Was passiert, wenn ein Krimiautor und ein Journalist beschließen, gemeinsam ein Buch zu schreiben? Wolfgang Berke und Jan Zweyer, beide eingefleischte Ruhrpottler, haben genau dies getan. Das Ergebnis dieser Kooperation ist das Buch „Echt kriminell“, in dem die dreiunddreißig spektakulärsten Fälle aus der Kriminalgeschichte des Ruhrgebiets in aller Ausführlichkeit beschrieben werden.
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Laut den Autoren kam ihnen die Idee, nachdem sie über eine kleine Zeitungsgeschichte gestolpert sind, in der es um einen Londoner Herrenclub aus dem 19. Jahrhundert ging. Dessen Mitglieder haben sich regelmäßig zu einer gepflegten Runde getroffen, um die aufsehenerregenden Verbrechen, die in der Hauptstadt passierten, zu besprechen und diese anhand verschiedenster Kriterien zu bewerten. Die Zeiten mögen sich geändert haben, aber die Faszination für Kriminalfälle der Vergangenheit bleibt ungebrochen. Was die Bewertung anbetrifft, so wird diese Entscheidung dem Leser überlassen. Die Auswahl der Fälle bleibt natürlich subjektiv und reicht von den prominentesten, wie die Geschichte des Menschenfressers von Duisburg bis zu den verhältnismäßig lokalen, wie der Mord an einem Essener Apothekenbesitzer.
Das „andere“ Gladbecker Geiseldrama
Den meisten Menschen ist das Gladbecker Geiseldrama ein Begriff, nicht viele wissen jedoch von den Heitger-Brüdern, die sich nach einem Banküberfall im Jahre 1928 eine erbitterte Verfolgungsjagd mit der Polizei lieferten. Nachdem Heinrich und Johann Heitger mit ihren Komplizen Karl Lindemann am 20. Oktober 1928 eine Reichsbank-Filiale in Gladbeck überfielen, schafften sie es, mehrere Tage auf der Flucht zu bleiben. Ihre Odyssee führte sie zunächst nach Essen und später nach Köln. Dabei stahlen sie Autos, kaperten eine Straßenbahn, hinterließen zudem eine Blutspur (mindestens fünf Menschen mussten damals ihr Leben lassen, bevor die beiden Brüder zur Strecke gebracht wurden). Und die ganze Zeit blieb ihnen die Presse auf den Fersen. Der Fall, der die massiven Defizite bei der damaligen Polizeiausbildung offenlegte, ist zwischenzeitig mehr oder minder in Vergessenheit geraten.
Die Geschichte von „Kirmesmörder“ Jürgen Bartsch blieb hingegen in der kollektiven Erinnerung hängen. Bartsch, der als Karl-Heinz Sadrozinski in Essen geboren wurde, hat zwischen 1962 und 1966 vier Jungen gefoltert und auf grausame Weise umgebracht. Zuerst zu lebenslanger Haft verurteilt, wurde Bartsch, der zu dem Zeitpunkt noch nicht volljährig war, später in die Psychiatrie verlegt, wo er mehrere Jahre verbrachte. Im April 1976 starb er auf dem OP-Tisch, nachdem das ihm während des Eingriffs verabreichte Narkosemittel mehrfach überdosiert wurde.
Nicht nur Mord und Totschlag
Aber die Aufmerksamkeit der Autoren gilt nicht ausschließlich den Fällen, bei denen es blutig zugegangen ist. So beschäftigt man sich in einem Kapitel mit der Entführung von Theo Albrecht. Siebzehn Tage verbrachte er in der Gewalt von Hans Joachim Ollenburg und Paul Kron, bevor die Summe von sieben Millionen Mark bezahlt wurde. Die Täter wurden gefasst und 1973 zu jeweils achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Von der Hälfte des Lösegeldes fehlt bis heute jede Spur. Theo Albrecht hat übrigens später versucht, das Lösegeld vom der Steuer abzusetzen – und zwar als Betriebsausgabe. Auch die Geschichte des berühmt-berüchtigten „Ölkönig von Wanne-Eickel“ Erhard Goldbach findet ihren Platz in diesem Buch. 340 Millionen DM soll Goldbach in den 70er Jahren am Fiskus vorbei geschleust haben.
Fazit
Für Menschen, die Krimis lieben, aber auch spannende Einsichten in die Geschichte Ruhrgebiets gewinnen wollen, ist dieses Buch ein absolutes Muss“
Wolfgang Berke, Jan Zweyer
Echt kriminell
Die spektakulären Fälle aus dem Ruhrgebiet
Erscheinungsdatum 15.02.12
160 Seiten, zahlr. Abb.
9,95 €
ISBN: 978-3-8375-0705-8
Fotoquelle: Klartext-Verlag