„Mensch.Emscher! Eine Expedition durch das neue Emschertal.“ Der Titel macht neugierig: Expedition – und dann noch ins Neue Emschertal? Die Emschergenossenschaft hat Schriftsteller und Fotografen auf eine Reise an die Ufer der Emscher geschickt. Herausgekommen ist dabei eine ebenso ungewöhnliche wie gelungene Liebeserklärung an eine Region!
[ruhr-guide] Für die meisten Menschen – nicht nur außerhalb des Ruhrgebiets – ist der Begriff Emscher immer noch negativ belegt. Abwasser, größte Kloake der Nation, Gestank. All das ist allerdings Schnee von gestern – die Emscher wird schon seit Jahren äußerst erfolgreich renaturiert und „zu einem Fließgewässer mit ökologischer Qualität und viel Raum für Erholung und Freizeit“ umgebaut. Bis zum Jahre 2020 werden 400 Kilometer Abwasserkanäle gebaut und über 4,4 Milliarden Euro investiert werden. Heute schon lädt der Emscherradweg nach Öffnung der Uferzonen zu ausgedehnten Wanderungen und Radtouren an den ehemaligen Industriefluss, der an einigen Stellen schon wieder sehr natürlich wirkt.
Daher war ein Buch wie „Mensch.Emscher!“ – erschienen im assoverlag, herausgegeben von Dr. Jochen Stemplewski, dem Vorstandsvorsitzenden der Emschergenossenschaft – längst überfällig! Und eins können wir hier schon vorweg nehmen: dieses Buch war nicht nur überfällig – es ist auch der ganz große Wurf geworden! Man mag sich gar nicht entscheiden, warum man das Buch weiterempfehlen soll: Wegen den grandiosen Fotografien? Wegen den äußerst spannenden Geschichten? Wegen den herausragenden Hot-Spots der Region? Oder den vielen Tipps zur Region?
In 80 Tagen von der Quelle zur Mündung
Allein das Konzept ist schon so ungewöhnlich wie für manche Menschen der Gedanke einer Entdeckungsreise zu den Ufern der Emscher. So hat sich im ersten Teil des Buches der Recklinghäuser Schriftsteller und Fotokünstler Hans van Ooyen auf Expedition ins Emschertal begeben. Jeden Tag nur einen Kilometer, achtzig Tage lang, in denen er die Menschen, die ihm auf seiner Reise begegnen, porträtiert. Sein Reisebericht führt zwar entlang der Emscher aber auch hinaus in die Region. Und das ist so hochspannend, dass man das Buch „Mensch.Emscher!“ gar nicht mehr aus der Hand legen will.
Am Emscherquellhof trifft van Ooyen den Architekten Eberhard Berg, der die Restaurierung des Hofes leitet. Vielleicht kehren ja hier die Emscherelfen einst wieder zurück, wenn erst die Bagger abgezogen sind? In Dortmund-Mengede begegnet er dem Boxtrainer Georg Übel, der hier an einem improvisierten Boxring die Ferienfreizeit leitet. An einem anderen Tag besucht er eine Kneipe, in der auch schon mal 100 Jahre Knast sich versammeln und porträtiert eine Wirtin mit großem Herz. Dann laden ihn Grufties zu einem Besuch der „666-Party“ im Dortmunder SIXX-PM ein. Ob Künstler mit ungewöhnlichen Instrumenten oder Obdachloser, ob Tag des Denkmals oder das Leben an der Bude – Hans van Ooyen zeichnet ein spannendes Bild von einer Region mit Geschichte und Zukunft. Gemeinsam ist allen seinen Protagonisten aber vor allem eins: die Liebe zu Ihrer Heimat – dem Emschertal.
Alltägliche und ungewöhnliche Orte
Im zweiten Teil von „Mensch.Emscher!“ stehen weniger die Menschen im Vordergrund, als besondere Orte in der Emscherregion. Die Schriftstellerin und Schauspielerin Veronika Maruhn hat sich mit dem Fotografen Henning Mayer-Jantzen auf den Weg gemacht, alltägliche und herausragende Hot-Spots entlang der Emscher ausfindig zu machen. Herausgekommen ist das Portrait einer unglaublich bunten und lebendigen Region. Am Düker, dem Punkt, an dem die Emscher den Rhein-Herne-Kanal unterquert, berichtet Günter „Ballerman“ von den Problemen mit den Behörden, wenn man mitten im Nirgendwo einen Imbiss betreibt. In Dortmund besuchen sie die Strandbar Solendo mitten im Hafen. Weiter die Emscher hinab hat die Autorin einen Ortstermin auf dem Straßenstrich. Weiter geht es über die Cranger Kirmes bis zum Pferdemarkt nach Bottrop. Ob alte Buche oder Single-Party – Veronika Maruhn beschreibt das Emschertal bildreich und fernab der üblichen Reiseführersprache, während die Bilder von Henning Mayer-Jantzen die Atmosphäre der Texte hervorragend ergänzen und illustrieren.
Im letzten Part des Buches „Mensch.Emscher!“ hat ein Team unter der Leitung von Eva-Nadine-Schmidt Tipps für die Region zusammengetragen. Hier finden sich ungewöhnliche Kategorien wie „A wie Abenteuer“, „K wie Kunst und Krempel“ oder „W wie Wohlfühlen“. Ob das Naturfreibad in Recklinghausen-Suderwich oder der Gläserne Aufzug im Gasometer, ob das Emscherlied oder der Windhundrennverein in Gelsenkirchen – hier findet auch der Kenner noch vielfältige neue Anregungen zum Entdecken der Region.
Fazit
„Mensch.Emscher! Eine Expedition durch das neue Emschertal“ ist ein ungewöhnliches Buch mit vielen ungewöhnlichen Menschen und Orten. Texte und Fotografien ergänzen sich hier ideal und zeichnen ein spannendes Bild der Emscher-Region, die wesentlich grüner und lebhafter ist, als selbst viele Einheimische glauben mögen. Das Buch nimmt den Leser aber nicht nur mit auf eine bunte Reise zu den Ufern der Emscher, sondern erweckt das Bedürfnis, sich selbst auf Expedition durch das Neue Emschertal zu begeben! Grandios!
Dr. Jochen Stemplewski (Hrsg.): Mensch.Emscher!
Eine Expedition durch das Neue Emschertal
assoverlag, Oberhausen 2006, 120 S., Broschur, ISBN 3-938834-13-7, 12,90 Euro
(pk)