspitze, die Klopaierspitze oder das Nauderer Hennesiegel und sollten bei fehlender Erfahrung gar nicht oder nur mit Bergführer erstiegen werden. Ebenfalls schwierig und nur von Geübten zu begehen sind die Klettersteige Goldweg und Tirolerweg. Beide liegen im Schwierigkeitsgrad D/E und sollten nur mit der entsprechenden Erfahrung und Ausrüstung geklettert werden.
Nicht verpassen sollte man einen Ausflug zur straße. Trotz der happigen Maut von zur Zeit 20 Euro ist die Hochgebirgsstraße einen Besuch wert. In 29 Kehren schraubt man sich hier den Berg hinauf zum Weißseeferner. Unterwegs bieten sich tolle Aussichten und von den Parkbuchten oberhalb der Kehre am Weißsee – und nicht wie beim Rother Wanderführer beschrieben in der Kehre – führt ein markierter aber nicht beschilderter Weg zum Weißseejoch, dem Übergang vom Kaunertal nach Italien. Vom Joch aus bietet sich die Gelegenheit, einen Dreitausender zu besteigen, der leider keinen Namen trägt. So führen rechts unmarkierte Steigspuren ohne Weg zu dem Gipfelkreuz auf 3040 Metern. Von hier aus bietet sich eine fabelhafte Rundumsicht auf markante Majestäten wie die Weißseespitze, die Weißkugel oder den Glockturm. Der Abstieg erfolgt auf dem selben Weg wie der Aufstieg.
Gletscherblick im Langtauferertal
Vom Weißseejoch kann man auch einen Blick ins Langtauferertal werfen, dass sich von Nauders als Ausflugsziel für einen entspannten Spaziergang anbietet. Von Graun am Reschensee fährt man bis zum Parkplatz oberhalb des Sesselliftes Maseben. Hier quert man den Bach im Tal und hält sich links immer in Richtung Melager Alm. Entlang des reißenden Karlinbaches führt der Weg am Waldrand in leichter Steigung auf ein fantastisches Panorama zu: Am Talschlusss präsentieren verschiedene Gletscher wie der Langtauferer Ferner oder der Bärenbartferner ihre eisige Pracht. Von der Melager Alm kann auch die Weißkugelhütte erreicht werden. Zurück geht es auf der anderen Bachseite – allerdings oft nicht alleine, da die Tour äußerst beliebt ist. Leider macht sich das auch an der Verschmutzung der Wege bemerkbar, die Wegesränder bei den Touren auf italienischer Seite sind oft gespickt mit Taschentüchern.
Rund um Nauders bieten sich noch zahlreiche weitere Touren an wie zum Beispiel der Pfundser Klammsteig oder ein Spaziergang zur alten Hofstelle Stables. Nicht verpassen sollte man auch den großartigen . Weitläufige grüne Liegewiesen umschließen den Badesee, der mit Wasserrutschen, Beachvolleyball und Hochseilgarten zahlreiche Attraktionen zu bieten hat. Besonders beliebt – vor allem bei den heutigen Benzinpreisen – ist ein Ausflug in das schweizerische Samnaun, einem Zollfreibezirk, wo sehr günstig Benzin, Parfüm, Spirituosen und Zigaretten zu erwerben sind. Von allen anderen Produkten in dem sehr überlaufenen Ort mit seinen unzähligen Duty-Free-Shops sollte man die Finger lassen: hier liegen die Preise oft über denen von daheim.
Zwangsläufig gehört zu einem Aufenthalt in Nauders am Reschenpass auch ein Besuch des Reschensees. Dieser hat aber ebenso wie der zugehörige Ort wenig zu bieten. Wer hier eine Strandpromenade oder Cafés am Ufer erwartet, wird enttäuscht sein. Einzig ein kleiner Tretbootverleih belebt neben den Kitesurfern den See. Bekannt ist der Reschensee vor allem durch den Kirchturm, der bei Graun aus dem Wasser ragt. Er ist trauriges Mahnmal der Zerstörung der alten Kulturlandschaft, der alten Dörfer Graun und Reschen und der Zwangsumsiedlung der Bewohner im „nationalen Interesse“.
Aktivprogramm in Nauders
Auch bei schlechtem Wetter ist Nauders eine Reise wert. So können das , die Festung Nauders oder die Grenzfeste Altfinstermünz besichtigt werden. Als weitere lohnende Ausflugsziele bieten sich an Regentagen Meran, St. Moritz oder auch Innsbruck von Nauders aus an. Auch Schloss Juval mit dem Messner-Museum ist mit dem Auto gut zu erreichen. Nauders bietet seinen Sommergästen ein reichhaltiges Aktivprogramm mit Führungen, Workshop und geführten Wanderungen – und das zumeist kostenlos. Auch die Kinder kommen nicht zu kurz: Jeden morgen holt der Nauderix-Express die Kids zum ganztägigen Ferienprogramm, das vom Adventure-Day bis zur Survivalschule viel Abwechslung bietet. Besonders beliebt ist die Region auch bei Mountainbikern. Die Bikearena bietet eine unglaubliche Tourenvielfalt auf über 2.200 Kilometern und mit 80.000 Höhenmetern. Freunde des Klettersports vergnügen sich dagegen im neu angelegten Klettergarten an der Festung Nauders.
Aber ob nun mit Kind oder Mountainbike, ob zum gemütlichen Wandern oder zum Klettern, die Region um Nauders am Reschenpass ist ein ideales Sommerziel in den Alpen. Auf vorbildliche Weise hat sich der Wintersportort Nauders aktiv um Sommergäste bemüht – und das erfolgreich. Viele Touristen legen in Nauders nur einen Zwischenstopp für ein paar Tage ein – und wissen gar nicht, was sie verpassen. Ein oder zwei Wochen sollte man sich ruhig Zeit nehmen, um das Obere Inntal zu erkunden. Die vielfältigen Möglichkeiten bei jeder Wetterlage bietet kaum eine andere Region in Tirol – aber überzeugen Sie sich selbst!
(pj)