Vom Dorf zur Stadt, vom Kuhhirten zum Szeneviertel, ob „Megalopolis“ oder Europas größtes „Ballungszentrum“ – Bochum liegt mitten drin im Pott! Das im Klartext Verlag veröffentlichte Buch „Bochum und das Ruhrgebiet – Großstadtbildung im 20. Jahrhundert“ ist das Ergebnis einer Veranstaltungsreihe und gehört in jedes Bücherregal des historisch interessierten Ruhrstädters.
[ruhr-guide] Im Jahr 1904 wurde Bochum durch die Eingemeindung umliegender Ortschaften zur Großstadt. Wie in den Nachbarstädten des Ruhrgebiets prägten diese Eingemeindungs- wellen auch in Bochum die weitere Stadtbildung. Zugleich stießen diese Reformen auf massive Widerstände, die zum Teil bis in die Gegenwart andauern. Am Beispiel der Stadt tief im Westen beleuchtet das Buch „Bochum und das Ruhrgebiet“ die Entwicklungspolitik in der größten schwerindustriellen Ballungsregion Europas. Um genau dieses Thema drehte sich im Sommersemester 2004 eine 12-teilige Veranstaltungsreihe des Instituts für soziale Bewegung der Ruhr-Universität Bochum und des Stadtarchivs. Mit Filmdokumentationen, einer Podiumsdiskussion, einer Rathausführung und zahlreichen Vorträgen erntete die Reihe sowohl unter den Studierenden und als auch in der Bevölkerung großen Zuspruch. Jürgen Mittag und Ingrid Wölk haben in dem Buch „Bochum und das Ruhrgebiet“ 16 Artikel von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen zusammengetragen, die unterschiedliche Aspekte der Stadtentwicklung darlegen. Dabei schauen die Autoren immer auch auf die Nachbarstädte, wodurch sich beinahe eine umfassende Geschichte des Ruhrgebiets ergibt.
Mehr als ein wissenschaftliches Nachschlagewerk
Viele Daten gibt es in dem Buch „Bochum und das Ruhrgebiet“, doch ein durchweg wissenschaftliches Nachschlagewerk ist es dadurch keineswegs, vielmehr kann man sich hier Kapitel für Kapitel zum Ruhrgebietsprofi lesen. Beispielsweise beschreibt Klaus Tenfelde in dem Kapitel „Bergbau und Stadtentwicklung“ wie Kohle und Stahl das Revier geprägt haben und die Stadtregion Ruhrgebiet gegenwärtig nach einer urbanen Vision sucht. Dem Kapitel „Bomben und Trümmer: Die Zerstörung Bochums im Zweiten Weltkrieg“ von Norbert Krüger folgt selbstverständlich eine Abhandlung von Martin zur Nedden, die sich intensiv mit dem „Wiederaufbau der Stadt Bochum aus heutiger Sicht“ beschäftigt und es wird deutlich, dass in Bochum sehr schnell eine hochmoderne City entstand.
Konkurrenzen im Ruhrgebiet
Auch
wenn sich das Revier als Ruhrstadt versteht, beobachtet Stefan Goch im Kapitel „Der Kampf um die Vorherrschaft“ unter den Städten von Bottrop bis Mülheim, von Gelsenkirchen bis zum Kreis Wesel innerregionale Konkurrenzen. „Die meisten Städte und Kreise im Ruhrgebiet haben offensichtlich keine Probleme mit den sie umgebenden Städten und der Region – sie erwähnen sie gar nicht und sie gehören irgendwie auch nicht oder nicht mehr zum Ruhrgebiet.“ Der Autor schreibt weiterhin resümmierend: „Was diese Stadtmarketingstrategen nicht erkennen, ist relativ einfach und sollte doch mindestens schon 20 Jahre bekannt sein: Alle Ruhrgebietsstädte müssen eigentlich erkennen, dass sie allein längerfristig nicht einmal gegen die Standortkonkurrenten in Nordrhein-Westfalen wie beispielsweise Düsseldorf und Köln bestehen können. Im weltweiten Wettbewerb der Agglomerationen wird nur das ganze Ruhrgebiet eine Chance haben können.“
Fazit:
Das Buch „Bochum und das Ruhrgebiet – Großstadtbildung im 20. Jahrhundert“ stellt in interessanten Artikeln verschiedene Sichtweisen auf das Revier des vergangenen Jahrhunderts heraus. Mit seinen zahlreichen historischen Zeichnungen und Fotografien, Karten und Tabellen sowie der ausführlichen Zeitliste am Ende des Buches hat man ein umfassendes Werk zur Entwicklung des Ruhrgebiets in Händen.
Bochum und das Ruhrgebiet
Ingrid Woelk / Jürgen Mittag (Hg.)
Großstadtbildung im 20. Jahrhundert
Klartext Verlag Essen, 2005, ca. 400 Seiten, zahlreiche, zum Teil farbige Abbildungen, Festeinband, 24,90 €, ISBN 3-89861-459-X
(sl)