Comedian Ingo Appelt ist aktuell mit seiner Show „Der Staats-Trainer!“ auf den Autokino-Bühnen des Landes unterwegs und begeistert das Publikum als selbst ernannter „Bundesarschtreter“. Im Gespräch mit dem ruhr-guide ging es um Corona, Männer und Humor!
ruhr-guide: Herr Appelt, aktuell beschäftigt natürlich viele Menschen vor allem die Corona-Krise. Wie erleben Sie persönlich diese Zeit?
Ingo Appelt: Man hat schon so seine Bedenken. Und ich hätte das selber auch nicht gedacht, dass ich diese Regeln so Ernst nehme. Weil am Anfang – ich war auch einer von denen die gesagt haben: „Ach, das geht alles an uns vorüber. Da machst du die Augen zu und das kriegst du gar nicht mit. Das ist wie Schweinegrippe oder Vogelgrippe. Alles Quatsch – viel Geschrei um Nichts.“ Und jetzt ist doch alles ganz anders.
Hat Corona Einfluss auf Ihren Job?
IA: Ich habe den besten Job auf der Welt, weil er nicht digitalisierbar ist. Weil das was ich da mache, das ist wirklich Handwerk pur, d. h. von Ort zu Ort zu gehen, mit dem Köfferchen in der Hand. Das ist nicht mal eben auf Facebook oder Instagram zu übertragen, sondern wirklich mit dem Täschchen an jedem dicken Baum spielen und immer so seine 2-3-4-500 Leute abends haben. Ich spreche mit denen. Der letzte, aus der letzten Reihe kann noch mit Ingo Appelt reden. Das war für mich Maßstab der Qualität meines Berufs und jetzt geht nichts mehr. (lacht)
Normalerweise interagieren Sie in Ihren Shows sehr viel mit dem Publikum. Wie läuft das jetzt ab – wenn Sie in den Autokinos auf der Bühne stehen?
IA: Wir haben Gott sei Dank sogenannte Applaus-Apps am Start. Die funktionieren überraschend gut. Und da muss man gucken, denn das ist überall anders. Manche dürfen auch hupen, bei anderen ist es wieder verboten. In Eschweiler durften wir spielen, aber nicht hupen, weil daneben ein Friedhof war. Die hätten sich beschwert. Das sind sehr lustige Sachen, die da passieren. Aber ich bin wirklich sehr überrascht über den Eifer und auch die Kreativität, die da viele an den Tag legen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich es überhaupt machen kann. Es gibt Kollegen, denen gefällt es nicht im Autokino zu spielen. Wo ich sage: „Ey, haltet mal die Klappe. Freut euch des Lebens, dass ihr auftreten dürft.“ Es ist eine andere Reaktion, als die, die wir sonst normal haben, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. (lacht)
Ist es Ihnen auch gerade jetzt besonders wichtig, die Leute zum Lachen zu bringen?
IA: Ja, einerseits. Andererseits geht es auch darum den Leuten ein bisschen die Sorgen zu nehmen. Ich mache das viel im Einzelgespräch, also am Telefon natürlich. Weil gerade im Bekannten- und Freundeskreis gibt es doch viele Menschen, die auch Angst haben. Die Bedenken haben und dann ist man so als Komiker schon gefragter, auch mal zu beruhigen. Und nicht sich mit den Verschwörungstheoretikern noch in eine Kiste zu schmeißen und die Menschen in Angst und Panik zu versetzen. Mein Job ist genau das Gegenteil zu betreiben und da bin ich natürlich froh, dass das Autokino da ist und wir das machen können. Und ich finde, das funktioniert ganz gut: Wir sitzen da und bespaßen uns. Jedes Mal sind die Leute begeistert nach Hause gefahren und haben gesagt: „Geil!“
Meinen Sie, Humor oder Comedy kann in solchen Krisensituationen helfen?
IA: Man muss ja auch nicht nur körperlich gesund bleiben, sondern auch in der Birne und da ist Comedy auch so ein bisschen Frust-Abbau. Natürlich thematisiere ich den ganzen Irrsinn. Ist ja auch wichtig, mal darüber zu sprechen, weil es beschäftigt einen und es gibt nichts schlimmeres, als Angst zu haben. Und das ist das Gute an Comedy: Comedy ist im Prinzip Angst-Bewältigungstherapie! Deshalb finde ich es schön, dass ich da ein bisschen „Staats-Trainer“ spielen kann. Mir gehts darum, dass wir ein wenig den Frust und die Wut abbauen. Das ist mein Job. Aber das beschäftigt mich natürlich. Mich setzt das teilweise auch unter Druck. Und ich versuche da einen humoristischen Ausweg zu finden und das ist manchmal gar nicht so leicht.
Männer und Krisenbewältigung — passt das denn zusammen?
IA: Das ist natürlich so mein Thema. Das sind die Männer, die aus allem einen Krieg machen müssen. Die hergehen, mit der Waffe in der Hand, die sich unheimlich da drin gefallen, in Krisensituationen mit der Knarre vorne wegzustehen und zu sagen: „Ich beschütz euch!“ Und machen den Leuten in Wirklichkeit noch mehr Angst. Das ist schon echt erschreckend!
Glauben Sie, dass Frauen anders damit umgehen?
