Die Philharmonie Essen im traditionsreichen Saalbau ist die größte Philharmonie im Ruhrgebiet. Nach der Renovierung bietet der Saalbau Raum für Konzerte, für die es in Essen bislang nur wenig Räumlichkeiten gab.
[ruhr-guide] Im Juni 2004 wurde die neue Philharmonie Essen mit einem großen Festkonzert eingeweiht. In den ersten beiden Monaten wohnten über 50.000 Zuschauer dem „Eröffnungszauber“ bei, während dem sich die internationale Konzertszene die Klinke in die Hand drückte: Von den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle, Frank Peter Zimmermann oder dem Alban Berg Quartett hin zu Jazz-Größen wie Herbie Hancock oder Wayne Shorter, Größen des internationalen Konzertbetriebs die man in Essen bisher nicht zu Gesicht bekam.
Ein derart hochkarätiges Programm im alten Saalbau – undenkbar. Denn so neu ist die Philharmonie gar nicht. Die eigentliche Geschichte der Philharmonie beginnt 100 Jahre früher, 1904 mit der Eröffnung des Saalbaus. Richard Strauss dirigierte zur Premiere und Gustav Mahler leitete wenig später die Uraufführung seiner 6. Sinfonie. Bis in die 1990er Jahre war der Saalbau die Heimstadt der Essener Philharmoniker, wurde aber auch als Mehrzweckhalle von Bällen bis hin zum Flohmarkt genutzt.
Renovierung im großen Stil
Was 1904 noch hochmodern war, wurde im Lauf der Zeit zu einer hochbetagten, pflegebedürftigen Dame. Ende der 90er war es dann soweit. Nachdem die Philharmoniker unter Protest den alten Saalbau verließen war man zum Handeln gezwungen. Bei der Entscheidung zwischen Neubau oder Renovierung hielt man es mit der alten Dame und renovierte, allerdings im großen Stil. In unmittelbarer Nähe zum vergleichsweise noch jungen Aalto-Theater (erst 1988 eröffnet) steht die Philharmonie im Zentrum Essens.
Der Saalbau heute
75 Millionen Euro wurden verwendet, um den Saalbau zu renovieren. Er besitzt nun eine moderne technische Ausstattung. Die finanziellen Mittel für die Renovierung wurden größtenteils durch Beiträge von Wirtschaft und Stiftung ermöglicht. Das Land NRW beteiligte sich mit ca. acht Millionen Euro. Der Umbau macht sich bereits im Eingangsbereich des Saalbaus bemerkbar. Ein Teil des Gebäudes orientiert sich an dem Zustand, in dem der Saalbau in den 50er Jahren war, darunter der Eingangsbereich und die Wandelhalle. Am Haupteingang befinden sich Kassenhäuschen und an der Decke sieht man noch historische Leuchter.
Der Alfried-Krupp-Saal ist die größte Räumlichkeit des Saalbaus. Er wurde nicht direkt an den anderen Sälen gebaut, damit man sie akustisch isolieren kann. Das helle Holz, die roten Sitzplätze und die tiefblaue Decke lassen den Saal gemütlich wirken, sodass Publikum und Künstler sich wohlfühlen. Die roten Stahlelemente im Saal deuten auf das Unternehmen Krupp hin. Der Alfried-Krupp-Saal kann sich auf verschiedenste Weise der Größe der Veranstaltung anpassen. Höhenverstellbare Kreissegmente und ein Parkettbereich, den man bis zum Balkon anheben kann, ermöglichen die Verwendung des Saal für einen Ball oder für eine Aktionärsversammlung. Das Klangsegel an der Decke kann man an kleinere Veranstaltungen anpassen, indem man es herabsenkt. Die große Kuhn-Orgel im Alfried-Krupp-Saal entstand gegen Ende des Umbaus.
Der Energiekonzern RWE sponserte einen mit Licht durchfluteten Pavillon, der für kleinere Veranstaltungen genutzt werden kann. An den Seiten des Pavillons aus Glas- und Metallteilen befinden sich große Vorhänge, die den Klang optimieren und schall- und blickdicht sind. Im Saalbau ist zudem ein Festsaal, der eine edle Wandverkleidung aus Mahagoni und Birmbaumholz besitzt. Mit einer kleinen Bühne und einer Garderobe für die Künstler ist er vor allem für Bankette und für Veranstaltungen mit Tanz geeignet. Zum Saalbau gehören drei bunte Säle: ein weißer, ein gelber und ein grüner Saal. Der weiße Saal zeichnet sich durch eine Keramikwand mit Bildern aus Märchen und klassischer Musik aus. Der gelbe Saal besitzt Wänden mit Zitronenholzfurnier und im grünen Saal sind die Wände mit Birnbaumfurnier ausgestattet. Der Stadtgarten ist durch die Fenster zu sehen. Alle Säle können durch die großen Flügeltüren miteinander verbunden werden.
Die größte Philharmonie des Ruhrgebiets
Mit knapp 2000 Plätzen ist die Philharmonie eindeutig die größte des Ruhrgebiets. Nach anfänglichen Kritiken ob des zeitgleichen Baus der „Philharmonie für Westfalen“ in Dortmund, bemühten sich die Verantwortlichen in Essen und in Dortmund zu versichern, ein Ballungsraum wie das Ruhrgebiet würde mehrere Spielstätten vertragen. Bochum und Duisburg planen auch neue Spielorte für ihre Orchester.
Nach der ersten Spielzeit scheint man in Essen alles richtig gemacht zu haben. 265.000 Besucher bei 300 Konzerten und der neue Saalbau taucht neuerdings wieder im überregionalen Feuilleton auf. Auch die Angst, die Philharmonie könnte einen Verdrängungs- wettbewerb in der Region auslösen, scheint bisher unbegründet gewesen zu sein. Der neue Saalbau raubt anderen Institutionen keine Zuschauer, er bietet Raum für Konzerte, für die es in Essen bisher keine Räumlichkeiten gab.
Fotocredit: Bernadette Grimmenstein