Der Essener Architekt Alfred Fischer hat zwischen 1924 und 1927 das Symbol für die Stadt Gelsenkirchen erbaut. 2001 beschloss die Stadt Gelsenkirchen das Hans-Sachs- Haus denkmalgerecht zu sanieren, seit 2005 allerdings steht der Abriss fest, wogegen sich Denkmalpfleger, Architekten wie Bürger vehement wehren. Der Deutsche Werkbund NW hat über die bedrohte Welt-Architektur ein spannendes Buch herausgegeben.
[ruhr-guide] Alfred Fischer (1881 – 1950) zählt zu den bedeutendsten Architekten des Ruhrgebiets. Er hat nicht nur das Hans-Sachs-Haus gebaut, der Aussichts- und Wasserturm der Zeche Mont Cenis in Herne, das Pumpwerk „Alte Emscher“ der Emschergenossenschaft in Duisburg oder die Katholische Pfarrkirche St. Antonius in Castrop-Rauxel-Ickern sind nur einige der zahlreichen Gebäude, die zu wichtigen Zeugnissen der regionalen Architekturgeschichte geworden sind. Aus diesem Grund sind auch die derzeitigen Geschehnisse um den Abriss ein Skandal, ein „Streit von Argumenten gegen die Argumentations-Armut von Partei-Riegen, Filz, Schweigen,Vertuschen, Perspektivlosigkeit“, wie es Prof. Dr. Roland Günter und Frank Münschke in ihrem Vorwort darlegen.
Vom Skandal zum Aufbruch
Das Buch „Weltstar Hans-Sachs-Haus. Bedrohtes Demokratie- Denkmal – Aufbruch statt Abbruch“ ist in die drei großen Abschnitte „Die Ikone Hans-Sachs-Haus“, „Der Skandal“ und „Der Aufbruch“ gegliedert. Der erste Aufsatz „Das Hans-Sachs-Haus“ von Wilhelm Niemöller statt aus dem Jahr 1950 und beschreibt die wechselhafte Baugeschichte vom Vorgängergebäude, worin die Wirtschaft Heuser mit ihrem kleinen Konzertsaal und die Berufsschule untergebracht war, über den ersten Spatenstich im August 1924 bis zur Eröffnungsfeier, die „nicht ganz ohne Mißklang“ verlief. Schon hier zeigt sich, wie das Hans-Sachs-Haus von Anfang an zum Politikum wurde, ein Umstand, den Roland Günther in seinem Aufsatz „Die Ruhrgebiets-Ikone Hans Sachs-Haus – führen Denk-Fehler zum Desaster – und jetzt zur öffentlichen Hinrichtung?“ weiter vertieft. Von der „Missachtung vorhandener Werte“ über die „Ausschaltung von eigener Kompetenz“ bis zum „verordneten Schweigen“ zeichnet er eine Historie der Schritte zum Ist-Zustand.
Gedanken und Erinnerungen an das Hans-Sachs-Haus
Nach dem zweiten Kapitel kennt der Leser des Buches nun also die Verwicklungen der Parteien in die Geschichte des Hans-Sachs- Hauses, in den folgenden Kapiteln erfährt man etwas über die im Hans-Sachs-Haus realisierte Farbgebung durch den Maler Max Burchartz und die berühmte Wunderorgel. Zeitzeugen berichten ihre persönlichen Gedanken und Erinnerungen an das Hans-Sachs-Haus, wodurch aus einem städtischen Gebäude ein Teil des Lebens von Bürgern wird.
Initiative „Licht ins Dunkel um das Hans- Sachs-Haus“
Der große Abschnitt des Skandals erhellt durch verschiedene Artikel zur Rolle der Denkmalpflege, zur Chronologie, einem kleinen „Who is Who“ von Oliver Wittke über Frank Baranowski bis hin zur Firma Heitkamp, zur Finanzfalle „Public-Private-Partnership“ oder einfach die „Dummheiten und üble Vorsätze“ die ganze Tragweite und die Verstrickungen der Verantwortlichen in der Diskussion um das Provinzdrama, den Abriss des Gebäudes, wogegen sich um die Initiative „Licht ins Dunkel um das Hans- Sachs-Haus“ ein Bürgerbegehren regt, das erste Bürgerbegehren überhaupt in Gelsenkirchen. So ist auch der dritte Abschnitt des Buches dem Aufbruch gewidmet, hier wird gezeigt, wie sich die Bürger engagiert zur Wehr setzen. „Sie wissen nicht, was sie tun.“ – Das Zitat des ehemaligen Stadtbaumeisters von Botttop, Bernhard Küppers, zeigt, was die Bürger auch außerhalb Gelsenkirchens von dem Beschluss des Stadtparlaments halten, vor allem im Hinblick auf die Kulturhauptstadt Europas 2010: „Oder möchte Gelsenkirchen ein finsteres Kontrast-Programm liefern?“ (Roland Günter)
Fazit: Das Buch „Weltstar Hans-Sachs-Haus“ gehört in den Schrank eines jeden aufgeklärten und kritischen Ruhrstädters!
Deutscher Werkbund NW (Hrsg.):
Weltstar Hans-Sachs-Haus. Bedrohtes Demokratie-Denkmal – Aufbruch statt Abbruch
Einmischen und Gestalten. Eine Schriftenreihe des Deutschen Werkbunds Nordrhein-Westfalen, Band 3. 1. Auflage Juli 2006. Klartext Verlag Essen. 224 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Broschur, 14,90 Euro, ISBN 3-89861-670-3
(sl)