IA: Die sind anders gepolt. Wir Männer haben in den letzten 8-, 9-, 10000 Jahren, eigentlich nicht viel anderes gemacht außer Krieg geführt. Das prägt natürlich auch genetisch, das darf man nicht vergessen. Der Krieg sitzt uns in den Knochen und das wird auch schwerst unterschätzt. Ich bin eher pazifistisch angehauen. Aber da muss man halt mit umgehen — mit diesem männlichen Frustrationspotential. Die sind alle schlecht drauf, weil sie nicht mehr die Helden sind und nicht mehr die großen Befehlshaber. Weil sie nicht mehr die Unersetzlichen sind, sind die zutiefst deprimiert und das merkt man überall. Das ist auch Thema bei mir im Programm „Der Staats-Trainer!“. Also wir müssen Männer besser sozialisieren. Deshalb arbeite ich als Martin Rütter der Männlichkeit und versuche die Männer zu unterstützen, ihren Frust aufzunehmen und zu kanalisieren. Ganz wichtig, klingt jetzt nicht nach Comedy – ist aber so!
Der „Staats-Trainer“ ist also quasi auch ein Therapeut?
IA: Ja, ist ja auch die Rolle. Natürlich auch, weil wir Männer vielfach bekloppt sind in solchen Dingen. Frauen auch, aber in einer ganz anderen Art und Weise. Ich finde mich da auch selber teilweise wieder: „Was machst du denn jetzt da?“ Auch dieses Bedürfnis auf der Bühne stehen zu müssen, immer dieses rechthaberische Klugscheißen, haben wir Comedians ja alle. Wer kommt denn auf die Idee auf der Bühne zu stehen? Und was machen wir in aller erster Linie? Klugscheißern – Recht haben – Ich weiß es besser! (lacht)
Sehen Sie sich denn eher als Comedian oder als Kabarettist?
IA: Ich bin eigentlich eher Humor-Therapeut. (lacht) Also ich habe schon so eine kabarettistische Grundader. Ich komme auch aus der politischen Arbeit. Mich interessiert Politik. Aber was mich total beschäftigt und seit Jahrzehnten halt auch umtreibt, sind Gegensätze: Warum sind Männer so anders als Frauen? Oder sind die gar nicht so anders? Warum werden eigentlich Differenzen so hochgejubelt? Ich habe auch lange Zeit in Köln gelebt, warum gibt es da diesen Dissens mit Düsseldorf? Warum nehmen die das so Ernst? (lacht) Und das ist ja teilweise erschreckend, wo ich manchmal denke: Wir Menschen sind uns so wahnsinnig ähnlich, wir suchen nach der Differenz. Und teilweise sind wir unterschiedlich und suchen dann die Nähe. Also wir Menschen sind total widersprüchlich und deswegen sehr lustig!
Was würden Sie sagen: Unterscheidet sich der Humor in den Regionen des Landes voneinander?
IA: Hm ja, ich würde mal sagen, in verschiedenen Regionen jetzt nicht so sehr. Aber sagen wir mal, wenn man eher im Bildungsbürgertum unterwegs ist, ist es was anderes als, wenn man beim Schützenfest auftritt. Also die breite Masse hat einen etwas anderen Humor. Und ich mag beides und ich finde, man muss das eine kennen und das andere können.
Abwechslung ist auch wichtig im Showbizz.
IA: Ja, eben. Also ich bin grundsätzlich jemand — ich glaube, das liegt natürlich auch an meiner Prägung als „Gewerkschaftsfutzi“ — ich war Jugendvertreter bei Siemens und was ich immer versucht habe ist, die Leute zu verbinden. Also ich bin zum Beispiel auch in der SPD und warum bin ich in der SPD? Nach wie vor seit 35 Jahren tue ich mir diesen Irrsinn an, weil ich es gelernt habe, dass es eigentlich dazu gehört. Aber die Leute organisieren sich nicht mehr, die sind alle nur noch im ADAC, aber in keiner Partei. Und auch nicht beim DGB und dann merkst du, dass es schwierig ist. Und das finde ich jetzt auch wieder das Gute an dieser Corona-Krise. Schaut man sich zum Beispiel diese Missstände in diesen Schlachthöfen, in der Altenpflege und in dem Gesundheitssystem an. Wir haben die Leute, die eigentlich tolle Jobs machen, die wichtige Jobs machen, die teilweise auch wirklich ekelhafte Jobs machen, beschissen bezahlt und nur damit wir unser Hackfleisch für 1,55 Euro kaufen können.
Glauben Sie, Corona wird dauerhaft Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben haben?
IA: Ich sage immer, es ist halt „nur“ diese Pandemie. Es ist nicht der dritte Weltkrieg, den wir seit Jahrzehnten herbeireden. Es ist nicht die Nuklearkatastrophe, wie Tschernobyl und es ist wahrscheinlich auch nicht die Umweltkatastrophe, die da kommt, sondern der wahre Irrsinn ist tatsächlich ein kleiner Virus, den wir nicht sehen, wo man sagt: „Wo kommt das denn jetzt her?“ Und ich finde, es ist eine ganz gute „Übung“, um mal wieder zu gucken: Wie funktioniert Gesellschaft? Und ich finde das gut, dass jetzt zum Beispiel Parteien und solche Organisationen wieder eine andere Wertigkeit kriegen, dass man wieder etwas anders diskutiert. Ich bin mal gespannt, es kann natürlich auch nach hinten losgehen, aber ich bleib dran. Der „Staats-Trainer“ kommt! (lacht)
Hier geht’s zur aktuellen Show von Ingo Appelt …
Fotos: 1 Ava Elderwood
2 Ava Elderwood (Foto) und Sven Knoch (Artwork/Produktion)
3 Ava Elderwood